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Ökumenische Feier: „Es scheint eine neue Religion zu sein“

Luther: 500 Jahre danach auf den Knien
1. November 2016 9
Papst Franziskus und Martin Junge (Lutherischer Weltbund)
von Roberto de Mattei*

Wir sagen es mit tiefempfundenem Schmerz. Es scheint eine neue Religion zu sein, die am 31. Oktober im Rahmen des ökumenischen Treffens zwischen Papst Franziskus und den Vertretern des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Lund in Erscheinung getreten ist. Eine Religion, deren Ausgangspunkte klar sind, deren Ziel aber dunkel und beunruhigend ist.
Der Slogan, der am öftesten in der Kathedrale von Lund zu hören war, war die Notwendigkeit eines „gemeinsames Weges“, der Katholiken und Lutheraner „vom Konflikt zur Gemeinschaft“ führt. Sowohl Papst Franziskus als auch Pastor Martin Junge, der Sekretär des Lutherischen Weltbundes, nahmen in ihren Ansprachen Bezug auf das Gleichnis im Evangelium vom Weinstock und den Reben.
Katholiken und Lutheraner seien „verdorrte Zweige“ desselben Baumes, der wegen der Spaltung von 1517 keine Früchte mehr trage. Niemand weiß aber, welche „Früchte“ hier gemeint sind. Was Katholiken und Lutheraner derzeit gemeinsam zu haben scheinen, ist nur der Zustand einer tiefen Krise, auch wenn die Gründe dafür unterschiedlich sind.
Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung: gesuchte Gleichheit des Äußeren (weißes Gewand, rote Stola)
Das Luthertum war einer der Hauptfaktoren für die Säkularisierung der westlichen Gesellschaft, und heute befindet es sich dementsprechend in einem Siechtum, weil es die Keime der Auflösung ausgetragen hat, die es seit seiner Entstehung in sich getragen hat. Die skandinavischen Länder waren die Vorhut der Säkularisierung, die sie lange Zeit als Modell für unsere Zukunft vorangetragen haben. Heute ist Schweden jedoch, nachdem es sich in das Vaterland des Multikulturalismus und der „Homo-Rechte“ verwandelt hat, ein Land, in dem nur mehr zwei Prozent der Lutheraner praktizierend sind, während fast zehn Prozent der Bewohner den Islam praktizieren.
Die katholische Kirche hingegen befindet sich in einer selbstzerstörerischen Krise, weil sie ihre Tradition aufgegeben und den Säkularisierungsprozeß der modernen Welt übernommen hat, und das gerade zu einem Zeitpunkt, da diese sich bereits zu zersetzen begann. Die Lutheraner suchen in der Ökumene einen letzten Lebenshauch, die katholische Kirche aber verspürt in dieser Umarmung den Odem des Todes.
„Das, was uns eint, ist viel mehr, als das, was uns trennt“, hieß es in der Zeremonie von Lund. Was aber eint Katholiken und Lutheraner? Nichts, nicht einmal die Taufe, das einzige der sieben Sakramente, das die Lutheraner wirklich anerkennen. Für die Katholiken tilgt die Taufe die Erbsünde, während sie für die Lutheraner diese nicht tilgen kann, weil für sie die menschliche Natur radikal verdorben und die Sünde unbesiegbar ist. Luthers Formel: „Sündige tapfer, aber glaube tapferer“, faßt sein Denken zusammen. Der Mensch ist unfähig zum Guten und kann nichts anderes als sündigen und sich blind der göttlichen Barmherzigkeit überlassen. Gott entscheidet auf willkürliche und unanfechtbare Weise, wer verurteilt und wer gerettet ist. Es existiert keine Freiheit, sondern nur eine strenge Prädestination der Erwählten und der Verdammten.
Ökumenische Feier: „Es scheint eine neue Religion zu sein“
Mit dem „Sola Fide“ geht das „Sola Scriptura“ einher. Für die Katholiken aber gibt es zwei Quellen der Göttlichen Offenbarung: Die Heilige Schrift und die Tradition. Die Lutheraner eliminieren die Tradition, weil sie behaupten, daß der Mensch ein direktes Verhältnis mit Gott haben muß, ohne Mittler. Das ist der Grundsatz der „freien Prüfung“ der Schrift, aus der der Individualismus und der heutige Relativismus hervorgehen. Dieser Grundsatz führt zur Leugnung der Rolle der Kirche und des Papstes, den Luther als „Apostel Satans“ und „Antichrist“ bezeichnet. Luther hat vor allem den Papst und die katholische Messe gehaßt, die er zum bloßen Gedenken reduzieren wollte, indem er den Opfercharakter und die Transsubstantiation von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi leugnete. Für die Katholiken aber ist die unblutige Erneuerung des Kreuzesopfers Christi in der Messe die einzige Quelle der Göttlichen Gnade. Sind das bloß Mißverständnisse und Unverständnis?
Papst Bergoglio hat in Lund erklärt: „Auch wir müssen liebevoll und ehrlich unsere Vergangenheit betrachten, Fehler eingestehen und um Vergebung bitten.“ Und weiter: „Mit der gleichen Ehrlichkeit und Liebe muß man zugeben, daß unsere Spaltung von dem ursprünglichen Empfinden des Gottesvolkes, das sich von Natur aus nach Einheit sehnt, weggeführt hat und in der Geschichte mehr durch Vertreter weltlicher Macht aufrecht erhalten wurde, als durch den Willen des gläubigen Volkes.“ Wer waren diese Vertreter weltlicher Macht? Die Päpste und die Heiligen, die von Anfang an das Luthertum bekämpft haben? Die Kirche, die es fünf Jahrhunderte lang verurteilt hat?
Das Konzil von Trient hat ein endgültiges Wort über die Unvereinbarkeit zwischen dem katholischen und dem protestantischen Glauben gesprochen. Wir können Papst Franziskus nicht auf einen anderen Weg folgen.

*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt erschienen: Vicario di Cristo. Il primato di Pietro tra normalità ed eccezione (Stellvertreter Christi. Der Primat des Petrus zwischen Normalität und Ausnahme), Verona 2013; in deutscher Übersetzung zuletzt: Das Zweite Vatikanische Konzil – eine bislang ungeschriebene Geschichte, Ruppichteroth 2011. Die Zwischentitel stammen von der Redaktion.
Übersetzung: Giuseppe Nardi