Auf meiner Reise führte mich mein Weg zur Klosterpforte, denn meine Seele sehnte sich nah glücklich stillem Orte.
Und wie dem Kirchlein fromm ich nah' und meinen Herrn besuche, an armer Stätte fand ich da ein Kleinod, wie ich's selten sah, in einem alten Buche.
Kein Zufall ist's, wie man sich's denkt, dass ich die Blätter wende, ja, sicher hat es Gott gelenkt zur Lehr in meine Hände: so große Wahrheit lern' ich hier die Welt versteht sie nimmer auf einem kleinen Stück Papier, in Bild, das unvergesslich mir verbleiben wird auf immer.
Da sitzt auf einem Bänkchen still, die Zeit sich zu vertreiben, ein kleiner Knabe, der da will sich große Zahlen schreiben,
Den neuen Griffel wohlgefasst er mit der Rechten lenket; und mit dem linken Arm er stützt des glatten Schiefers Rand, geschnitzt, vom Christkind ihm geschenket.
Mir scheint, er hat der Ziffern Weis' zu schreiben nicht behalten, er kennt nur noch den Nullen Kreis, die wohl für Nüsse er gehalten. Er sitzt und schwitzt, wie er sich plagt - man kann nur Nullen sehen; und hinter ihm sein Engel ragt, schreibt groß ihm „Eins“ davor und sagt die Worte, die hier stehen:
„Mein Kind, vergiss vor Nullen nie zuerst die Eins zu schreiben, sonst werden all zusammen sie nur eine Null verbleiben! Wenn dir die gute Meinung fehlt, so wirst du nichts erreichen; wenn sie dein Handeln nicht beseelt, so hast umsonst du dich gequält: denn Gott wird alles streichen!“
Quelle: „Theophila“ – Vademekum für Lehrerinnen – Dr. Theol. Phil. Jakob Ecker - 1915