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Das größte Problem des Konzils. Durch den Ökumenismus kam die Welle der Protestantisierung der Kirche - erklärt der emeritierte Mainzer Kirchenrechtler Georg May: "Wir können die Frömmigkeitsübungen …More
Das größte Problem des Konzils.
Durch den Ökumenismus kam die Welle der Protestantisierung der Kirche - erklärt der emeritierte Mainzer Kirchenrechtler Georg May: "Wir können die Frömmigkeitsübungen nicht vermischen, weil der Glauben eine Trennwand bildet." May übt auch Kritik an der Ökumene mit den orthodoxen Kirchen.
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Fortsetzung: (es gibt nun anscheinend eine Zeichenbegrenzung pro Kommentar)
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Was der Text unter „Religionsfreiheit“ versteht, wird ausdrücklich erklärt. Keine Rede von Menschenrechten gegenüber Gott, im Gegenteil! Es gibt nur eine wahre Religion und alle Menschen sind ihr verpflichtet. Es geht ausschließlich um die Rechte gegenüber den anderen Menschen in der staatlichen Gesellschaft, und zwar …More
Fortsetzung: (es gibt nun anscheinend eine Zeichenbegrenzung pro Kommentar)

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Was der Text unter „Religionsfreiheit“ versteht, wird ausdrücklich erklärt. Keine Rede von Menschenrechten gegenüber Gott, im Gegenteil! Es gibt nur eine wahre Religion und alle Menschen sind ihr verpflichtet. Es geht ausschließlich um die Rechte gegenüber den anderen Menschen in der staatlichen Gesellschaft, und zwar speziell um die Freiheit von Zwang. Die Lehre der neueren – also der vorkonziliaren – Päpste wird weitergeführt (evolvere bedeutet hier anwenden und entfalten).

I. Allgemeine Grundlegung der Religionsfreiheit

2. Das Vatikanische Konzil erklärt, daß die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, daß alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten Einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so daß in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen - innerhalb der gebührenden Grenzen - nach seinem Gewissen zu handeln. Ferner erklärt das Konzil, das Recht auf religiöse Freiheit sei in Wahrheit auf die Würde der menschlichen Person selbst gegründet, so wie sie durch das geoffenbarte Wort Gottes und durch die Vernunft selbst erkannt wird2.

Was selbstverständlich ist, muß hier eigens betont werden: die Aussage des 2. Abschnittes muß im Licht des 1. Abschnittes verstanden werden. Die „Würde des Menschen“ ist kein Postulat der Freimaurer, sondern verdankt sich der Zuwendung Gottes in das Gewissen des Einzelnen und dessen Befähigung, die Wahrheit des sich offenbarenden Gottes kraft der Wahrheit selbst zu erkennen und als Eigentum zu umfangen. Diese im Licht des geoffenbarten Wortes Gottes und der Vernunft erkannte Befähigung berechtigt und verpflichtet zugleich. Deshalb widerspricht die Verurteilung einer ganz anders verstandenen Religionsfreiheit durch Pius IX hier nicht. Der verurteilte Satz lautet: Liberum cuique homini est eam amplecti ac profiteri religionem, quam rationis lumine quis ductus veram putaverit“ (Propositio 15 des Syllabus DS 2915). Franz Hettinger konnte in dem Standartwerk „Lehrbuch der Fundamentaltheologie oder Apologetik“, anhand dessen von 1878 an bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts Generationen von Priester ausgebildet wurden, unangefochten schreiben: „Dieser Satz ist wahr in dem Sinne, daß keiner gezwungen werden kann, eine Religion anzunehmen, die er für eine falsche hält, und daß die Bekenner der wahren Religion hierbei frei handeln und am Bekenntnis nicht gehindert werden können; er ist aber falsch in dem Sinn des Autors (Franc. Vigil, Defensa de la autoridad de los gobiernos, Lima 1848), es habe jeder das Recht, ohne weitere Untersuchung nach Gutdünken einer falschen Religion sich anzuschließen, wenn sie ihm nur subjektiv als wahr erscheint“ (Freiburg 31913, S. 165f). Auch wenn man das Buch von F. Vigil nicht gelesen hat, so sprechen doch der Titel, Erscheinungsort und –jahr Bände: da es angeblich im Bereich der Religion keine objektive Wahrheit gibt, höchstens ein subjektives Gefühl im Sinn Friedrich Schleiermachers, kann keine Religion oder Kirche gegenüber der Autorität des Staates Ansprüche stellen.
Dieses Beispiel zeigt, daß auch die Aussagen des kirchlichen Lehramtes – wie jeder historische Text – einer Hermeneutik bedürfen: das, was an ihnen zeitlos wahr ist, muß im Kontext der Aussageabsicht innerhalb der historischen Gegebenheiten eruiert werden. Der in der Propositio 15 verurteilte Satz des Syllabus widerspricht Dignitatis humanae Nr.2 nicht, zumal im dessen Text Einschränkungen angedeutet und später erklärt werden: innerhalb der gebührenden Grenzen. Wir kommen darauf zurück.

Dieses Recht der menschlichen Person auf religiöse Freiheit muß in der rechtlichen Ordnung der Gesellschaft so anerkannt werden, daß es zum bürgerlichen Recht wird.

Diese politische Forderung kann die Kirche erheben, weil sich die Lehre von der recht verstandenen Religionsfreiheit nicht nur auf die göttliche Offenbarung, sondern auch auf die menschliche Vernunft stützt. Sie ergibt sich aus der objektiven Erkennbarkeit Gottes aus dem natürlichen Licht der Vernunft (DS 3004) und ist dem Agnostizismus und Liberalismus der von Pius IX verurteilten Autoren entgegengesetzt.

Weil die Menschen Personen sind, d. h. mit Vernunft und freiem Willen begabt und damit auch zu persönlicher Verantwortung erhoben, werden alle - ihrer Würde gemäß - von ihrem eigenen Wesen gedrängt und zugleich durch eine moralische Pflicht gehalten, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene Wahrheit, welche die Religion betrifft. Sie sind auch dazu verpflichtet, an der erkannten Wahrheit festzuhalten und ihr ganzes Leben nach den Forderungen der Wahrheit zu ordnen.

Nur ein oberflächlicher Freiheitsbegriff steht in Opposition zu der eindeutigen Verpflichtung und umfassenden Bindung, die hier von jedem Menschen verlangt wird. Es gibt nicht nur die Freiheit von etwas, sondern auch die Freiheit zu etwas in persönlicher Verantwortung. Der hl. Augustinus erkannte, daß die wahre Freiheit nicht darin besteht, sündigen zu können, sondern darin, sich für das Gute aus innerer Überzeugung entscheiden zu können. Sonst wären Gott und die Heiligen im Himmel nicht wirklich frei. Mit Liberalismus hat das alles nichts zu tun.

Der Mensch vermag aber dieser Verpflichtung auf die seinem eigenen Wesen entsprechende Weise nicht nachzukommen, wenn er nicht im Genuß der inneren, psychologischen Freiheit und zugleich der Freiheit von äußerem Zwang steht. Demnach ist das Recht auf religiöse Freiheit nicht in einer subjektiven Verfassung der Person, sondern in ihrem Wesen selbst begründet. So bleibt das Recht auf religiöse Freiheit auch denjenigen erhalten, die ihrer Pflicht, die Wahrheit zu suchen und daran festzuhalten, nicht nachkommen, und ihre Ausübung darf nicht gehemmt werden, wenn nur die gerechte öffentliche Ordnung gewahrt bleibt.

Weil Gott den Menschen auf seine Weise für sich gewinnen will, muß dieser auf die entsprechende Weise Gott suchen. Das aus der Pflicht gegenüber Gott abgeleitete Recht gegenüber den Menschen, auf diese Weise eine innere religiöse Überzeugung zu formen, bleibt dem Menschen auch dann, wenn er seine Pflicht vernachlässigt. Es gründet nicht in der subjektiven Verfassung der Person und es hat keinen Sinn, diejenigen, die freiwillig glauben, die Freiheit zu lassen, und diejenigen, die nicht glauben wollen, zum Glauben zu zwingen. Auch steht es den anderen Menschen nicht zu, sich ein Urteil über das forum internum anzumaßen, inwieweit ein Mitmensch dem Ruf Gottes in der ihm möglichen Weise folgt. Wer seiner Pflicht, die Wahrheit zu suchen, nicht nachkommt, kann zwar vor Gott kein Recht auf seine persönliche Überzeugung beanspruchen, aber deshalb haben die anderen Menschen kein Recht, seine persönliche Überzeugung mit äußeren Maßnahmen zu kontrollieren, zu korrigieren oder zu sanktionieren. Eine Konversion muß immer ein Weg der inneren Reife und Entscheidung sein. Damit wird kein exklusiver Individualismus postuliert. Alles, was dieser inneren und persönlichen Entscheidung des Mitmenschen dient, ist berechtigt und geschuldet (vor allem das persönlich gelebte Glaubenszeugnis) – alles, was diese Entscheidung zur Wahrheit propter ipsam veritatem behindert (auch gut gemeinte Lockungen und Privilegien etc.), ist dem Glauben kontraproduktiv und verwerflich. Wer meint, daß ein guter Diktator die unmündigen Schafe im Haufen in den Himmel führen kann, hat vom Glauben (der fides qua) nichts verstanden.
Der Text der Erklärung stellt die eingangs bekannte Pflicht des Einzelnen gegenüber Gott an keiner Stelle in Frage. Fraglich ist nur, inwiefern andere (Einzelne, gesellschaftliche Gruppen, jegliche menschliche Gewalt) diese Pflicht einfordern, kontrollieren oder sanktionieren können. Der kritische Punkt ist die Manifestation irriger religiöser Überzeugungen. Natürlich ist den Päpsten des 19. Jahrhunderts Recht zu geben, daß ein Recht auf uneingeschränkte Ausübung religiöser (oder scheinreligiöser) Kulte Wahnsinn wäre: Satanisten, Kannibalisten, Polygamisten, kriminelle Sekten etc. Dagegen fordert die Erklärung des Zweiten Vatikanum, daß die gerechte öffentliche Ordnung gewahrt werden muß. Als zu verbietender Mißbrauch wird in Nr. 4 erwähnt, wenn eine religiöse Gemeinschaft mit Zwang oder unehrenhafter und ungehöriger Überredung arbeitet. In Nr. 7 wird das Sittengesetz, die objektive sittliche Ordnung, als umgrenzende Norm für das Recht auf Freiheit in religiösen Dingen angegeben. Die bürgerliche Gesellschaft muß sich gegen Mißbräuche schützen, die die Religionsfreiheit nur als Vorwand beanspruchen. Neben den für alle Menschen vernünftigerweise geltenden Normen sind auch besondere Traditionen des jeweiligen Landes zu respektieren, die zu verletzen den ehrenhaften öffentlichen Frieden gefährden würde. Ansonsten beansprucht der Text, den Menschen einen möglichst weiten Freiheitsraum zu gewähren, auch wenn es sich um irrige Überzeugungen handelt. Dies wird nicht nur als Toleranz im Sinn eines geringeren Übels betrachtet, sondern als positive Voraussetzung dafür, daß die Menschen in der geforderten psychologischen Freiheit sich der religiösen Wahrheit öffnen können, die aus sich selbst heraus den Geist des Menschen sanft und zugleich stark durchdringt (Nr. 1). Diese Argumentation ist einleuchtend und widerspricht nicht der Tradition.
Der geneigte Leser, der diesem Kommentar bis hierher gefolgt ist, wird in den folgenden Abschnitten nur noch Bestätigungen und Wiederholungen finden. Trotzdem sei die Lektüre der ganzen Erklärung empfohlen:

3. Dies tritt noch klarer zutage, wenn man erwägt, daß die höchste Norm des menschlichen Lebens das göttliche Gesetz selber ist, das ewige, objektive und universale, durch das Gott nach dem Ratschluß seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt. und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert. Gott macht den Menschen …