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M. Hesemann - Die Hintergründe der sog. 'Warnung'

Die Hintergründe der 'Warnung'

"Wie eine irische PR-Dame die Welt narrt – Was genau verbirgt sich hinter „Die Warnung“ und der angeblichen Prophetin „Mary Divine Mercy“? Von Michael Hesemann

„Sie fragten (Jesus): Meister, wann wird das geschehen (die Endzeit) und an welchem Zeichen wird man erkennen, dass es beginnt? Er antwortete: Geb Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es!, und: Die Zeit ist da. – Lauft ihnen nicht nach.“ (Lk 21, 7-8)

Seit Monaten sind die Botschaften der „Warnung“ ein Thema bei vielen kirchentreuen Christen, an manchen Gebetsstätten und Wallfahrtsorten haben sich ihre Anhänger bereits so breit gemacht, dass Bücher über den amtierenden Papst Franziskus als Ladenhüter gelten. Für sie endete das Papsttum, das Zeitalter der Kirche, mit dem Rücktritt Benedikts XVI. Franziskus halten sie für den „falschen Propheten“, der dem Antichristen vorausgeht. Denn wir leben, so sind sie überzeugt, in der letzten Phase der Endzeit. Christus kommt bald, ganz wie er es „seiner Prophetin“ höchstpersönlich vorausgesagt hat.

Doch wie konnte aus einem – im englischen Original – rund 2000seitigen Gesamtwerk, das sich bescheiden „Das Buch der Wahrheit“ nennt, eine sektiererische Bewegung entstehen, die das Schisma, die Kirchenspaltung, propagiert? Welche Rolle spielen die „Warnungs“-Jünger bei den böswilligen Verdrehungen und Unterstellungen, deren Opfer der argentinische Papst seit seiner Wahl am 13. März 2013 wiederholt wurde? Wer schließlich ist „Maria Divine Mercy“, die mysteriöse „Prophetin“, die seit dem 8. November 2010 über 970 Botschaften der Gottesmutter, Jesu, ja sogar Gottvaters „empfangen“ haben will?

VOM PR-GURU ZUR PROPHETIN

Die Informationen, die sich in der deutschen Ausgabe des „Buches der Wahrheit“ finden, sind spärlich. Danach war die „Seherin“ Maria vor ihrer prophetischen Berufung eine „lau praktizierende“ Katholikin, „Mutter von vier Kindern“, die „ein geschäftiges und erfülltes Leben“ führte: „Sie glaubte an Gott, aber sie war nicht im traditionellen Sinn fromm.“ Sie selbst erklärte am 11.10.2011 in einem Interview mit "Radio Maria": "Ich war eine erfolgreiche Geschäftsfrau". In einem zweiten Interview am 17.12.2011 bestätigte sie, in Irland zu leben. Erst im November 2013 enthüllte der irische Theologe Ronald Conte jr. ihre Identität. Bei „Maria Divine Mercy“ handelt es sich danach um die irische Geschäftsfrau Mary Carberry geb. McGovern, 58 Jahre alt und Mutter von mindestens zwei Kindern, Sarah (28) und David (26) Carbery. Gemeinsam mit ihrem Ehemann John leitet sie seit März 1982 die Agentur „McGovern PR“, die sich zunächst auf „Public Relations, Marketing, Journalismus“ und seit der Jahrtausendwende auch auf „Digitale Kommunikation“ spezialisierte. Auf ihrer LinkedIn-Seite beschreibt sie sich wie folgt: „Erfahren in allen Bereichen der Marketing-Kommunikation, insbesondere PR. Ein früher Internet-Anwender, richtete in Zusammenarbeit mit AOL einen Informationsdienst über Irland für Amerikaner irischer Abstammung ein. Heute zunehmende Geschäfte auf dem digitalen Sektor. McGovern PR startete die Schwesterfirma Future Media, um als einer der Ersten in Irland digitale Inhalte und digitales Marketing anbieten zu können. (…) Spezialität: Sehr erfahrene Medienpublizisten kreieren Kampagnen für Unternehmer, Konsumenten und das öffentliche Bewusstsein. Wir starten Onlinekampagnen, die schnell Beachtung finden und hochwertige Datenbanken erzeugen, wie sie heute von Marken benötigt werden. Wir kreieren ungewöhnliche Online-Episoden und Ereignisse rund um Marken, die bei ihren Zielgruppen zu Interesse und Debatten führen.“ ZoomInfo gibt den jährlichen Umsatz des Unternehmens mit „1-5 Millionen Dollar“ an, die Mitarbeiterzahl mit „10-20“ und bezeichnet Mary McGovern als „führenden PR-Guru“ der grünen Insel. Interviews aus dieser Zeit lassen sie als ehrgeizige Karrierefrau erscheinen. „Bis zu einem gewissen Grad ist die Ansicht, dass nette Mädchen nicht reich werden können, wahr“, erklärte sie etwa dem irischen „Independent“ am 5. September 2008, „erfolgreiche Menschen sind zu 80 % ihrer Zeit angenehm, nett und ruhig; aber sie können auch rücksichtslos sein. Eine gewisse Skrupellosigkeit ist in jeder Frau, die Erfolg hat.“ Und: „Wir sind von reichen Frauen fasziniert, gleich, wie sie ihr Vermögen gemacht haben. Je reicher sie sind, je mehr sind sie unsere Idole.“ Auf ihrer LinkedIn-Seite enthüllt sie auch ihre privaten Leidenschaften: „Lese Thriller der Knife Edge (dt. Das zweite Gesicht)-Reihe und schaue mir TV-Dokumentationen an“.

Stolz verweist Mary McGovern auf den Erfolg ihrer Firma: „McGovern PR gewann zahlreiche internationale Auszeichnungen und erhielt viermal den UK Marketing- und Kommunikationspreis, darunter 2006 als beste PR-Firma sowie in 2008 den Marketingpreis für Portugal, den US-Preis als beste internationale PR-Firma und den UK-Preis als beste PR-Firma, der vom International Property Magazine in Zusammenarbeit mit CNBC TV, der Daily Mail und der New York Times vergeben wurde.“ Dieser Erfolg erlaubte dem Ehepaar McGovern/Carberry den Kauf eines 850.000 Euro teuren, schmucken, weißen, zweistöckigen Einfamilienhauses in der Muldowney Court-Straße des „angesagten“ Dubliner Vororts Malahide, malerisch in Strandnähe gelegen. Doch als es im März 2003 eine Hypothek in Höhe einer halben Million Euro auf sein Haus aufnahm, wohl um das Geld in eine Expansion seines Unternehmens zu investieren, wurde ihm dies fast zum Verhängnis. „Ehepaar fürchtet, wegen rückständiger Hypotheken sein Haus zu verlieren“, vermeldete der irische „Independent“ am 8. Dezember 2009. Seit zehn Monaten hatten John und Mary Carberry ihre monatlichen Rückzahlungen in Höhe von 5217 Euro nicht leisten können; sie standen vor einem Schuldenberg von 491.000 Euro. Der Richter gab ihnen bis Ende Januar 2010 Zeit, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die Tatsache, dass sie heute noch in diesem Haus wohnen, lässt darauf schließen, dass die Carberries eine Lösung für sein Finanzproblem fanden.

Es ist billig, eine Verbindung zwischen dem drohenden Offenbarungseid und dem Beginn der himmlischen Offenbarungen im November 2010 zu vermuten, auch wenn an der „Warnung“ vor allem die Professionalität ihrer weltweiten Vermarktungskampagne beeindruckt. Sie erscheint wie das Meisterstück einer genialen PR-Maschinerie. Doch vielleicht hat sich der Himmel ja auch bewusst die bestmögliche irdische PR-Agentur gesucht, um seine Botschaften effizient zu verbreiten.

Wahrscheinlicher aber ist eine andere Annahme. Der seelische Stress, die Sorge, ihr Lebenswerk zu verlieren, die Angst vor dem Verlust des Heims und ihres sozialen Status als erfolgreiche Karrierefrau könnten Mary McGovern-Carberrys Psyche für andere Einflüsse geöffnet haben.

WIE AUS MARY MCGOVERN MARIA DIVINE MERCY WURDE

Glauben wir ihrer eigenen Schilderung, so war es keine himmlische Erscheinung, sondern eher eine Inbesitznahme, die ihrer Berufung zur Prophetin vorausging. Am 9. November 2010 wachte sie nachts gegen 3.00 Uhr früh auf und „war sich bewusst, dass ihr Körper sich anders anfühlte … (sie) fühlte sich schwerelos und spürte ein unbeschreibliches Kribbeln im Bauch“. Es folgte „eine Reihe von starken Emotionen, sowohl körperliche als auch geistige, die wie ein elektrischer Strom durch ihren ganzen Körper fuhren“. Erst jetzt bemerkte sie, wie ein Jesus-Bild auf dem Nachtschränkchen mit ihr zu kommunizieren schien. „Und dann hatte sie diesen starken Drang, das aufzuschreiben, von dem sie wusste, dass Jesus ihr es mitteilte.“ Sie schrieb wie im Wahn. „Die Botschaft, die ihr diktiert wurde, beinhaltete 745 Wörter und sie benötigte genau 7 Minuten, um diese Nachricht Wort für Wort niederzuschreiben, von Anfang bis Ende.“ Das freilich erinnert mehr an das „automatische Schreiben“ okkulter Medien als an eine echte, himmlische Offenbarung. Der Jesus, den sie sah, zeichnete sich durch „durchdringend blaue Augen“ aus und „war umgeben von einem blendenden, scharfen Licht“. Was er ihr offenbarte, war freilich schmeichelhaft: „Maria wurde gesagt, dass die Wiederkunft Christi unmittelbar bevorsteht und dass sie der letzte Bote, der letzte Prophet ist. Ihr wurde gesagt, dass sie der siebte Bote, der siebte Engel ist, welcher der Welt den Inhalt der Siegel im Buch der Offenbarung verkünden wird … das Buch der Wahrheit, das im Buch Daniel für die Endzeit vorausgesagt worden ist.“ Und der Leser fragt sich unwillkürlich: Geht es nicht auch eine Spur bescheidener?

Doch wie plötzlich war dieser Schritt von der Glitzerwelt der Public Relations, von Marys Dasein als knallharte, clevere Geschäftsfrau, zur „Maria der Göttlichen Gnade“ und Superprophetin der Endzeit? Einer Frau, der es gelang, Zehntausenden gläubigen Katholiken einzureden, der Papst sei der „falsche Prophet“?

Was zunächst nach einer plötzlichen, nächtlichen Berufung klingt, hatte ein Vorspiel, auch wenn das Buch es nur vage andeutet: „In den Monaten vor der ersten Botschaft erlebte sie eine geistliche Erneuerung und hatte private Erscheinungen der Jungfrau Maria, die sie jedoch für sich behielt.“ Doch eine E-Mail, die Mary am 1. November 2010, also acht Tage vor ihrer nächtlichen Vision, an den katholischen Theologen und Erscheinungsexperten Ronald Conte jr. schrieb, enthüllt weitere Details:

„Ron, Ich las, was Sie über Garabandal und andere Prophezeiungen von der Wiederkunft Christi schrieben und denke, Sie sollten erfahren, welche Botschaften Joe Coleman, der Visionär, Mystiker und Seher, seit August 2009 erhält.

Ich bin die zweite Visionärin. Wir beide sehen die Gottesmutter und ihren geliebten Sohn Jesus Christus. Ich sehe auch eine Nonne während dieser Erscheinungen, von der ich glaube, dass es Schwester Faustina ist, die polnische Nonne, der in den 1930er Jahren ein Gebet an die Göttliche Barmherzigkeit offenbart worden ist, um die Welt auf die Wiederkunft vorzubereiten. (…) Wir erhalten jeden Monat Botschaften. Von Anfang an bat die Gottesmutter darum, sie zu veröffentlichen. Joe ging an die Öffentlichkeit – ich manage die Website, ging aber nicht an die Öffentlichkeit, da mir der Mut fehlt, die Wahrheit zu sagen. Noch kann ich meine Familie nicht dem aussetzen, was Joes Familie erleiden musste, seit er an die Öffentlichkeit ging.“

Zumindest wissen wir jetzt, weshalb sich Mary „Maria Divine Mercy“ nennt, auch wenn dies kein Ordensname ist und den falschen Eindruck erweckt, sie habe etwas mit den „Schwestern vom barmherzigen Jesus“ zu tun. Doch wer ist dieser Joe Coleman, auf den sie sich beruft?"

DER SEHER VON KNOCK

Coleman, der sich selbst als „ungebildeten Dubliner aus der Arbeiterklasse“ bezeichnet, begann seine ungewöhnliche Karriere als spiritistisches Medium und Geistheiler, der behauptete, durch Handauflegen sogar Krebs heilen zu können. Auf seiner website aus dem Jahre 2007 (www.kerrytown-apparitions.com) heißt es über ihn: „Seit er ein Kind ist, kann er Geister sehen. (…) am 1. Januar 1986 hatte er im Krankenhaus eine Nahtoderfahrung, als sein Herz für einen Moment zu schlagen aufhörte. Als er wieder zu sich kam, war er in der Lage, mit den Geistern zu kommunizieren. Es war ihm möglich, Dinge in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sehen, von denen er nicht wissen konnte. (…) Um seine Fähigkeiten auszuweiten, erlernte er Geistheilung, Hellsehen und Kommunikation mit Tieren. Er lernte, durch den Heiligen Geist zu arbeiten. 2004 gründete er in Ballyfermot, nahe dem alten Gala-Kino, eine Klinik für Geistheilung und Hellsehen. (…) Er gab Seminare über spirituelles Bewusstsein und Meditation.“

Mit anderen Worten: Er war ganz und gar Esoteriker, als er 2007 nach Kerrytown kam, wo Marienerscheinungen vermeldet wurden. Dort kniete er nieder vor der Statue der Gottesmutter, sah, wie sich ihr Gesicht verwandelte und empfing eine Botschaft: Jeder, der an diesem Tag kommen würde, würde geheilt. Er sei ihr ganz besonders wichtig; jeden Tag würde sie seine Gebete hören. Coleman: „Seitdem spreche ich jeden Tag mit Maria.“

Weil die Kirche sich weigerte, trotz dieser „Bestätigung“ Kerrytown anzuerkennen, verlagerte er sein Wirkungsfeld nach Knock. Dort fand 1879 eine Marienerscheinung statt, die von der Kirche anerkannt worden war; sogar Papst Johannes Paul II. stattete dem Gnadenort 1979 einen Besuch ab. Doch als Joe Coleman für Oktober 2009 dort ein Sonnenwunder ankündigte, waren die Folgen verheerend. 10.000 Gläubige strömten nach Knock, wo der „Seher“ ihnen versprach, sie würden die Gottesmutter sehen, wenn sie nur in die Sonne starrten. Mindestens fünf Pilger erlitten dabei schwere Netzhautverbrennungen, einige verloren später ganz ihr Augenlicht. Andere glaubten, zu sehen, wie die Sonne „tanzt“. Die irischen Bischöfe distanzierten sich daraufhin von Coleman, verboten ihm und seinen Anhängern ein Jahr später, das Heiligtum von Knock für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Hier weiterlesen: kath.net/news/43821/print/yes
elisabethvonthüringen
...und derweil schrieb der Falsche Prophet eine tolle Abhandlung ...na sowas aber auch.. 😁
Evangelii Gaudium
von Cicero |
Das erste Apostolische Schreiben von Papst Franziskus ist online.
Evangelii Gaudium kann hier direkt gelesen werden.
Auch ein pdf steht zur Verfügung.Mehr
...und derweil schrieb der Falsche Prophet eine tolle Abhandlung ...na sowas aber auch.. 😁

Evangelii Gaudium
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Auch ein pdf steht zur Verfügung.