[114] Das Leben Jesu nach den vier Evangelisten

16. Jesus bei einem Pharisäer zu Tische. Strafreden gegen die Pharisäer und Schriftlehrer

(Luk. 11, 37-54)

[ Pharisäer ]

Während er redete, bat ihn ein Pharisäer, er möchte bei ihm zu Mittag speisen. Er trat also ein und ließ sich nieder. Der Pharisäer fing nun an, bei sich zu denken und zu sagen: „Warum doch hat er sich vor der Mahlzeit nicht gewaschen?“

Der Herr aber sprach zu ihm: „Nun ja, ihr Pharisäer, das Äußere des Bechers und der Schüssel reinigt ihr, allein euer Inneres ist voll von Raub und von Schlechtigkeit. Ihr Toren! hat nicht der, welcher das Äußere geschaffen hat, auch das Innere geschaffen? Doch gebt von dem, was übrig ist, Almosen, und siehe, alles ist euch rein.

Aber wehe euch Pharisäern! ihr verzehntet die Krauseminze und die Weinraute und alles Gemüs, aber das Recht und die Liebe Gottes lasst ihr außer acht. Dieses hättet ihr tun und jenes nicht unterlassen sollen.

Wehe euch Pharisäern! ihr liebt die ersten Plätze in den Synagogen und die Begrüßungen auf dem Markte.

Wehe euch! ihr seid wie die unkenntlichen Gräber. Die Menschen wandeln darüber hin und wissen es nicht.

Da nahm einer der Gesetzeslehrer das Wort und sprach zu ihm: „Meister! indem du dieses sagst, schmähst du auch uns.“

Er aber sprach: „Auch euch Gesetzeslehrern wehe! ihr bürdet den Menschen unerträgliche Lasten auf, selbst aber rührt ihr die Lasten nicht mit einem eurer Finger an.

Wehe euch! ihr baut die Gräber der Propheten, eure Väter aber haben sie getötet. Dadurch bezeugt ihr ja, dass ihr den Taten eurer Väter beistimmt; denn diese haben sie zwar getötet, ihr aber baut ihre Gräber. Deshalb hat auch die Weisheit Gottes gesprochen: Ich werde Propheten und Apostel zu ihnen senden, und sie werden einige von ihnen töten und andere verfolgen, damit das Blut aller Propheten, das seit Grundlegung der Welt vergossen ward, von diesem Geschlechte gefordert werde, von dem Blute Abels an bis zum Blute des Zacharias, der zwischen dem Altare und dem Tempel umkam. Ja, ich sage euch, von diesem Geschlechte wird es gefordert werden.

Wehe euch Gesetzeslehrern! ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen. Ihr seid selbst nicht hineingegangen, und die hineingehen wollten, habt ihr abgehalten.“

Als er aber dieses zu ihnen sagte, begannen die Pharisäer und die Schriftlehrer gewaltig auf ihn einzudringen und ihm mit vielem Fragen zuzusetzen, indem sie ihm Schlingen legten und sich bemühten, etwas aus seinem Munde aufzufangen, damit sie ihn anklagen könnten.


[ James Tissot: Woe unto You, Scribes and Pharisees (Malheur à vous, scribes et pharisiens) - Brooklyn Museum ]

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Guntherus de Thuringia