Wunder oder Suggestion?

Die Kritik sagt, es sei doch eigenartig, daß Jesus nach seinen eigenen Worten keine Wunder wirken konnte, wo er den Glauben nicht vorfand. Es scheine doch, daß viele Wunder auf Suggestion zurückzuführen seien. Tatsächlich würden ja auch von modernen Ärzten viele der heutigen Wunderheilungen (z. B. von Lourdes in Südfrankreich) auf Suggestion zurückgeführt. – Zur Widerlegung des hier vorgetragenen Einwandes müssen wir zunächst zwischen den Wundern Jesu und heutigen Heilwundern unterscheiden. Jesus forderte für seine Wunder als Voraussetzung den Glauben. Gott wirkt eben ein Wunder nur da, wo der Mensch im Glaubensakte eine sittliche Tat geleistet hat. Bloße Schauwunder wirkt Gott nicht. Gottes Wunder sind unter allen Umständen sittlich bedeutsame Taten und nicht bloß Bühneneffekte. Hinter jedem Wunder steht der große Gedanke Gottes: Hier soll sittliches Streben gefördert werden. – Was aber die Wunder Jesu im einzelnen anbelangt, so sind jedenfalls Naturwunder und Totenerweckungen nicht durch Suggestion erklärbar. Die modernen Heilwunder, von Lourdes z. B., endlich sind nicht Glaubenssache; aber unbefangene, vorurteilslose Prüfung muß auch hier anerkennen, daß vielleicht nervöse Leiden, nicht aber organische Krankheiten durch Suggestion geheilt werden können – und organische Heilungen sind nach den ärztlich kontrollierten Berichten von Lourdes doch nicht zu leugnen.

Ignaz Klug: Der katholische Glaubensinhalt. Eine Darlegung und Verteidigung der christlichen Hauptdogmen, 4. Auflage, Paderborn 1920, S. 48.