Sonia Chrisye
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Sigmaringen und die Flüchtlinge: Eine Stadt ist am Ende mit der Kraft

Sigmaringen und die Flüchtlinge: Eine Stadt ist am Ende mit der Kraft

www.zukunftskinder.org Sicherheitskräfte müssen Krankenschwestern vor Flüchtlingen schützen

Die Stimmung in Sigmaringen nimmt beunruhigende Züge an. Die Landesregierung plant, noch vor Weihnachten Zelthallen für 1000 weitere Flüchtlinge in der Graf-Stauffenberg-Kaserne zu errichten. Damit würden auf 12.500 Einwohner der Kernstadt 4000 Flüchtlinge in sämtlichen Einrichtungen kommen.

Schmierereien gegen Flüchtlinge an einer Wand der Donaubühne in Sigmaringen. Inzwischen formiert sich offener Protest gegen die Zuweisungspolitik der Landesregierung. Die Bevölkerung fühlt sich von Stuttgart im Stich gelassen. | Bild: dpa

Als die Kaserne Anfang August als Erstaufnahmestelle eingerichtet wurde, war von maximal 1000 Menschen bis Ende des Jahres die Rede, heute sind es bereits 2600. „Ich befürchte, dass die bisher so gute Stimmung damit kippen könnte“, sagt Ulrike Tyrs, SPD-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat. Sie stellt aber klar: „Der Groll der Bevölkerung geht nicht gegen die Flüchtlinge, sondern gegen die Landesregierung. Wir haben den kleinen Finger gereicht, die ganze Hand wurde genommen und nun werden wir komplett verschlungen.“ Das sei eine bodenlose Unverschämtheit.
Groll gegen die Landesregierung - nicht gegen die Flüchtlinge
Ihre Kollegin von der CDU, Alexandra Hellstern-Missel, wählt ähnliche Worte: „Die Sozialverträglichkeit auch innerhalb der Kaserne wäre damit nicht mehr gegeben“, ist sie überzeugt. „Die Menschen akzeptieren das nicht mehr. Zelthallen kann man überall aufstellen, warum dann hier bei uns? Nur, weil wir bisher so hilfsbereit und tolerant waren? Wir fühlen uns ausgenutzt.“
Beim Ministerium für Integration hofft man trotzdem auf Verständnis. „Nach wie vor kommen täglich rund 1000 Flüchtlinge ins Land“, erklärt Pressesprecher Christoph Häring. „Sigmaringen ist unser Wunsch für die Zelthallen, aber wir prüfen auch andere Standorte.“ Namen möchte er aber nicht nennen. Auch das Regierungspräsidium Tübingen hält sich bei der Nennung anderer möglicher Standorte bedeckt. „Erst, wenn eine bestimmte Richtung feststeht, reden wir darüber. Vorher würde das nur Ärger geben.“ Da der ursprünglich geplante Stadtort für die Zelthallen in Tübingen aufgrund einer Messe ab Februar nicht wirtschaftlich sei, kam Sigmaringen in die Auswahl. „Wir benötigen Reserven für die Weihnachtszeit“, so Häring. „Wir müssen gerüstet sein für die Zeit, in der die Ämter nicht voll besetzt sind, aber trotzdem Flüchtlingsströme ins Land kommen.“ Die Landesregierung hätte sich gewünscht, auf Zelthallen verzichten zu können, „doch die Situation ist heute eine andere als im Sommer. Darauf müssen wir uns einstellen“. Sigmaringen sei ein optimaler Standort wegen der Kaserne und der Infrastruktur. „Wir als Land stehen in der Verpflichtung, Flüchtlingen Obdach zu geben.“

Landrätin fühlt sich im Stich gelassen
Gegenwind erhält er nicht nur von den Lokalpolitikern und Einwohnern – auch Sigmaringens Landrätin Stefanie Bürkle fühlt sich vom Land im Stich gelassen. „Der Anschein wird erweckt, als ob die Hilfsbereitschaft der Stadt und des Landkreises wie auch der vielen Ehrenamtlichen schamlos ausgenutzt wird.“ Sie wirft dem Land vor, den einfachen Weg zu gehen. „Bereits in Ellwangen und in Meßstetten hat sich gezeigt, dass eine Konzentrierung von zu vielen Menschen an einem Standort zu Aggression, Gewalt und Problemen führt. In Sigmaringen soll dieser Weg mit bis zu 4 000 Menschen an einem Ort aber erneut beschritten werden. Durch diese geplante Konzentration provoziert das Land vorsätzlich Polizeieinsätze“, so Landrätin Bürkle.
Ulrike Tyrs befürchtet innerhalb der Kaserne eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Auf der einen Seite wären die Menschen, die im Zelt wohnen müssten, auf der anderen die Bewohner der komfortablen Häuser. „Das wäre ein fragiler Zustand“, erläutert sie. „Wie sollen die Flüchtlinge denn damit klarkommen?“ Sie befürchte in Sigmaringen nicht den Aufmarsch des braunen Mobs, „vielmehr glaube ich, dass die gut situierte Bürgerschaft weitere 1000 Flüchtlinge nicht hinnehmen wird“.
Heute Abend um 19 Uhr findet in der Stadthalle Sigmaringen eine Informationsveranstaltung statt. Neben Vertretern der Stadt und der Polizei werden Landrätin Stefanie Bürkle, Ministerialdirektor Wolf-Dietrich Hammann vom Integrationsministerium, Vize-Regierungspräsident Christian Schneider und Kurt Guttroff, Leiter der Unterkunft, anwesend sein. „Das wird eine lebhafte Veranstaltung, um es mal vorsichtig auszudrücken“, so Ulrike Tyrs.

Die Kaserne
Die 1957 erbaute Graf-Stauffenberg-Kaserne wurde 1961 nach dem Offizier und Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg benannt und umfasst 215 Hektar. Im Juni wurde bekannt, dass das Ministerium für Integration Baden-Württemberg eine Erstaufnahmestelle für mindestens 500 Flüchtlinge hier einrichten würde, im August kamen die ersten Menschen. Da zum 31. Dezember Kaserne und Liegenschaften an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben fallen, verständigte sich Ministerium und BImA, die Kaserne teilweise für Flüchtlinge bis mindestens Ende 2016 zu nutzen. (sk)
Tina 13
Gruselig