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Das not - wendige Nein innerhalb des kirchlichen Gehorsams Zitate aus einem Vortrag von Kaplan A. Betschart

“Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen” (Apg 5,29).

Der Gehorsam ist das Ja zur “lex aeterna”, zum ewigen Gesetz und zu dem, was mit ihm übereinstimmt. Die Verweigerung dieses Gehorsams führt in letzter Konsequenz zum Chaos, zur Hölle. Es ist Abfall von Gott, ein Ausbruch aus der Hierarchie, das heisst hier: ausbrechen aus der heiligen Schöpfungsordnung Gottes.
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Aus dem Gesagten müssen wir den Schluss ziehen, dass sich echter Gehorsam, der diesen Namen verdient, kirchlicher und staatlicher Autorität gegenüber einzig und allein rechtfertigen lässt, wenn diese Autoritäten in Übereinstimmung mit der göttlichen Schöpfungsordnung Gehorsam fordern. Die Hl. Schrift sagt dies ganz klar und eindeutig:

“Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen” (Apg 5,29).

Gehorsam einer menschlichen Autorität gegenüber ist sittlich also nur dann zu verantworten, wenn ihr Befehl eine Verwirklichung der göttlichen Schöpfungsordnung fordert, wenn also hinter der menschlichen Autorität der Glanz der göttlichen Autorität aufleuchtet. Wo das aber nicht der Fall ist, wo also menschliche Autorität im Gegensatz steht zur göttlichen, ist der Gehorsam dieser menschlichen Autorität gegenüber nicht zu verantworten, ja er wird sogar zur S ü n d e .
Die Hl. Schrift kennt Menschen gegenüber im strikten Sinne des Wortes keinen blinden Gehorsam oder den sogenannten “Kadavergehorsam”, auch nicht sogenannte Linientreue. Jede Gehorsamstat muss vor dem eigenen Gewissen verantwortet werden können. Gehorsamsverweigerung kann zur Pflicht werden vor Gott. Im Alltag ist es nicht immer leicht zu entscheiden, wann der Gehorsam verweigert werden muss. Ganz klar und eindeutig muss eine solche Entscheidung getroffen werden, wenn offensichtlich etwas gegen den Glauben oder gegen die Sittlichkeit befohlen würde.
Dazu schreibt Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika DIUTURNUM ILLUD:

“Nur einen Grund haben die Menschen nicht zu gehorchen, wenn nämlich etwas von ihnen gefordert werden sollte, was dem natürlichen oder göttlichen Gesetz offenbar widerspricht; denn nichts von alldem, wodurch das Naturgesetz oder der Wille Gottes verletzt wird, ist zu befehlen oder zu tun erlaubt. Sollte daher einer in die Lage kommen, dass er sich gezwungen sieht, eines von beiden zu wählen, nämlich entweder Gottes oder des Herrschers Gebote zu verletzen, dann hat er Christus zu gehorchen, welcher gebietet, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, Gott aber, was Gottes ist (Mt 22,21), und nach dem Beispiel der Apostel mutig zu antworten: 'Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg 5,29).' Auch besteht kein Grund, jene, die so handeln, der Verweigerung des Gehorsams zu zeihen; wenn nämlich der Wille der Machthaber Gottes Willen und Gesetzen widerspricht, dann überschreiten sie ihre Machtbefugnis und zerstören die Gerechtigkeit; dann wird ihre Autorität hinfällig, denn wo die Gerechtigkeit fehlt, da ist auch keine Autorität.”

Ja es kann sogar Situationen gegeben, wo es Pflicht der Nächstenliebe ist, Obere zurechtzuweisen. Wann und wie dies zu geschehen hat, lehrt uns der hl. Thomas von Aquin. Er schreibt:

“Brüderliche Zurechtweisung, die ein Akt der Liebe ist, steht jedem zu hinsichtlich jeder Person, die er zu lieben hat, wenn in ihr etwas Fehlerhaftes gefunden wird... Weil aber einem Tugendakt das Mass der nötigen Umstände eignen muss, soll die Zurechtweisung von Prälaten in schicklicher Weise erfolgen: nicht mit Unverschämtheit und Härte, sondern mit Sanftmut und Ehrfurcht... Ins Angesicht widerstehen vor allen, überschreitet die rechte Weise brüderlicher Zurechtweisung... aber im Verborgenen und ehrerbietig mahnen kann auch der nicht Gleichgestellte. Wo jedoch dem Glauben Gefahr drohte, müssten Prälaten auch öffentlich von Untergebenen angeschuldigt werden...” (II-II, 33, 4).

ANHANG:

... Auf der anderen Ebene sind jene Gläubigen zu finden, die gerne gehorchen würden, sich aber innerhalb der Kirche mit Tendenzen und Strömungen konfrontiert sehen, die sie vor ein ernstes Gewissensproblem stellen. Ihr Problem erfährt noch eine zusätzliche Verschärfung, weil sie sehen, wie selbst kirchliche Obere gegen diese negativen Tendenzen aus Schwäche oder aus Überzeugung nichts unternehmen.
Ein Fachmann in Fragen des Gehorsams, Prof. Alois Müller, hat im Jahre 1964 mit kirchlicher Druckerlaubnis geschrieben:

“Das wirkliche Gehorsamsproblem in der Kirche - und das wird oft übersehen - haben heute nicht die Ungehorsamen, sondern die Gehorsamen.”

Wie dies zu verstehen ist, soll durch ein Zitat des verstorbenen P. Ludwig Volk SJ (s. Z. Ordinarius für Kirchengeschichte in München), einem Mitarbeiter am HANDBUCH DER KIRCHENGESCHICHTE - herausgegeben von Hubert Jedin und Konrad Repgen - verdeutlicht werden. In seinem Beitrag “Die Kirche in den deutschsprachigen Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz) schreibt P. Ludwig Volk:

“Angriffe von drinnen und draussen kann kirchliche Amtsautorität bestehen, solange sie auf festen Grundsätzen ruht und nicht durch inneren Widerspruch sich selbst aufhebt. Der Glaube an die Prinzipienkonformität bischöflichen Handelns ist nun gerade in Kreisen des Kirchenvolkes erschüttert worden, die bislang nicht gegen, sondern für die Wahrung der Hirtenautorität eingetreten sind. Ausgelöst wurde ihre Kritik am unterschiedlichen Gebrauch der Leitungsgewalt durch das Verbot der Messfeier in der tridentinischen Form. Steht dieses doch in auffallendem Kontrast zu der Nachsicht, mit der die Bischöfe jahrelang über liturgische Aberrationen und Eigenmächtigkeiten hinweggesehen haben. Das passive Treibenlassen im einen und die resolute Befristung im anderen Fall, haben unvermeidlich den Verdacht geweckt, dass nicht primär Sacherfordernisse, sondern das Ausmass der vermuteten Gehorsamsbereitschaft die Entschlüsse des Hirtenamtes bestimmen könnten. Sollte sich der Gebrauch der Bischofsautorität allzusehr von pragmatischen Erwägungen leiten lassen, die in der Versuchung lägen, die Progressiven liberal, Konservative dagegen autoritär zu behandeln, oder, um es pointiert zu sagen, den einen als machtlose Liebeskirche, den andern als lieblose Machtkirche zu begegnen, so könnte das Ergebnis nur wachsende Entfremdung sein” (Band VII, S. 560 f., Freiburg i. Br. 1979).

Dieser Problematik sehen sich heute Gläubige und Priester innerhalb der Kirche gegenübergestellt, die das Gehorchen nicht erleichtern. In dieser Situation braucht es die “Geduld der Heiligen”. Der verstorbene Redaktor der Zeitschrift DER FELS, P. Dr. Gerhard Hermes schrieb dazu einmal:

“Die Einheit der Kirche, die freilich im Innern nicht mehr besteht, ist ein so hohes Gut, und Christus der Herr hat nun einmal Seine Kirche 'auf diesen Felsen' gebaut, dass hier äusserste Behutsamkeit geboten ist. Wenn irgendwo und irgendwann, dann kommt es hier auf die Geduld und den Glauben der Heiligen an (Offb 13,10). Aber wir dürfen und müssen von der Hierarchie Verständnis für diejenigen erwarten, die Gehorsam nicht mit Linientreue verwechseln und vielleicht zu der bitteren Überzeugung kommen, dass sie in bestimmten Fällen Gott mehr gehorchen müssen als Seinen Stellvertretern ... Wir dürfen und müssen heute die Verantwortlichen an ihre Verantwortung vor dem ewigen Richter erinnern und an ihre Pflicht, dieses Schwert aus den Herzen der Treuesten zu ziehen, das nicht Gott hinein gestossen hat.
'Geduld der Heiligen'! Es gibt auch eine heilige Ungeduld, und diese müssen wir gegen uns selbst aufrufen, gegen unsere Lässigkeit, unsere Verzagtheit, gegen alle Verstrickung in 'Augenlust, Fleischeslust und Hoffart des Lebens'. Soweit es uns gegeben ist, müssen wir uns an der äusseren Front des Reiches Gottes einsetzen, aber die eigentlichen Entscheidungen fallen anderswo: in dem Herzen, das sich ganz hingibt und mit Christus zum Opfer bringt. Je grösser die Not der Kirche, desto glühender muss unsere Hingabe sein. Immer waren es die Heiligen, die die Kirche gerettet haben, diejenigen, die begriffen, dass 'das Himmelreich Gewalt leidet'. Es fordert Gewalt gegen uns selbst in der täglichen Hinopferung, 'Gewalt' auch gegen Gott im unablässigen Ringen des Gebetes: 'Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!” (Fels 2/1976, S. 35).
Josephus
Schön und gut, nur, wer entscheidet, was gegen den rechten Glauben ist, und was nicht.