Nicky41
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Warum die Mönche in der Kirche die Klappe halten mussten

Das würde Michael Reinhard niemals zu seinen Lesern und auch nicht zu seinen Redakteuren sagen: „Halt die Klappe!“ gehört nicht wirklich zu seinem Vokabular. Der Ursprung dieses Ausspruchs interessiert den Chefredakteur der Main-Post aber durchaus: „Wenn man jeden Tag mit Sprache umgeht, dann will man natürlich wissen, wie die eine oder andere Redewendung entstanden ist“, sagt Michael Reinhard und erzählt, was der aus dem Mittelalter stammende Ausspruch „Halt die Klappe“ mit der Burkarder Kirche und dem dortigen Chorgestühl zu tun hat. Viele Chorgestühle waren früher mit Klappsitzen ausgestattet.

Die Stützbretter sollten bei längeren Gottesdiensten entlasten

Bei dem prachtvollen Chorgestühl in der Burkarder Kirche, das an sich schon sehenswert ist, ist das noch heute der Fall. An den Unterseiten der Klappsitze befinden sich sogenannte Misericordien – Misericordia heißt zu Deutsch „Barmherzigkeit“ oder „Mitleid“. Die Misericordien sind kleine Stützbretter, die es den Mönchen erlaubten, auch im Stehen eine halb sitzende Haltung einzunehmen. Vor allem ältere und geschwächte Mönche sollte das entlasten. „Wenn sie sich auf den Misericordien abstützten, war die Sitzfläche nicht ganz hochgeklappt. Sie wurde vom Körpergewicht leicht nach vorne gezogen, sodass vielleicht zehn Zentimeter bis zur Lehne fehlten“, schildert Michael Reinhard. „Und manch ein Mönch nickte bei allzu langen und anstrengenden Gottesdiensten schon mal ein. Dabei konnte es passieren, dass er von dem barmherzigen Brettchen herunterrutschte und der Klappsitz mit einem lauten Knall an die Lehne flog.“

Um diesen peinlichen Moment zu verhindern, musste er die Klappe unbedingt halten. Eine weitere mögliche Erklärung für die Entstehung der alten Redewendung geht ebenfalls auf das Chorgestühl zurück. Im Verlauf der Messe mussten sich die Mönche häufig von ihren Sitzen erheben. Wenn sie dann die Klappe nicht festhielten oder vorsichtig genug aufstanden, passierte dasselbe. Das Holzstück flog mit einem lauten Knall an die Lehne – ein Geräusch, das in der ganzen Kirche widerhallte. Peinlich waren auf jeden Fall beide Varianten!

Klappsitze wurden erstmals im 11. Jahrhundert erwähnt

Hölzerne Chorgestühle – ihre Vorgänger waren übrigens aus Stein – gab es schon seit dem Frühmittelalter. Klappsitze hatten diese ersten Modelle allerdings noch nicht. Die Misericordien, auf denen die Mönche eine halb sitzende Stellung einnehmen konnten, werden erstmals Ende des 11. Jahrhunderts erwähnt und zwar in den „Consuetudines Hirsaugienses“, der Ordensregel der Benediktiner in Hirsau im Schwarzwald. Die Chorgestühle waren häufig mit reichhaltigen Schnitzereien verziert, in der Burkarder Kirche handelt es sich – bei den Misericordien – allerdings um schlichte Holzplatten.

Wenn die Misericordien verziert waren, erlaubte die Stelle, an der sich die Schnitzereien befanden, keine wirklich biblischen Darstellungen, denn der Allerwerteste der Mönche befand sich ja in unmittelbarer Nähe. Man wählte daher eher profane, manchmal sogar obszöne Abbildungen für diese Bereiche des Chorgestühls. „Die Bildschnitzer durften ihrer Fantasie oft freien Lauf lassen“, schmunzelt Michael Reinhard. In der Marienkirche zu Dortmund findet sich in den Misericordien zum Beispiel die Darstellung eines betrunkenen Mönchs. Er liegt auf dem Rücken und hält ein riesiges Fass. Auch Narren, Fabelwesen und Monster tummeln sich gern in den Misericordien. Eine Entdeckungstour auf der Spur der Misericordien Deutschlands lohnt sich also.

Text: Eva-Maria Bast

Der Text stammt aus dem Buch „Würzburger Geheimnisse - Band 2“ von Eva-Maria Bast, das in Kooperation mit der Main-Post entstand und soeben erschienen ist. Das Buch enthält 50 Geschichten zu historischen Geschehnissen und Orten. Präsentiert werden die Begebenheiten jeweils von Würzburger Bürgern.
Turbata
Sehr interessant! Danke!