Göttliche Wunder
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Heilung einer unheilbaren Wunde auf die Fürbitte des sel. Innozenz XI.

Papst Innozenz XI., aus der Kaufmannsfamilie der Odescalchi, in Como geboren am 19. 5. 1611, Papst seit dem 21. 9. 1676, gestorben am 12. 8. 1689, „ist der größte Papst seines Jahrhunderts, einer der edelsten aller Päpste, vorbildlich in seinem Bemühen, die christlichen Völker friedlich zu einigen. Reinheit der Absichten und Lauterkeit seines Charakters verschafften ihm auch bei Nichtkatholiken hohes Ansehen“ (LThK(2), V, 694). Er schritt ein gegen Laxismus, Quietismus, Gallikanismus, brachte die Einigung zustande zwischen König Johann Sobieski von Polen und Kaiser Leopold I., die 1683 zur Entsetzung Wiens und zur Bannung der Türkengefahr führte.

Übersetzt wird aus der Positio super introductione causae, Romae 1713, S. 256–266. Das Wunder geschah im März 1690, die folgenden Aussagen wurden im Oktober 1691 gemacht.


Der Geheilte, Herr Ignatius Diamantes, 67 Jahre alt, konnte die folgende Aussage noch machen, als er schon die Sterbesakramente empfangen hatte: Anderthalb bis zwei Jahre war mein linkes Bein krank. Ich bekam daran eine Wunde von der Größe meiner Faust, aus der viel Eiter kam, der unerträglich und furchtbar stank. Ich hatte solche Schmerzen, daß ich meine, es könne keine größeren in der Welt geben, und ich glaubte, die Peinen des Fegfeuers zu erleiden. Schmerzen hatte ich immer, besonders in der Nacht, sie kamen von dem Weggefressenwerden des Fleisches. Die Schmerzen waren [die letzten] 36–40 Stunden [der Krankheit] so gewachsen, daß ich, von Verzweiflung überwältigt, mich aus dem Fenster stürzen wollte, aber daran von meinem Sohn und meiner Frau gehindert wurde. Ich wollte mir auch die Kehle durchschneiden, auch daran wurde ich von ihnen gehindert. Ich konnte in diesen Stunden keinen Augenblick schlafen und fast nichts essen, bis mir in der Nacht, welche die letzte meiner Schmerzen war, als alle im Hause schliefen, der Gedanke kam, mich dem Diener Gottes Innozenz XI. zu empfehlen. Ich wandte mich an ihn und sagte ihm: „Heiliger Vater, du hast so viele Gnaden und so große Wunder von Gott erlangt, wirke auch dieses bei mir, daß dieser Schmerz aufhört und mein Bein wieder gesund wird, damit ich für meinen Unterhalt aufkommen kann.“ Ich rief sofort meine Frau Maria und bat sie um ein Agnus Dei, das sich in einem Täschchen aus Tuch befand, und meine Frau gab es mir. Ich empfahl mich von neuem dem Diener Gottes und legte mir das Agnus Dei auf die Wunde, d. h. auf den Verband, und nachdem ich meine Hand darauf gelegt hatte, schlief ich ein und fühlte keinen Schmerz mehr, und als ich am andern Morgen aufwachte, lag diese Hand auf dem Agnus Dei, und ich fühlte nicht den geringsten Schmerz. Als ich sah, daß ich diese so große Gnade erlangt hatte, stand ich sogleich auf und fand mich geheilt und unwahrscheinlich wohl auf den Beinen. Ich ging in den Garten, wo ich etwas Unkraut ausmachte, ohne irgendeine Beschwerde zu spüren, danach ging ich in die Messe. Als ich in der Nacht die furchtbaren Schmerzen durchmachte und mich dem Diener Gottes empfohlen hatte, war mir, bevor ich meine Frau rief, der heilige Papst erschienen. Er war ganz in Weiß gekleidet, und sein Antlitz strahlte. Da flehte ich ihn noch mehr an um seine Hilfe. Ich schlief da nicht, sondern war wegen der schrecklichen Schmerzen wach. Darauf rief ich, wie gesagt meine Frau. Am Morgen nahm ich, bevor ich aufstand, den Verband ab. Ich stellte fest, daß keine Wunde mehr da war und daß das offene Bein ganz mit Fleisch ausgefüllt und mit Haut überzogen war. Es war mir nur ein Pickel geblieben, wie bei einer ärztlichen Ausbrennung, und ich schrie: „Ein Wunder, ein Wunder!“ Und da ich mich nicht vor Freude halten konnte, schlug ich mehrmals mit der Hand auf die Stelle der Wunde, ich hörte das Klatschen, fühlte aber nicht den geringsten Schmerz. Seitdem hat mir das Bein nie mehr weh getan, ich habe damit auf den Spaten getreten beim Umgraben wie früher, und ich brauchte keinen Stock und keine Krücken mehr wie während der Krankheit. Der Herr Johannes Baptista Pieri war gekommen, mich zu behandeln, und er fand mich im Garten bei der Arbeit. Der Pickel war ungefähr zwei Monate offen, es kam daraus etwas Eiter wie aus einer Fontanelle [künstlichem Geschwür]. Ich legte mir täglich ein paar gezupfte Fäden darauf und wickelte etwas herum. Dieser Pickel machte mir weder Beschwerden noch Schmerz noch hinderte er mich bei meiner Arbeit, er schloß sich dann von selbst. – –

Der Sohn des Geheilten, Herr Johannes Franz Diamantes, 32 Jahre alt: Mein Vater hatte auf der Wade des linken Beines eine Wunde, die immer schlimmer und größer wurde, so daß fast die ganze Wade weggefressen war, sie roch und verpestete die Luft, und auf dem Grunde der Wunde sah man die Sehnen. Die größten Schmerzen hatte der Vater zwei Tage vor der wunderbaren Heilung. Er schrie so laut, daß viele Leute zusammenliefen und man ihn bis bei den Patres von Santa Prassede hören konnte. Am Abend wurden die Schmerzen so schlimm, daß er es nicht mehr aushalten konnte und er sich aus dem Fenster gestürzt hätte, wenn meine Mutter und ich ihn nicht festgehalten hätten. Wir hinderten ihn auch, sich mit einem Messer etwas anzutun, und wir bekamen ihn wieder ins Bett, wie mir scheint, gegen Mitternacht. Da kam meinem Vater der Gedanke, sich dem Diener Gottes Innozenz XI. zu empfehlen. Meine Mutter, die jetzt ungefähr 15 Monate tot ist, reichte ihm sofort das Täschchen mit dem Agnus Dei, und sowohl ich, wie meine Mutter und mein Vater flehten den Papst an, er möge von Gott erlangen, daß diese Schmerzen ein Ende nähmen. Als wir sahen, daß er eingeschlafen war, gingen auch meine Mutter und ich schlafen. Am Morgen stand ich sehr zeitig vor meiner Mutter auf, um im Garten zu arbeiten. Ich ging an das Bett des Vaters, um zu sehen, wie es ihm gehe. In der ganzen Nacht hatte ich ihn nicht gehört, ich fand ihn schlafend, weckte ihn nicht und ging in den Garten. Als die Sonne aufgestiegen war, erschien mein Vater im Garten, heil und gesund, worüber ich sehr staunte. Er sagte, durch die Fürbitte des Dieners Gottes sei das Bein geheilt worden. Ich wollte es sofort sehen, und ich sah zu meinem Staunen und meiner unermeßlichen Freude, daß die ganze Wunde zugewachsen war mit der Haut darüber und so wie das übrige des Beines war, so, wie es heute noch ist. Nur war in der Mitte ein Pickel geblieben, aus dem etwas Eiter kam. Zum Zeichen, daß er ihm nicht weh tat, schlug er mit der Hand darauf. – –

Herr Johannes Baptista Pieri, Wundarzt, 32 Jahre alt: Ignatius Diamantes, Gärtner der Herren Cavicchioni, litt etwa zwei Jahre an der Wade des linken Beines an einer Wunde. Deren Ränder waren blaß und geschwollen, und sie waren rings um die Wunde ungleichmäßig entzündet und gerötet. Durch das Fließen beißender Säfte roch die Wunde sehr übel und bereitete große Schmerzen. Diese Art von fressenden Wunden geht gewöhnlich in Krebs über. Es wurde nicht nur die Haut, sondern auch das Fleisch zerfressen, in dem sich viele Löcher und Unebenheiten zeigten. Wenn ich es erreichte, daß die Wunde trocken werden und vernarben wollte, breitete sie sich nach einer anderen Seite hin aus. Ich ging gewöhnlich jeden Abend zu ihm hin, auch schon mal einen Tag nicht. Ich konnte nur gelinde Mittel anwenden wegen der außerordentlichen Schmerzen, die ihm die stärkeren verursachten. Ich dachte schon an Ausbrennen, aber davon wollte der Kranke nichts wissen. Gegen Ende März war ich ungefähr zwei Tage ausgeblieben. Als ich ihn dann besuchte, fand ich ihn in seinem Garten bei der Arbeit. Er zeigte mir mit Freude, daß er geheilt sei, indem er das kranke Bein anfaßte und frei bewegte, das er vorher kaum rühren konnte . . . Die Wunde auf der Wade war sechs bis sieben Fingerbreit lang gewesen und teils vier, teils drei, teils zwei Finger etwa breit gewesen, wie ich bei meiner Behandlung gesehen hatte und wie ich ein Jahr später und am 19. Juli dieses Jahres wieder feststellte, als ich die Wunde [im Auftrag des Kirchlichen Gerichtes] zu untersuchen hatte und sah, daß einmal eine Wunde von dieser Länge und Breite dagewesen sein mußte. Als mir Ignatius im Garten das Wirken der göttlichen Vorsehung erzählt hatte, ging ich, ohne mir das Bein zeigen zu lassen, weil ich ihn so ganz unbehindert und froh bei der Arbeit gesehen hatte. Die Wunde hielt und halte ich wegen ihrer langen Dauer, wegen des Alters des Patienten von etwa 65 Jahren, seiner schlechten körperlichen Verfassung, seines galligen Temperamentes und weil er verbraucht war wegen des wenig regelmäßigen Lebens, das er führte, und wegen der immer neuen Komplikationen, die auftraten, für unheilbar. – –

Frau Margarete Camilla, 33 Jahre alt: In diesem Oktober werden es drei Jahre, daß wir die Wohnung unter der Wohnung von Ignatius Diamantes bezogen haben. Nach sieben, acht Monaten erzählte mir Ignatius, er habe vor einiger Zeit eine Anschwellung an seinem linken Bein bekommen, aus der eine schwärende Wunde geworden war. Er zeigte sie mir damals. Sie war so groß wie ein Piaster, aber mit einer sehr großen Schwellung ringsum. Diese Wunde wuchs und wuchs. Immer wieder habe ich sie ihm verbunden, aus Mitleid, weil aus seiner Familie man sich zurückzog wegen des üblen Gestankes. Aus der Wunde kam eine Menge Eiter, sie war rot und schwärzlich, voll von schlechtem Fleisch. Die Heilmittel nutzten nichts, denn wenn die Wunde an der einen Stelle sich schloß, öffnete sie sich an einer andern. Gegen Ende der Fastenzeit war ihm von der Wade fast nichts geblieben, man steckte in die Höhlung der Wunde so viel Gezupftes, wie man von einem guten halben Taschentuch bekommt. Am letzten Tage seiner Krankheit sah ich die Wunde mehrere Male, weil er sich den Verband immer wieder aufmachte und sich wieder neu verband, und die ganze Nachbarschaft hörte seine Schreie, und die Wunde war schlimmer denn je, sie war noch schwärzer und häßlicher geworden. Frei von Entzündung waren an dem Bein der Länge nach nur drei Finger, und der Breite nach fünf Finger eines Mannes. Es waren in der Wunde viele Löcher, eines so groß wie ein Piaster, ein anderes doppelt so groß. Nachdem ich ihn mit meinen eigenen Händen verbunden hatte, zog ich mich gegen drei Stunden nach Sonnenuntergang in meine Wohnung zurück und ging zu Bett. Ich hörte ihn noch eine Weile schreien, und dann hörte ich nichts mehr. Am Morgen, als ich mich fertig gemacht hatte, ging ich hinauf, um zu sehen, wie es ihm gehe. Ich öffnete die Fensterläden und fragte ihn, wie es wäre. Er antwortete, er sei geheilt. Das hörte seine Frau, die im selben Bett lag und noch nicht aufgestanden war, weil auch sie alt war und es auf der Brust hatte. Ich freute mich sehr, machte Feuer an und ging. Kurz darauf stand er auf, und ich sah ihn im Garten. Am selben Tag zeigte er mir beim Herdfeuer das Bein, die Wunde war geheilt und die Haut darüber. Die Wunde hat auch mein Mann gesehen, aber selten, weil er sich ekelte, und meine älteste Tochter. Nach der Heilung hat die Stelle die ganze Nachbarschaft gesehen und alle, die ihn kannten und die ihn als Krüppel und dann gesund gesehen hatten. – –

Fräulein Rosona, Tochter des verstorbenen Natalis Grassi, 14 Jahre alt: Der Gärtner Ignatius Diamantes, unter dessen Wohnung wir seit drei bis vier Jahren wohnen, hatte eine Wunde auf der linken Wade, die sie halb einnahm. Maria, die inzwischen schon verstorbene Frau von Ignatius, hatte ihm gesagt, er solle sich von mir als einer Jungfrau pflegen lassen. So habe ich oft gesehen, daß, wenn die Wunde sich auf einer Seite schloß, sie anderswo aufbrach. Eines Tages habe ich ein Stück Fleisch gesehen, das sich gelöst hatte. Ich hob es weg und sah, daß darunter alles Fleisch weggefressen war. In der Nacht, als er geheilt wurde, hat er so geschrien, daß man es bis Santa Lucia in Selce hörte, obwohl die Fenster geschlossen waren. Weil er die Schmerzen nicht mehr aushalten konnte, wollte er sich einmal die Kehle durchschneiden, ein anderes Mal sich aus dem Fenster stürzen. Ich weiß nicht, um wieviel Uhr sich Ignatius das Agnus Dei auflegte. Meine Mutter war bei dem Schreien heraufgegangen, und da wir noch wach im Bett lagen, sagte sie uns das mit dem Agnus Dei. Ich hatte an demselben Abend die Wunde gesehen, das Fleisch war ganz weggefressen, sie war lang und breit, ungefähr sechs Finger. Die Wunde war schrecklich, sie roch so, daß sie die Luft verpestete und seine Frau bei der Pflege das Brechen bekam. Neben der Wunde waren zwei große Geschwüre, die auch das Fleisch wegfraßen. Am folgenden Morgen ging ich mit meiner kleinen Schwester, um zu sehen, wie es Ignatius ging. Er sagte mir, er sei geheilt durch ein Wunder Innozenz‘ XI. . . . Ich bat ihn sofort, er möchte mir ein wenig das Bein zeigen. Er lag noch im Bett, er streckte es heraus, und ich sah, daß sowohl die Geschwüre wie die Wunde geheilt waren und daß Haut darüber war. Nur an einer Stelle war ein kleines Geschwür geblieben, das nie wehtat und von selbst wegging. An diesem Morgen sah ich ihn dann, als er aufgestanden war, beim Herde frühstücken, und dann ging er in den Garten und arbeitete. Und ich sah, daß er gut ging, obwohl die Sehnen an dem Bein so blieben, wie sie sich in der Krankheit etwas verkürzt hatten, und daß er gut mit diesem Bein arbeitete und beim Graben mit ihm den Spaten in den Boden drückte, wie wenn er nie etwas daran gehabt hätte. Meine Mutter und ich pflegten das Bein dreimal am Tage, damit es nicht so sehr riechen sollte. Der Wundarzt Johannes Baptista kam täglich, manchmal zweimal. Nach der Heilung ist die Krankheit nie wieder zurückgekommen, und ich habe Ignatius öfter dem gebenedeiten Papst danken gehört, den er in ganz besonderer Weise verehrt.

Aus: Wilhelm Schamoni, Wunder sind Tatsachen. Eine Dokumentation aus Heiligsprechungsakten, 2. Auflage, Würzburg/Stein am Rhein/Linz 1976, S. 172-176. Abdruck je einzelner Dokumentationen bei Quellenangabe gestattet.