Eine, von mehreren Interpretationen der apokalyptischen Geschehen
von Pater Matthias Gaudron
Die Apokalypse des Johannes gibt uns Beschreibungen der Ereignisse am Ende der Welt, die weit über die Andeutungen in den Evangelien und Apostelbriefen hinausgehen. Sicherlich schildert sie die Endereignisse in geheimnisvollen Bildern, deren Deutung oft schwierig ist. Wir dürfen vor allem keine detaillierte Beschreibung des Endes der Welt erwarten, denn eine Prophetie hat immer auch ihre dunklen Seiten. Trotzdem dürfen wir an den Ausführungen des letzten Buches der Heiligen Schrift nicht achtlos vorbeigehen. Wir wollen im Folgenden betrachten, was die Apokalypse über den Antichristen[M1] , das Tausendjährige Reich und das Weltende sagt. Hierbei ist zu beachten, dass es sich nur um die Auslegung fehlbarer Exegeten handelt, die daher nur mit einem gewissen Vorbehalt angenommen zu werden braucht.
Der Antichrist und sein Prophet
Johannes beschreibt in Apk 12,18 ff das Aufsteigen des Antichristen aus dem Meer im Bild eines Tieres. Offenbar hat der Satan, der sich in der Gestalt eines Drachen an den Strand des Meeres stellte, ihn herausgerufen. Wie der Drache (vgl. 12,3) hat der Antichrist sieben Köpfe und zehn Hörner, nur sind die Kronen vermehrt und sitzen nicht auf den Köpfen, sondern auf den Hörnern. Auf seinen Köpfen sind gotteslästerlichen Namen – vielleicht Titel, mit denen es sich göttliche Macht und Größe zuschreibt. Ein gewisses Vorbild waren die römischen Kaiser, die sich mit göttlichen Titeln schmückten und sich göttliche Verehrung erweisen ließen.
Der Leib des Tieres ist eine grässliche Zwittergestalt aus Panther, Bär und Löwe. Die Vorlage dieser Vision findet sich bei Dan 7,3 ff, wo der Prophet vier Tiere dem Meer entsteigen sieht, einen geflügelten Löwen, einen Bären, einen vierköpfigen geflügelten Panther und ein besonders scheußliches Tier, von dem nur gesagt wird, dass es zehn Hörner hatte. Bei Daniel versinnbildlichen diese Tiere vier aufeinanderfolgende gottfeindliche Weltreiche. Die Zusammenfassung dieser Tiere in einem soll andeuten, dass die gottfeindliche Macht Satans in der Endzeit in einem Herrscher konzentriert zum Ausbruch kommen wird. Satan selbst inthronisiert ihn, gibt ihm als Fürsten der Welt seinen Thron und stattet ihn mit seiner Macht aus – ein Nachäffen der Inthronisierung Christi bzw. des Lammes nach vollbrachter Erlösung.
Einen der Köpfe sieht Johannes „wie tödlich verwundet“, aber die Wunde heilt wieder, was die Bewunderung der ganzen Erde nach sich zieht. Das scheint eine weitere Nachäffung des Lammes zu sein, das „wie geschlachtet“ (5,6) vor dem Thron Gottes steht. Der Antichrist imitiert also auch den Tod und die Auferstehung Christi.
Für die begrenzte Zeitspanne von dreieinhalb Jahren (42 Monate) dürfen der Satan und seine Kreatur ihre Bosheit austoben. Der Antichrist führt Lästerreden gegen Gott, den Himmel und die Bewohner des Himmels, also gegen die Engel und Heiligen. Vielleicht will er damit den Glauben an das Jenseits lächerlich machen. Die dreieinhalb Jahre sind sicher eine symbolische Zahl. Sie zeigt an, dass Gott das Wirken des Antichristen nur für eine relativ kurze Zeit zulässt. Zudem ist dreieinhalb als die Hälfte der heiligen Sieben-Zahl ein Zeichen für den unheiligen Charakter dieser Zeit.
Der Antichrist wird zum Herrn der Welt und sogar angebetet werden. Das Reich Gottes wird aus der Öffentlichkeit verschwunden sein. Die treuen Christen werden daher eine Zeitlang das Los der Besiegten, Gefangenschaft oder Tod, tragen müssen.
Johannes sieht daraufhin noch ein zweites Tier aus der Erde heraufkommen. Äußerlich ist es harmlos anzuschauen. Es gleicht einem jungen Widder. Seine Drachennatur aber offenbart es, wenn es redet. Es heißt in der Apokalypse hinfort immer „der falsche Prophet“. Man vergleiche hierzu die Warnung Christi vor den falschen Propheten in Schafskleidern. Neben dem Antichristen, einem gottfeindlichen Herrscher, gibt es also noch einen Lügenpropheten, der dem Antichristen eine religiöse Verbrämung gibt. Drache, Tier und Lügenprophet bilden gewissermaßen eine satanische Dreifaltigkeit.
Der Antichrist verleiht dem Lügenpropheten seine Macht und dieser bringt die „Bewohner der Erde“, d.h. die Gottlosen, dazu, dem Antichristen göttliche Verehrung zu erweisen. Er bestätigt seine Predigt sogar durch falsche Wunder, wie es Christus für die Endzeit vorausgesagt hat. Zudem lässt der Lügenprophet ein Kultbild des Antichristen machen, das reden kann.
Alle müssen den Namen des Antichristen oder die Zahl seines Namens auf der rechten Hand oder der Stirn tragen. Diese Zahl wird vom Seher mit 666 angegeben. Die Buchstaben des hebräischen wie des griechischen Alphabets wurden nämlich zugleich als Zahlensymbole verwendet. Die römischen Ziffern sind noch heute bekannt. Den Zahlenwert eines Namens erhielt man, wenn man die Zahlenwerte seiner Buchstaben addierte. Dies nennt man „Gematrie“. Der umgekehrte Weg ist natürlich schwieriger, weil dieselbe Zahl aus verschiedenen Namen entstehen kann. Darum benutzte man die Gematrie auch als Geheimcode, wenn ein Name nur einem bestimmten Personenkreis bekannt gemacht werden sollte. Welcher Name hinter 666 steht, wissen wir nicht.
Einfacher ist die symbolische Deutung der Zahl. Die Sechs ist als verminderte Sieben und halbierte Zwölf ein Symbol der Unvollkommenheit. Auf die Schöpfungstage bezogen, fehlt der gottgeweihte siebte Tag. Die Sechs ist also ein Symbol der Schöpfung ohne Gott. In der Verdreifachung bedeutet sie die Fülle aller Schlechtigkeit und Bosheit, die dem Antichristen zu eigen ist.
Der Antichrist lässt in Harmagedon („Berg von Magedon“) ein gewaltiges Heer versammeln. Magedon ist wohl Megiddo und lag auf einem Hügel am Südrand der Ebene Esdrelon, die an den südöstlichen Ausläufern des Karmelgebirges lag. Diese einzige größere Ebene Palästinas war von alters her das bedeutendste Schlachtfeld des Landes. Es handelt sich sicher um eine symbolische Benennung. Wie der Herr einst sein Volk gegen Sisera rettete, der mit 900 eisernen Streitwagen gegen es anrückte, so wird er am Ende auch die Gottesfeinde vernichten.
Apk 19,11 ff schildert Johannes den Sieg Christi über den Drachen und seine Helfer. Der Christkönig selbst führt das himmlische Heer an, das wie er auf glänzend weißen Rossen antritt. Christus kommt schon vor Beginn der Schlacht als Triumphator, da es an seinem Sieg keinen Zweifel gibt. Er führt den Vernichtungsschlag allein, und als einzige Waffe genügt ihm dazu sein allmächtiges Wort, das wie ein scharfes Schwert aus seinem Mund hervorgeht. So sagt auch Paulus, dass Christus den Antichristen „durch den Hauch seines Mundes“ besiegen wird (2 Thess 2,8). Es kommt dann auch zu keinem Kampf, sondern der Antichrist und der Lügenprophet werden einfach ergriffen und in die Hölle (den „Feuersee“) geworfen. Die von ihnen Verführten werden getötet und ihr Fleisch dient den Vögeln zum Fraß.
Die tausend Jahre
Nach der Vernichtung des Antichristen und des Pseudopropheten ist nur noch der Drache übriggeblieben. Er wird nun gefesselt und in die Hölle geworfen. Für 1000 Jahre – sicher eine symbolische Zahl, die für eine längere Dauer steht – ist ihm die Möglichkeit des Wirkens genommen (vgl. 20,1–3).
Das bedeutet offensichtlich, dass der Teufel die Menschen dann nicht mehr versuchen kann. Damit ist allerdings nur eine Quelle der Bosheit verschlossen, denn die Menschen sündigen nicht nur, wenn sie vom Teufel versucht werden, sondern auch aus eigener Bosheit und Schwäche. Sünde, Leiden und Tod werden also nicht von der Erde verschwinden, aber die Kirche kann sich unbehelligt von dämonischen Einflüssen entfalten. Das wird wahrscheinlich zu einer noch nie dagewesenen Blütezeit der Kirche führen. Das Kommen des weißen Reiters war demnach noch nicht die Ankunft Christi zum Endgericht.
Diese Deutung ist allerdings in der Kirche umstritten. Der hl. Augustinus deutete die tausend Jahre auf die Zeit vom Erlösungstod Christi bis zum Weltgericht. Am Ende dieser Zeit werde der Teufel für dreieinhalb Jahre freigelassen(vgl. De civ. Dei XX, 7 ff). Dieser Deutung haben sich die meisten katholischen Theologen angeschlossen, aber sie befriedigt nicht wirklich, da nach 1 Petr 5,8 und Eph 6,12 ff der Teufel jetzt keineswegs gefesselt ist.
Verurteilt ist allerdings die Lehre der Chiliasten, die meinten, nach dem Sieg über den Antichristen würden zunächst nur die Gerechten auferstehen und hier auf Erden tausend Jahre mit Christus herrschen. So muss man aber die Worte der Apokalypse nicht verstehen. Johannes sieht 20,4 die „Seelen“ der Märtyrer, die im letzten Kampf treu blieben. Diese leben und herrschen mit Christus tausend Jahre im Himmel. Es steht nicht da: „Sie kamen wieder zum Leben“, wie in manchen Übersetzungen, die dadurch den Eindruck erwecken, diese Herrschaft finde im Leib und auf der Erde statt.
„Die übrigen Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. – Das ist die erste Auferstehung“, heißt es dann im V. 5. Mit den „übrigen Toten“ sind diejenigen gemeint, die sich in der Verfolgung des Antichristen nicht bewährt haben, die ihm also anhingen oder zu ihm abfielen, um ihr Leben zu retten. Damit haben sie aber das eigentliche Leben verloren. Von den Märtyrern und Bekennern früherer Zeiten spricht diese Vision nicht, aber 2,11; 2,26 f und 3,21 wurde schon gesagt, dass diese das ewige Leben erhalten und mit Christus herrschen werden. 6,9 sah Johannes ihre Seelen auch schon im Himmel. Hier soll aber gezeigt werden, dass die unter dem Antichristen Getöteten keinen Nachteil gegenüber den späteren Christen haben, die die Friedenszeit und den Triumph Christi erleben. Dieses Eingehen in die himmlische Glorie wird „erste Auferstehung“ genannt. Sie hat also noch etwas Vorläufiges, da die zweite Auferstehung, die des Leibes, noch folgen soll.
Das Weltende
Am Ende der tausend Jahre wird der Teufel nochmals losgelassen. Vielleicht soll damit deutlich gemacht werden, dass die lange Friedenszeit ein Geschenk Gottes und nicht Verdienst der Menschheit war. Dann wird buchstäblich „der Teufel los sein“. Dieser sammelt sogleich die heidnischen Völker an den Rändern der Erde. Dieses apokalyptische Bild ist an der Weissagung Ezechiels (38 f) orientiert, nach der am Ende der Tage gewaltige Heeresmassen unter der Führung des Fürsten „Gog im Lande Magog“ gegen das Gottesvolk vorrücken, aber durch ein wunderbares Eingreifen Gottes vernichtet werden. Schon die Übersetzung der Septuaginta hat „Gog und Magog“ als zwei Völkernamen aufgefasst, und „Gog und Magog“ ist auch in der rabbinischen Tradition die Bezeichnung für das feindliche Heer der Endzeit.
Die Gottesfeinde werden so zahlreich sein, dass die Lage der Christen hoffnungslos scheint. Aber wieder kommt es zu keinem Kampf, sondern „Feuer fiel vom Himmel herab und verzehrte sie“(20,9). Gott greift durch ein Wunder ein und vernichtet die Feinde. Nun ist auch das Schicksal Satans endgültig besiegelt. Er wird „in den Feuer- und Schwefelsee geworfen, wo auch das Tier und der falsche Prophet sind, und sie werden Tag und Nacht in alle Ewigkeit gepeinigt werden“ (V. 10).
Nun folgt erst das Endgericht. Johannes sieht „einen großen weißen Thron und den, der darauf sitzt. Vor seinem Angesicht flohen Himmel und Erde, und es fand sich für sie keine Stätte mehr“ (V. 11). Die Welt, die für den Menschen geschaffen und durch seinen Abfall ebenfalls vom Fluch getroffen wurde, vergeht, um einem neuen Himmel und einer neuen Erde Platz zu machen. Das bedeutet nicht eine Vernichtung und Neuschöpfung, sondern eine völlige Umwandlung und Umgestaltung. Vgl. 1 Kor 7,31: „Die Gestalt dieser Welt vergeht.“
„Und ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, vor dem Thron stehen. Bücher wurden aufgeschlagen, und noch ein anderes Buch wurde geöffnet, nämlich das Buch des Lebens. Die Toten wurden nach ihren Werken gerichtet, wie es in den Büchern aufgezeichnet war“ (V. 12).
Alle Menschen werden vor dem Thron als zu Richtende stehen. Die Rangunterschiede hier auf Erden werden keine Bedeutung haben. Vor dem Richter sind alle gleich. Die Bücher sind Symbol der Allwissenheit Gottes. Alle Taten des Menschen sind darin aufgeschrieben, nichts ist vergessen. Es gibt aber noch ein besonderes Buch, das „Buch des Lebens“. Nur wer darin aufgezeichnet ist, bekommt Bürgerrecht im himmlischen Jerusalem. Das bedeutet, dass unsere Berufung zum Himmel zuerst vom Verdienst Christi abhängt. Ein natürliches gutes Leben genügt nicht. Aber ob wir im Buch des Lebens aufgezeichnet sind, hängt auch von unserer Mitwirkung mit der Gnade ab. Wer schwer sündigt, dessen Name wird aus dem Buch des Lebens gestrichen.
Erst nach der Gerichtsszene wird die allgemeine Auferstehung der Toten genannt: „Das Meer gab die Toten heraus, die es barg, und der Tod und die Unterwelt gaben ihre Toten heraus“ (V. 13). Die zeitliche Reihenfolge ist also nicht eingehalten. Vielleicht soll dadurch der Hauptgedanke des Abschnitts, das Gericht, in den Vordergrund gerückt werden.
Der Tod, dessen Macht aus der Sünde stammt, ist nach 1 Kor 15,26 der letzte Feind, der vernichtet werden wird. Darum heißt es nun: „Der Tod und die Unterwelt wurden in den Feuersee geworfen. – Das ist der zweite Tod, der Feuersee. Wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet war, wurde in den Feuersee geworfen“ (V. 14 f). Der Feuersee ist die Hölle. Sie ist der „zweite Tod“, da sie der endgültige und ewige Ausschluss vom wahren Leben bei Gott ist. Wer nur aufgeweckt wird, damit er sein Verdammungsurteil hört, stirbt zum zweiten Mal.
Die Apokalypse des Johannes gibt uns Beschreibungen der Ereignisse am Ende der Welt, die weit über die Andeutungen in den Evangelien und Apostelbriefen hinausgehen. Sicherlich schildert sie die Endereignisse in geheimnisvollen Bildern, deren Deutung oft schwierig ist. Wir dürfen vor allem keine detaillierte Beschreibung des Endes der Welt erwarten, denn eine Prophetie hat immer auch ihre dunklen Seiten. Trotzdem dürfen wir an den Ausführungen des letzten Buches der Heiligen Schrift nicht achtlos vorbeigehen. Wir wollen im Folgenden betrachten, was die Apokalypse über den Antichristen[M1] , das Tausendjährige Reich und das Weltende sagt. Hierbei ist zu beachten, dass es sich nur um die Auslegung fehlbarer Exegeten handelt, die daher nur mit einem gewissen Vorbehalt angenommen zu werden braucht.
Der Antichrist und sein Prophet
Johannes beschreibt in Apk 12,18 ff das Aufsteigen des Antichristen aus dem Meer im Bild eines Tieres. Offenbar hat der Satan, der sich in der Gestalt eines Drachen an den Strand des Meeres stellte, ihn herausgerufen. Wie der Drache (vgl. 12,3) hat der Antichrist sieben Köpfe und zehn Hörner, nur sind die Kronen vermehrt und sitzen nicht auf den Köpfen, sondern auf den Hörnern. Auf seinen Köpfen sind gotteslästerlichen Namen – vielleicht Titel, mit denen es sich göttliche Macht und Größe zuschreibt. Ein gewisses Vorbild waren die römischen Kaiser, die sich mit göttlichen Titeln schmückten und sich göttliche Verehrung erweisen ließen.
Der Leib des Tieres ist eine grässliche Zwittergestalt aus Panther, Bär und Löwe. Die Vorlage dieser Vision findet sich bei Dan 7,3 ff, wo der Prophet vier Tiere dem Meer entsteigen sieht, einen geflügelten Löwen, einen Bären, einen vierköpfigen geflügelten Panther und ein besonders scheußliches Tier, von dem nur gesagt wird, dass es zehn Hörner hatte. Bei Daniel versinnbildlichen diese Tiere vier aufeinanderfolgende gottfeindliche Weltreiche. Die Zusammenfassung dieser Tiere in einem soll andeuten, dass die gottfeindliche Macht Satans in der Endzeit in einem Herrscher konzentriert zum Ausbruch kommen wird. Satan selbst inthronisiert ihn, gibt ihm als Fürsten der Welt seinen Thron und stattet ihn mit seiner Macht aus – ein Nachäffen der Inthronisierung Christi bzw. des Lammes nach vollbrachter Erlösung.
Einen der Köpfe sieht Johannes „wie tödlich verwundet“, aber die Wunde heilt wieder, was die Bewunderung der ganzen Erde nach sich zieht. Das scheint eine weitere Nachäffung des Lammes zu sein, das „wie geschlachtet“ (5,6) vor dem Thron Gottes steht. Der Antichrist imitiert also auch den Tod und die Auferstehung Christi.
Für die begrenzte Zeitspanne von dreieinhalb Jahren (42 Monate) dürfen der Satan und seine Kreatur ihre Bosheit austoben. Der Antichrist führt Lästerreden gegen Gott, den Himmel und die Bewohner des Himmels, also gegen die Engel und Heiligen. Vielleicht will er damit den Glauben an das Jenseits lächerlich machen. Die dreieinhalb Jahre sind sicher eine symbolische Zahl. Sie zeigt an, dass Gott das Wirken des Antichristen nur für eine relativ kurze Zeit zulässt. Zudem ist dreieinhalb als die Hälfte der heiligen Sieben-Zahl ein Zeichen für den unheiligen Charakter dieser Zeit.
Der Antichrist wird zum Herrn der Welt und sogar angebetet werden. Das Reich Gottes wird aus der Öffentlichkeit verschwunden sein. Die treuen Christen werden daher eine Zeitlang das Los der Besiegten, Gefangenschaft oder Tod, tragen müssen.
Johannes sieht daraufhin noch ein zweites Tier aus der Erde heraufkommen. Äußerlich ist es harmlos anzuschauen. Es gleicht einem jungen Widder. Seine Drachennatur aber offenbart es, wenn es redet. Es heißt in der Apokalypse hinfort immer „der falsche Prophet“. Man vergleiche hierzu die Warnung Christi vor den falschen Propheten in Schafskleidern. Neben dem Antichristen, einem gottfeindlichen Herrscher, gibt es also noch einen Lügenpropheten, der dem Antichristen eine religiöse Verbrämung gibt. Drache, Tier und Lügenprophet bilden gewissermaßen eine satanische Dreifaltigkeit.
Der Antichrist verleiht dem Lügenpropheten seine Macht und dieser bringt die „Bewohner der Erde“, d.h. die Gottlosen, dazu, dem Antichristen göttliche Verehrung zu erweisen. Er bestätigt seine Predigt sogar durch falsche Wunder, wie es Christus für die Endzeit vorausgesagt hat. Zudem lässt der Lügenprophet ein Kultbild des Antichristen machen, das reden kann.
Alle müssen den Namen des Antichristen oder die Zahl seines Namens auf der rechten Hand oder der Stirn tragen. Diese Zahl wird vom Seher mit 666 angegeben. Die Buchstaben des hebräischen wie des griechischen Alphabets wurden nämlich zugleich als Zahlensymbole verwendet. Die römischen Ziffern sind noch heute bekannt. Den Zahlenwert eines Namens erhielt man, wenn man die Zahlenwerte seiner Buchstaben addierte. Dies nennt man „Gematrie“. Der umgekehrte Weg ist natürlich schwieriger, weil dieselbe Zahl aus verschiedenen Namen entstehen kann. Darum benutzte man die Gematrie auch als Geheimcode, wenn ein Name nur einem bestimmten Personenkreis bekannt gemacht werden sollte. Welcher Name hinter 666 steht, wissen wir nicht.
Einfacher ist die symbolische Deutung der Zahl. Die Sechs ist als verminderte Sieben und halbierte Zwölf ein Symbol der Unvollkommenheit. Auf die Schöpfungstage bezogen, fehlt der gottgeweihte siebte Tag. Die Sechs ist also ein Symbol der Schöpfung ohne Gott. In der Verdreifachung bedeutet sie die Fülle aller Schlechtigkeit und Bosheit, die dem Antichristen zu eigen ist.
Der Antichrist lässt in Harmagedon („Berg von Magedon“) ein gewaltiges Heer versammeln. Magedon ist wohl Megiddo und lag auf einem Hügel am Südrand der Ebene Esdrelon, die an den südöstlichen Ausläufern des Karmelgebirges lag. Diese einzige größere Ebene Palästinas war von alters her das bedeutendste Schlachtfeld des Landes. Es handelt sich sicher um eine symbolische Benennung. Wie der Herr einst sein Volk gegen Sisera rettete, der mit 900 eisernen Streitwagen gegen es anrückte, so wird er am Ende auch die Gottesfeinde vernichten.
Apk 19,11 ff schildert Johannes den Sieg Christi über den Drachen und seine Helfer. Der Christkönig selbst führt das himmlische Heer an, das wie er auf glänzend weißen Rossen antritt. Christus kommt schon vor Beginn der Schlacht als Triumphator, da es an seinem Sieg keinen Zweifel gibt. Er führt den Vernichtungsschlag allein, und als einzige Waffe genügt ihm dazu sein allmächtiges Wort, das wie ein scharfes Schwert aus seinem Mund hervorgeht. So sagt auch Paulus, dass Christus den Antichristen „durch den Hauch seines Mundes“ besiegen wird (2 Thess 2,8). Es kommt dann auch zu keinem Kampf, sondern der Antichrist und der Lügenprophet werden einfach ergriffen und in die Hölle (den „Feuersee“) geworfen. Die von ihnen Verführten werden getötet und ihr Fleisch dient den Vögeln zum Fraß.
Die tausend Jahre
Nach der Vernichtung des Antichristen und des Pseudopropheten ist nur noch der Drache übriggeblieben. Er wird nun gefesselt und in die Hölle geworfen. Für 1000 Jahre – sicher eine symbolische Zahl, die für eine längere Dauer steht – ist ihm die Möglichkeit des Wirkens genommen (vgl. 20,1–3).
Das bedeutet offensichtlich, dass der Teufel die Menschen dann nicht mehr versuchen kann. Damit ist allerdings nur eine Quelle der Bosheit verschlossen, denn die Menschen sündigen nicht nur, wenn sie vom Teufel versucht werden, sondern auch aus eigener Bosheit und Schwäche. Sünde, Leiden und Tod werden also nicht von der Erde verschwinden, aber die Kirche kann sich unbehelligt von dämonischen Einflüssen entfalten. Das wird wahrscheinlich zu einer noch nie dagewesenen Blütezeit der Kirche führen. Das Kommen des weißen Reiters war demnach noch nicht die Ankunft Christi zum Endgericht.
Diese Deutung ist allerdings in der Kirche umstritten. Der hl. Augustinus deutete die tausend Jahre auf die Zeit vom Erlösungstod Christi bis zum Weltgericht. Am Ende dieser Zeit werde der Teufel für dreieinhalb Jahre freigelassen(vgl. De civ. Dei XX, 7 ff). Dieser Deutung haben sich die meisten katholischen Theologen angeschlossen, aber sie befriedigt nicht wirklich, da nach 1 Petr 5,8 und Eph 6,12 ff der Teufel jetzt keineswegs gefesselt ist.
Verurteilt ist allerdings die Lehre der Chiliasten, die meinten, nach dem Sieg über den Antichristen würden zunächst nur die Gerechten auferstehen und hier auf Erden tausend Jahre mit Christus herrschen. So muss man aber die Worte der Apokalypse nicht verstehen. Johannes sieht 20,4 die „Seelen“ der Märtyrer, die im letzten Kampf treu blieben. Diese leben und herrschen mit Christus tausend Jahre im Himmel. Es steht nicht da: „Sie kamen wieder zum Leben“, wie in manchen Übersetzungen, die dadurch den Eindruck erwecken, diese Herrschaft finde im Leib und auf der Erde statt.
„Die übrigen Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. – Das ist die erste Auferstehung“, heißt es dann im V. 5. Mit den „übrigen Toten“ sind diejenigen gemeint, die sich in der Verfolgung des Antichristen nicht bewährt haben, die ihm also anhingen oder zu ihm abfielen, um ihr Leben zu retten. Damit haben sie aber das eigentliche Leben verloren. Von den Märtyrern und Bekennern früherer Zeiten spricht diese Vision nicht, aber 2,11; 2,26 f und 3,21 wurde schon gesagt, dass diese das ewige Leben erhalten und mit Christus herrschen werden. 6,9 sah Johannes ihre Seelen auch schon im Himmel. Hier soll aber gezeigt werden, dass die unter dem Antichristen Getöteten keinen Nachteil gegenüber den späteren Christen haben, die die Friedenszeit und den Triumph Christi erleben. Dieses Eingehen in die himmlische Glorie wird „erste Auferstehung“ genannt. Sie hat also noch etwas Vorläufiges, da die zweite Auferstehung, die des Leibes, noch folgen soll.
Das Weltende
Am Ende der tausend Jahre wird der Teufel nochmals losgelassen. Vielleicht soll damit deutlich gemacht werden, dass die lange Friedenszeit ein Geschenk Gottes und nicht Verdienst der Menschheit war. Dann wird buchstäblich „der Teufel los sein“. Dieser sammelt sogleich die heidnischen Völker an den Rändern der Erde. Dieses apokalyptische Bild ist an der Weissagung Ezechiels (38 f) orientiert, nach der am Ende der Tage gewaltige Heeresmassen unter der Führung des Fürsten „Gog im Lande Magog“ gegen das Gottesvolk vorrücken, aber durch ein wunderbares Eingreifen Gottes vernichtet werden. Schon die Übersetzung der Septuaginta hat „Gog und Magog“ als zwei Völkernamen aufgefasst, und „Gog und Magog“ ist auch in der rabbinischen Tradition die Bezeichnung für das feindliche Heer der Endzeit.
Die Gottesfeinde werden so zahlreich sein, dass die Lage der Christen hoffnungslos scheint. Aber wieder kommt es zu keinem Kampf, sondern „Feuer fiel vom Himmel herab und verzehrte sie“(20,9). Gott greift durch ein Wunder ein und vernichtet die Feinde. Nun ist auch das Schicksal Satans endgültig besiegelt. Er wird „in den Feuer- und Schwefelsee geworfen, wo auch das Tier und der falsche Prophet sind, und sie werden Tag und Nacht in alle Ewigkeit gepeinigt werden“ (V. 10).
Nun folgt erst das Endgericht. Johannes sieht „einen großen weißen Thron und den, der darauf sitzt. Vor seinem Angesicht flohen Himmel und Erde, und es fand sich für sie keine Stätte mehr“ (V. 11). Die Welt, die für den Menschen geschaffen und durch seinen Abfall ebenfalls vom Fluch getroffen wurde, vergeht, um einem neuen Himmel und einer neuen Erde Platz zu machen. Das bedeutet nicht eine Vernichtung und Neuschöpfung, sondern eine völlige Umwandlung und Umgestaltung. Vgl. 1 Kor 7,31: „Die Gestalt dieser Welt vergeht.“
„Und ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, vor dem Thron stehen. Bücher wurden aufgeschlagen, und noch ein anderes Buch wurde geöffnet, nämlich das Buch des Lebens. Die Toten wurden nach ihren Werken gerichtet, wie es in den Büchern aufgezeichnet war“ (V. 12).
Alle Menschen werden vor dem Thron als zu Richtende stehen. Die Rangunterschiede hier auf Erden werden keine Bedeutung haben. Vor dem Richter sind alle gleich. Die Bücher sind Symbol der Allwissenheit Gottes. Alle Taten des Menschen sind darin aufgeschrieben, nichts ist vergessen. Es gibt aber noch ein besonderes Buch, das „Buch des Lebens“. Nur wer darin aufgezeichnet ist, bekommt Bürgerrecht im himmlischen Jerusalem. Das bedeutet, dass unsere Berufung zum Himmel zuerst vom Verdienst Christi abhängt. Ein natürliches gutes Leben genügt nicht. Aber ob wir im Buch des Lebens aufgezeichnet sind, hängt auch von unserer Mitwirkung mit der Gnade ab. Wer schwer sündigt, dessen Name wird aus dem Buch des Lebens gestrichen.
Erst nach der Gerichtsszene wird die allgemeine Auferstehung der Toten genannt: „Das Meer gab die Toten heraus, die es barg, und der Tod und die Unterwelt gaben ihre Toten heraus“ (V. 13). Die zeitliche Reihenfolge ist also nicht eingehalten. Vielleicht soll dadurch der Hauptgedanke des Abschnitts, das Gericht, in den Vordergrund gerückt werden.
Der Tod, dessen Macht aus der Sünde stammt, ist nach 1 Kor 15,26 der letzte Feind, der vernichtet werden wird. Darum heißt es nun: „Der Tod und die Unterwelt wurden in den Feuersee geworfen. – Das ist der zweite Tod, der Feuersee. Wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet war, wurde in den Feuersee geworfen“ (V. 14 f). Der Feuersee ist die Hölle. Sie ist der „zweite Tod“, da sie der endgültige und ewige Ausschluss vom wahren Leben bei Gott ist. Wer nur aufgeweckt wird, damit er sein Verdammungsurteil hört, stirbt zum zweiten Mal.