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Hl. Klara von Assisi (12. August, überlieferter Kalender)

Heiligenvita aus:
Alban Stolz, Legende. oder: Der christliche Sternenhimmel, Freiburg i. Br. 1867.


12. August.

Die heilige Klara. † 1253.
(Klarheit.)

Der Apostel Paulus schreibt im Brief an die Galater 5,24: „Die nun Christo angehören, kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden.“ Was heißt nun das, sein Fleisch und seine Lüste und Begierden kreuzigen? Und welches sind die Nägel, womit man es an das Kreuz heftet? – Darauf gibt die beste Antwort das Leben der h. Klara.

Sie war in Lebensverhältnissen, welche für ein junges Mädchen die angenehmsten sind, die man sich nur denken mag. Von höchst angesehenen adeligen Eltern geboren, begabt mit außerordentlicher Schönheit und ungewöhnlichem Verstand, stand ihr die Welt mit all’ ihrer Lust offen. Allein außer dem, daß sie von Kindheit an ein unschuldiges frommes Leben geführt hatte, so fügte es Gott, daß sie den h. Franziskus, welcher mit ihr aus derselben Stadt, aus Assisi, war, predigen hörte. Klara verglich seine Worte und Werke mit dem Evangelium und fand, daß er wahrhaft ein Nachfolger des Herrn sei. Sie ging öfters in seine Predigten und machte sich jedesmal darin Vorwürfe, daß sie noch so schwach und noch so anhänglich an die Erde sei, wo man doch nur so kurz bleiben darf und so viele Bitterkeiten habe. Sie fand nichts gerechter und edler für eine vernünftige Seele, als sich ganz dem Dienste Gottes zu weihen. Klara suchte deßhalb Gelegenheit zu bekommen, mit dem h. Franziskus sich zu berathen. Er erkannte bald, daß sie von Gott berufen sei für das weibliche Geschlecht eine Führerin zur christlichen Vollkommenheit zu werden, und beredete sie der Welt zu entsagen.

Obschon ihre Eltern sehr gottesfürchtig waren, so wünschten diese bei ihrem Reichthum vor Allem, daß Klara einen der hochgestellten Männer, welche sich um ihre Hand bewarben, zur Ehe nehme. Allmählig aber suchte Klara die Eltern auf ihren Schritt vorzubereiten; sie redet vor denselben öfters von den Vortheilen der Einsamkeit, von dem Glück einer Seele, welche alle irdische Herrlichkeit wegwirft und sich nur mit Gott abgibt, wie überhaupt nirgends wahres Glück zu finden sei, als wenn man mit dem Christenthum gründlich Ernst mache. Mehr aber getraute sie sich vor der Hand nicht zu sagen, um nicht voreilig ihr Vorhaben stören zu lassen; machte aber unterdessen die nöthigen Voranstalten.

Eines frühen Morgens ging sie mit einigen gleichgesinnten Freundinnen und Verwandten verabredeter Weise ganz vornehm und prächtig gekleidet in das Kloster, wo der h. Franziskus weilte und wo sie schon erwartet wurde. Nachdem das Amt beendigt war, ging Klara zum Altar vor, warf sich zur Erde und begehrte die Zeichen der Weltverläugnung und Nachfolge Christi. Der h. Franziskus blieb einige Augenblicke still, dann redete er die Jungfrau an und zeigte ihr, daß die Reichthümer, welche sie jetzt freiwillig aufgebe, die Weltlichgesinnten einst wider Willen verlassen; daß der Friede, den sie durch ihr Opfer gewinne, alles Vergnügen der Welt weit übertreffe und nicht wie dieses schnell vorübereile und Bitterkeit im Herzen zurücklasse u. s. w. Hierauf wurde der h. Geist angerufen; die Jungfrau nahm den eitlen Schmuck, womit ihr Kopf geziert war, selbst herab, löste ihre schönen langen Haare auf und forderte, daß man sie ihr abschneide. Dann zog sie ihr prächtiges Oberkleid aus und legte ein grobes Bußkleid an, das sie mit einem Strick gürtete. Der h. Franziskus führte sodann die gottgeweihte Jungfrau in das Kloster der Benediktinerinnen, bis Gottes Fürsehung zeige, was weiter zu thun sei.

Die Welt und selbst die Eltern hielten diesen Schritt der gottseligen Klara für höchst unbesonnen und tadelnswerth. Zuerst ging die Mutter zu ihr und machte ihr Vorstellungen; allein Klara zeigte, daß Gott sie gerufen habe und daß sie in diesem Stande der Mutter mehr durch ihr Gebet nützen könne, als in der Welt, damit sie einst wieder mit einander vereinigt werden. Der Vater aber ging so weit, daß er sie mit Gewalt aus dem Kloster fortführen wollte; die Tochter aber umfaßte den Altar mit beiden Armen und rief: „Nein, Herr und Gott, ich werde dich nimmermehr verlassen; ich will in alle Zukunft nur für dich leben.“ Diese heilige Festigkeit der jungen Tochter machte Eindruck auf den Vater; aber er konnte sich immerhin nicht beruhigen. Andere Freunde, Verwandte, fromme Personen mußten kommen und Versuche machen, die Jungfrau von ihrem Vorhaben abwendig zu machen; man machte ihr auch bittere Vorwürfe, sie entehre ihre Familie, ihre Demuth sei Niederträchtigkeit; allein Bitten und Drohen waren bei ihr so vergeblich, wie bei den heiligen Märtyrern.

In Kurzem zeichnete sich Klara so sehr durch ihre innige Frömmigkeit aus, daß sie selbst im Kloster, wo damals ein sehr guter Geist herrschte, ein Gegenstand der Bewunderung und des Erstaunens wurde. Aber auch die Einwohner der Stadt zeigten ein außerordentliches Vertrauen zu Klara; zahlreich kamen die Leute fortwährend zu ihr, um sie um ihr Gebet oder ihren Rath in geistlichen Angelegenheiten anzugehen. Klara sah es ungern, daß man in der Welt noch an sie denke; und wenn sie nicht ausweichen konnte, so antwortete sie, aber nur kurz, erbaute hingegen desto mehr durch ihre Bescheidenheit und den göttlichen Frieden, welcher aus ihrem Antlitz strahlte.

Agnes, welche öfters ihre Schwester Klara besuchte, wurde mehr und mehr ergriffen von heftigem Verlangen ihr Leben in gleicher Art Gott zu weihen. Da sie nimmermehr die Erlaubniß hiezu von den Eltern erwarten durfte, so ging sie ohne Abschied zu nehmen in’s Kloster. Darüber wurde die Erbitterung des Vaters so furchtbar, daß er in Begleitung von einer Männerschaar aus seiner Verwandtschaft in das Kloster ging, um seine Tochter zu holen. Da das erst 14 Jahre alte Mädchen eine feste Standhaftigkeit zeigte, gab ihr ein Edelmann eine solche Ohrfeige und Fußtritt, daß sie ohnmächtig zu Boden stürzte; sodann ergriff er sie an den Haaren und forderte die andern auf ihm zu helfen sie fortzuschleppen. Ungeachtet der Thränen, der Bitten, des Jammergeschreies der Klara wurde ihre Schwester gewaltsam fortgetragen. Allein noch waren sie nicht bis zur Stadt gekommen, so brachten die Männer das junge Mädchen nicht mehr von der Stelle, so schwer kam es ihnen vor. Darüber kam Monaldo, ihr eigener Oheim, so in Wuth, daß er seinen Dolch zog und Agnes erstechen wollte; aber plötzlich wurde ihm der Arm steif, so daß er erschrocken sich zuletzt nicht mehr anders zu helfen wußte, als daß er die arme Agnes selber um ihre Fürbitte ansuchte; und ihr Gebet wurde auch augenblicklich erhört.

Nun nahm Alles eine andere Wendung; die Männer ließen ab von Agnes und gingen fort. Klara war nachgeeilt und richtete ihre schwer mißhandelte Schwester vom Boden auf; Agnes aber schätzte sich glücklich, daß sie für den Namen Jesu etwas leiden durfte – und so kehrten die zwei gottseligen Schwestern mit einander in das Kloster zurück. Da der h. Franziskus nun zwei auserlesene Personen hatte, mit welchen er auch für das weibliche Geschlecht seinen Orden einführen konnte, so versetzte er sie in ein eigenes Haus vor der Stadt. Hier meldeten sich bald eine Menge von Frauen und Jungfrauen jedes Alters, die sich unter der Leitung der h. Klara einem Büßerleben widmen wollten. Der h. Franziskus hatte sie nämlich ungeachtet ihres Widerstrebens zur Äbtissin ernannt. Er gab ihr die Anweisung stets die vollkommenste Armuth zu bewahren, gegen ihre Schwestern eine zuvorkommende Güte zu zeigen, sie in ihren Mühseligkeiten zu trösten, ihnen durch ihr Beispiel den kürzesten Weg der Tugend zu zeigen.

Sehr bald wurde es nothwendig noch mehr solche Klöster zu stiften. Ihre Regel war sehr streng; dessenungeachtet ging Klara viel weiter in der Strenge, was ihre eigene Person betraf. Sie trug unter den Kleidern abwechselnd zwei Bußgürtel; der eine war von Roßhaar mit Knoten versehen, der andere von Schweinshaut, deren kurzgescheerte Borsten das Fleisch durchstachen. Wenn die Wunden, welche sie davon bekam, zu stark und gefährlich wurden, nahm sie den andern Bußgürtel, bis das wunde Fleisch wieder etwas geheilt war. In der Fastenzeit lebte sie nur von Wasser und Brod; dreimal in der Woche aß sie den ganzen Tag nichts. Ihr Bett war die bloße Erde, das Kopfkissen ein Stück Holz oder ein Reisbündel. Sie schlief nur sehr wenig und unterbrach den Schlaf zuweilen um ein Gebet oder eine Bußübung vorzunehmen. Wenn die andern Schwestern ihr Vorstellungen machten, daß sie durch übertriebene Strenge sich zu Grund richte, antwortete Klara: „Ach meine Schwestern, ich kann nicht vergessen was mein Gott für mich gethan hat, und ich schäme mich, so wenig erst für ihn gethan zu haben. Ich werde nicht eher sterben, als bis es dem Herrn gefällt. Es wird noch mancher Weltmensch vor mir sterben, der sich nichts versagen kann und in Weichlichkeit und Vergnügen dahin lebt. Ich hingegen werden den Tod herannahen sehen ohne Angst, ja ich werde ihm mit Freude entgegen sehen; denn ich werde zu Dem kommen, den ich anbete und liebe.“

Die Schwestern wußten kein anderes Mittel, als daß sie sich an den h. Franziskus wandten, er möge die Abtissin von so übermäßiger Selbstkreuzigung abbringen. Der h. Franziskus begab sich mit dem Bischof von Assisi zu Klara und sie verboten ihr, auf bloßer Erde zu schlafen und ganze Tage ohne alle Nahrung zuzubringen. Es versteht sich von selbst, daß die Heilige Gehorsam leistete.

Nach einiger Zeit entsteht eine große Theuerung, so daß im Herzogthum die meisten Leute ins tiefste Elend geriethen. Es ist natürlich, daß dem Kloster, welches von freiwilligen Beiträgen lebte, diese auch ausgingen, und eines Tages nur noch ein halbes Brod da war. Durchdrungen von Christi Geist, ließ die h. Abtissin dasselbe in den Speisesaal bringen, sprach den Segen darüber, zertheilte es in fünfzig Stücke, für jede Schwester eines. Sie aßen alle und wurden satt und wunderbarer Weise blieb noch so viel übrig, daß mehrere Personen daran sich sättigen konnten.

Die große Unsicherheit, ob eine so große Zahl weiblicher Personen genug freiwillige Beiträge zum Unterhalt stets bekommen, bewog zwei Päpste nach einander, daß sie der h. Klara zumutheten, die Ordensregel abzuändern. Es sollte nämlich von nun an gestattet werden, daß das Kloster selbst Eigenthum besitze. Allein Klara bat flehentlich den Papst Innocenz IV. es wie bisher belassen zu dürfen; „der Herr hat selbst auf wunderbare Weise gezeigt, wie weit wir auf ihn bauen dürfen. Sollen wir jetzt erst hintennach mißtrauisch gegen ihn werden? Ich bitte inständig und stehe eher nicht vom Boden auf, heiliger Vater, bis uns die Begünstigung verwilligt wird, daß wir in vollkommener Armuth ohne alle Einkünfte verbleiben dürfen.“

Mit der Menschenseele ist es wie mit einem Wasser. Je mehr Unreinigkeit und Muhr drin ist, desto trüber und undurchsichtiger ist es; hingegen je reiner von erdartigen Stoffen es ist, desto heller und klarer strahlt das Licht hindurch. Je mehr Sünde, Leidenschaft oder auch nur irdische Neigungen in der Seele sind, desto weniger ist sie hell, desto weniger strahlt das Licht der ewigen Weisheit hindurch, desto trüber und unsicherer sind ihre Ansichten und Rathschläge in Betreff der eigentlichen Seelenangelegenheiten. Hingegen je ausgeleerter von Irdischem die Seele ist, desto mehr wird sie wie reine Himmelsluft, über welcher die Sonne scheint. Dieses zeigte sich gerade auch an Klara. Ihre Seele war so ausgereinigt von allen irdischen Neigungen, von allen Gedanken und Stimmungen, welche den Geist trüb machen, daß sie gleichsam wasserhell vom himmlischen Licht durchstrahlt war. Solches erkannte man auch allenthalben. Obschon sie dem Frauengeschlecht angehörte, zeigte sie eine außerordentliche Weisheit und Geistesgegenwart. Eine Menge Leute von jedem Stand und Alter kamen zu ihr, um von ihr Rath zu holen, was für eine Lebensweise sie oder ihre Kinder führen sollen. Klara nahm bereitwillig Jedermann an und zeigte ihnen, ohne viel zu reden, das Richtige, was in ihrer Lage zu thun sei.

Eines Tages kam eine ehemalige Freundin zu Klara, welche sich in der Meinung, darin sei das wahre Glück zu finden, unterdessen verehelicht hatte. Sie hatte sich aber bitter getäuscht und einen sittenlosen brutalen Mann bekommen; jetzt suchte sie bei Derjenigen Rath und Trost, welche statt dem Joch der Ehe das süßere Joch Jesu Christi auf sich genommen hatte. Klara tröstete sie, auch in ihre Verhältnissen könne sie sich heiligen und zum Frieden kommen. Vor Allem sei Geduld und Sanftmuth nothwendig; vielleicht daß ihre Aufmerksamkeit und Sorge alle Wünsche ihres Mannes erfüllen und standhaftes Gebet ihn umändern. Dann solle sie besonders ihre Kinder christlich erziehen. Selten widerstehe ein Mensch in die Länge dem rührenden Anblick einer treuen Gattin und tugendhafter Kinder. Jene Frau befolgte den Rath der h. Klara und hatte das Glück, wirklich die Umwandlung ihres Gatten zu sehen.

Eine vornehme Frau hatte zwei Töchter von ganz entgegengesetztem Charakter. In ihrem frommen Eifer wollte sie beide in dem strengen Kloster der h. Klara unterbringen. Die eine Tochter war eitel, leichtsinnig und liebte die Welt und ihre Vergnügungen; die andere war sehr eingezogen, still und fromm und mied die Lustbarkeiten junger Leute. Klara sagte, sie wolle den Versuch machen; es sei möglich, daß die Weltlustige durch das gute Beispiel und das Gebet der Klosterschwestern eine bessere Sinnesart bekomme. Wolle sie dann bleiben, so werde man sie behalten; wenn sie aber keine Neigung zum Klosterleben habe, so solle die Mutter sie dann wieder zu sich nehmen. In Betreff der andern aber, so sei es vielleicht besser, daß sie in der Welt bleibe; denn gerade da brauche man Frauen, welche durch ihren erbaulichen, tugendhaften Wandel der Welt zeigen, daß man in jedem Stande christlich leben kann, und welche als fromme Mütter in der Furcht Gottes Kinder erziehen. Frauen, welche alle ihre Pflichten in der Welt erfüllen, seien vor Gott gewiß eben so viel werth, als die, welche im Kloster nur an ihrer eigenen Heiligung arbeiten. Nachdem beide Mädchen einige Zeit im Kloster zugebracht hatten, wurden sie beide der Mutter zurückgegeben, die eine gründlich gebessert, die andere noch vervollkommnet, und beide wurden christliche, musterhafte Ehefrauen.

Eine Klosterfrau, welche in gesunden Tagen sehr eifrig Gott gedient hatte, wurde gefährlich krank und bekam auf dem Todbett schwere Beängstigungen, als könne sie vor dem heiligen und gerechten Richter nicht bestehen und sie habe nichts als die Verdammung zu erwarten. Hier wußte wieder Niemand besser Rath, als die h. Abtissin. Sie hielt der Kranken das Bild des Gekreuzigten vor und sprach zu ihr: „Was fürchtest du dich, Schwester? Schau den an, der vom Himmel auf die Erde gestiegen ist, um dich zu retten; schau seine ausgebreiteten Arme, um dich zu umfassen, seine offene Seite, um dich zu bergen; und du zitterst noch beim Anblick dieses gütigen Gottes, der dich ruft? Wenn du mit solchem Eifer, womit du nun schon 23 Jahre Gott dienest, dem ärgsten Tyrannen gedient hättest, glaubst du, daß er dich am Ende verfolgen und plagen würde? Hältst du denn Gott nicht einmal für so gut, als einen Tyrannen?“ Diese Worte, mit Heiterkeit und Zuversicht gesprochen, vertrieben bei der Kranken alle Beängstigungen.

Selbst der h. Franziskus, ihr Lehrer und Meister, war von der übernatürlichen Weisheit der h. Klara so sehr überzeugt, daß er in sehr schweren Gewissensbeängstigungen seine Zuflucht zu ihr nahm. Dieser heilige Mann zweifelte, ob er sein Predigtamt fortsetzen sollte, oder ob er ungestört von der Außenwelt ganz in der Einsamkeit dem Gebet und dem beschaulichen Leben sich hingeben solle. In seiner großen Demuth mißtraute er der eigene Einsicht und wandte sich auch an Klara, sie solle den Herrn um Rath fragen.

Die h. Abtissin wurde überrascht durch diese Demuth, aber auch beschämt durch dieses Vertrauen. Sie begab sich nach dem Wunsch des h. Franziskus mit den reinsten und demüthigsten Nonnen zum Gebet, Gott möge seinen Willen zu erkenne geben. Nun fiel ihr ein, daß die große Wirkung, welche bisher die Predigten des h. Franziskus hatten, die Wunderzeichen dabei, die Einladung der Bischöfe an ihn zu predigen, deutliche Zeichen seien. Sie ließ ihm sagen: „Geh’ und predige, denn Gott hat dich nicht bloß für dein Heil berufen, sondern auch für das Heil der Andern; zu ihrem Besten wird er sein Wort in deinen Mund legen.“

Wie Klara selbst eine Quelle des guten Rathes war, so schöpfte sie wieder Rath bei dem Gekreuzigten. Manchmal zeigte sie den Schwestern das Kreuz und sagte: „Sehet da, meine Schwestern, den überfließenden Schatz, wo ich alle meine Hülfe in der Noth suche. Bin ich traurig oder müde, so stärkt mich das Kreuz; bin ich in Zweifel und Verwirrung, so klärt es mich auf; bin ich kleinmüthig, so facht es meinen Muth wieder an; bin ich betrübt und weine ich, so trocknet es meine Thränen und tröstet mich; in der Finsterniß wird es mein Licht; in der Verzagtheit und Furcht wird es meine Hoffnung und Stütze; in Krankheit und Schmerz lindert es meine Leiden. Und ich hoffe, daß dieses heilige Zeichen mich auch noch auf dem Todbett vor meinen unsichtbaren Feinden vertheidigen wird und einst vor den Füßen meines Richters Trost und Freude mir sein wird.“

Um jene Zeit setzte Kaiser Friedrich II. Italien in großen Schrecken; er verband sich mit den Sarazenen und verfolgte die Päpste. Mit einem ungeheuern Heer zog er in Italien umher, verbrannte die Städte, verwüstete die Felder, plünderte die Kirchen und Klöster, und ließ Brand und Ruinen hinter sich. Das Kloster der h. Klara stand vor der Stadt; eine Abtheilung von diesen zügellosen Soldaten hatte den Anschlag gefaßt, dieses Kloster Nachts zu überfallen und ihre Gräuel auszuüben. Plötzlich stürmen sie heran mit einem wüthenden Geheul; schon steigen sie an den Mauern hinauf und schauen ins Innere; die Klosterfrauen fliehen schreiend an das Bett ihrer kranken Abtissin. Diese allein bleibt ruhig; sie wendet ihr Gebet zum Himmel, läßt sich hernach zur Klosterpforte führen – Manche sagen mit dem Allerheiligsten in der Monstranz, weßhalb sie auch damit abgebildet wird. Da ergriff plötzlich ein geheimnißvoller Schrecken die Soldaten; eine unsichtbare Gewalt trieb sie alle in die Flucht, sie laufen auseinander, ohne zu wissen wohin – und Kloster und Stadt waren gerettet.

Gerade das allerheiligste Sakrament war es, wo sie am liebsten ihre Besuche machte und dessen Besuche sie den Schwestern dringend anrieth. Klara zeigte ihnen besonders den himmelweiten Unterschied zwischen weltlichen Besuchen und zwischen Besuchen beim heiligsten Sakrament. Dort sehe man einander, ohne sich zu lieben und selbst zu kennen, hier besuche man Gott, der uns erschaffen hat und uns innig liebt. Dort gibt man auf einander Acht, man bekritelt und verleumdet einander; man lacht oft ohne Freude, verstellt sich und geht mißstimmt fort. Hier, vor Gott im h. Sakrament, sind wir nicht befangen; wir wissen, daß wir mit dem besten Freunde reden, mit dem liebevollsten Vater, und dieser Gedanke tröstet uns. Wir öffnen ihm unser Herz ohne Rückhalt, und erzählen ihm unsere Noth ohne Verlegenheit. Wir gehen nie fort, ohne von ihm Trost und Stärke und Freude mitzubekommen.

Klara hatte mehrere Jahre vor ihrem Ende viel von Krankheiten zu leiden; aber auch selbst bei heftigen Schmerzen verlor sich ihre Sanftmuth und Heiterkeit nicht und ließ sie nicht ab von ihrer großen Strenge gegen sich. Ihre ausnehmende Heiligkeit hatte schon zu Lebzeiten eine solche Hochachtung ihr zugezogen, daß selbst Papst Innocenz IV. in Begleitung von vier Kardinälen zu ihr ins Kloster kam, als er gehört hatte, daß ihre Krankheit gefährlich werde. Innocenz wurde so ergriffen von der Heiligkeit und Weisheit ihrer Reden, daß er sich zu den Umstehenden wandte und laut sagte: „Wie glücklich wäre ich, wenn meine Seele auch so rein vor den Augen Gottes wäre, wie die Seele dieser heiligen Tochter.“

Eine solche Ehre, von dem Papst auf dem Krankenbett besucht zu werden, ist etwas ganz Außerordentliches und widerfährt in der Regel nicht einmal Fürsten und Kardinälen. Klara freute sich wohl auch sehr, vom Statthalter Christi noch die Generalabsolution erhalten zu haben; aber ihre himmlisch erleuchtete Seele freute sich und dankte viel mehr noch wegen einer unendlich größern Ehre, nämlich daß sie denselben Morgen das h. Abendmahl empfangen hatte. Sie sprach, als der Papst sich entfernt hatte: „Wie groß, wie glorreich ist dieser Tag für mich! O meine Schwestern, wie ist doch Gott so gut und barmherzig! Ich habe heut in mein Herz den König der Könige aufgenommen. Derjenige, der die Himmel bewohnt, kommt, sich zu vereinigen mit mir, einer geringen Kreatur. Ich, die ich nur Elend und Staub bin, habe Den empfangen, welchen Himmel und Erde nicht zu umfassen vermögen.“

Als die Zeit ihres Todes herannahte, ließ sie sich das Leiden Christi vorlesen, gab auf Verlangen ihren geistlichen Töchtern den Segen und starb, indem sie das Kruzifix in ihren Händen an die Lippen drückte, sechzig Jahre alt.

Die Klarheit des Geistes, wodurch sich diese große Heilige auszeichnet, ging daraus hervor, weil ihre Seele ganz rein und von Gott durchleuchtet war. Willst du in wichtigen Angelegenheiten guten Rath – und welche Angelegenheiten sind wohl wichtiger als die des Seelenheils – so suche ihn nicht bei solchen Menschen, welche vielen Weltverstand haben, sondern bei den gottseligsten und tugendhaftesten Personen; denn die Gescheidtheit der Welt ist vor Gott Thorheit, und wahre Weisheit ist die Einfalt des guten Christen.