Jiménez de Cisneros
1745

Prosper Guérangers „Liturgisches Jahr“

Prosper Guérangers „Liturgisches Jahr“ –

das „Année liturgique“


Folge II über die Liturgie, Teil 1 von 2

Vorrede

„Das Gebet ist für den Menschen das höchste Gut, Es ist sein Licht, seine Nahrung, sein Leben selbst, denn es setzt ihn in Beziehung zu Gott, der Licht, Nahrung und Leben ist.
Aber von uns selbst aus können wir nicht richtig beten. Wir müssen uns an Jesus-Christus wenden und ihm wie die Apostel sagen: Herr, lehre uns beten. Er allein kann die Zunge der Stummen lösen, den Mund der Kinder öffnen, und er tut dieses Wunder, indem er seinen Geist der Gnade und des Gebets sendet, dem es gefällt unserer Schwäche zu helfen und dessen unbeschreiblicher Hauch in uns flehend weht. (…)“
Dom Prosper Guéranger, Band 1, „L’Année liturgique“, 1841

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Dom Prosper Guéranger, sein Kloster Solesmes und der Kampf für die tridentinische Messe und das alte Brevier

Zur Aussprache der Namen ein Link am Ende des Beitrags.[i]

-Abtei St. Pierre de Solesmes

Die Abtei Solesmes und Dom Prosper Guéranger als Ursprung der Liturgischen Bewegung

„Ihren Ausgang nahm die liturgische Bewegung in der römisch-katholischen Kirche in der Mitte des 19. Jahrhunderts von den Benediktinerabteien von Solesmes (Frankreich) und Beuron (Deutschland) aus, in Solesmes vor allem durch Dom Guéranger.“ Liturgische Bewegung – Wikipedia
Solesmes war von Benediktinern, den Mauristen, zu seiner Blüte geführt worden.

Der erste Angriff der Feinde 1790

1790 verbietet die Verfassungsgebende Versammlung Frankreichs (« Assemblée nationale constituante ») religiöse Gelübde (· 13 février 1790 : Abschaffung der monastischen Orden, · 12. Juli : Zivile Verfassung des Klerus): einer von den sieben übriggebliebenen Mönchen Solesmes‘ befolgt das neue Gesetz, die andern sechs weigern sich, sich auf das neue Verbotsgesetz vereidigen zu lassen und werden tatsächlich eingesperrt!

1825 kaufen Vermögensverwalter die Klostergebäude und das dazugehörende Agrarland auf.

1832 beginnen sie mit dem Abriß der Klostergebäude. Der Ostflügel wird abgerissen.
Prosper Guéranger gelingt es mit einem befreundeten Priester den totalen Abriß zu stoppen und die Prieuré zu pachten – später werden sie sie kaufen. 1833 ziehen die beiden Freunde in Solesmes ein. Solesmes blieb damit das Schicksal von Cluny oder Marmoutier erspart. Weitere junge Priester schließen sich ihnen an. Dom Guéranger entdeckt den verlorengegangenen Schatz des benediktinischen Ordenslebens wieder.

Sie beginnen in Solesmes wieder das benediktinische Ordensleben aufleben zu lassen.

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Grafik Dom Guéranger

Prosper Guéranger wird zum Prior des Klosters gewählt. Rom gewährt ihm bei einer Romreise offiziell die Wiedereinrichtung des Ordens des Hlg. Benedikt in Frankreich (nach der Revolution): Die Kongregation von Solesmes entsteht.

Das Problem der Liturgie

Es gibt in Frankreich ein Problem, das Dom Guéranger die „Déviation liturgique“, die liturgische Verirrung nannte: Von 139 Diözesen verwendeten schon vor der Revolution, also vor 1789, 80 Diözesen nicht mehr die römische Liturgie. Der Gallikanismus und der Jansenismus hatten sich durchgesetzt. Rom war ausgeschaltet. Man hatte meist Eigen-Liturgien.

Prosper Guéranger wollte sich nicht einer dieser Eigen-Liturgien einer Diözese anschließen.

Dom Prosper hatte deshalb zu Beginn zwar ein Kloster und Mitbrüder – aber keine Liturgie.

Und hier entdeckte Prosper Guéranger in Instituten, wo er tätig wurde, das römische Meßbuch und das römische Brevier. Dom Prosper Guéranger hatte einen Schatz entdeckt: die alte tridentinische Liturgie. Eine faszinierende Entdeckung.

Bei all den Messen, die in Frankreich von Staatspriestern nach der Revolution gefeiert werden mußten, bedeutete die alte Liturgie für ihn die Entdeckung eines großen spirituellen Schatzes.

Er widmete sein ganzes Wirken der Verbreitung des Schatzes der tridentinischen Messe und des alten Breviers.

Sein zentrales Anliegen war, auch den Gläubigen diesen Schatz zugänglich zu machen: Die bewußte Teilnahme der Gläubigen sollte ermöglicht werden. Damit würde auch die „Liturgische Dekadenz“ behoben werden, die ich im vorangehenden Artikel beschrieben habe.

Eine interessante Tatsache: Der Stammvater, auf den sich die Liturgische Bewegung beruft, sah die Lösung der liturgischen Probleme in der Wiedereinführung der tridentinischen Liturgie! Der traditionellen römischen Messe, die in Frankreich nach 1790 vielerorts verloren gegangen war. Allerdings mit einem wesentlichen Zusatz: Für Dom Prosper Guéranger war die bewußte Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie eine unumgängliche Forderung der Neuzeit.
1840 beginnt er seine Entdeckungen des Schatzes des römischen Meßbuchs zu veröffentlichen: les Institutions liturgiques: Bereits dieses Werk ist bedeutend.Die erfolgte Zerstörung der tridentinischen Liturgie erkennt er als Schachzug der Gegenmächte im Krieg gegen das Christentum, die Kirche. Der Verunglimpfung der römischen Liturgie, die Abwertung des Meßbuchs und des Breviers, der sogenannten „liturgischen Dekadenz“ gibt er einen Namen:

„Die anti-liturgische Häresie“ – „L’hérésie antiliturgique“


Dom Guéranger ist nun der erste Abt von Solesmes nach der Revolution und Oberer der „congrégation de Solesmes » oder auch « Congrégation française de l’ordre de saint Benoît ». Congrégation de Solesmes — Wikipédia

Das liturgische Jahr (L’Année liturgique) (1re éd. 1841)

Aussprache von „Année liturgique“: Kirchenjahr - traduction Français – dictionnaire Allemand-Français Langenscheidt
Dom Prosper Guérangers Werk „Année liturgique“, zu deutsch: „Das Liturgische Jahr“ (Das Kirchenjahr) ist wohl das bedeutendste religiöse Ereignis der sechs letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es hat alle Länder erreicht und überall den Gläubigen den Zugang zum Quell des Christentums geöffnet. Ein Türöffner.

Dom Guéranger

Was wollte Dom Prosper Guéranger erreichen?
Er wollte die tridentinische Messe und das Brevier nicht als Priester-Privileg konservieren, sondern die Gläubigen sollten bewußt teilnehmen dürfen.
Dazu mußte man die Gläubigen unterrichten und hinführen zu diesen geistigen Schätzen.
Man musste sie lehren, die Worte der Messe auf lateinisch und in der Landessprache zu verstehen. Man mußte auch die inhaltliche, spirituelle Bedeutung der liturgischen Texte erläutern. Was geschieht in den einzelnen Teilen der Messe?
Jeder Band ist wie ein Meßbuch. Das erlaubt, die Liturgie des Jahres von Tag zu Tag zu lesen und sich über das Leben der Heiligen zu informieren. Morgengebete, Abendgebete und andere Andachten, wie sie den einzelnen Zeiten des Jahres entsprechen. Zahlreiche spirituelle Unterweisungen.

Die Hlge. Therese von Lisieux las regelmäßig mit ihren Schwestern in ihrer Kindheit das Année liturgique.

Dom Guérangers Ziel einer bewußten Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie erlebte bitterste Anfeindungen durch verschiedene Feindesgruppierungen von außen und vor allem aber durch Priester, die diese Idee bekämpften. Auch viele Bischöfe stellten sich gegen dieses Ziel.
Der Papst war oft seine einzige Stütze: Pius IX. (1846-1878) würdigte die Lebensleistung des Reformabtes in einem persönlichen Breve.
Dom Guéranger verstirbt am 30.1.1875. Er schaffte das Werk bis zum Vorabend des Trinitätssonntags – in neun Bänden.

Dom Guéranger Totenbett

Die Zeit nach Pfingsten fehlte noch.

Wie ein Leuchtturm für das bewußte Teilnehmen der Gläubigen an der Messe steht Solesmes mit dem Liturgischen Jahr nun da. Ein knapp zu zwei Drittel fertig gebauter Leuchtturm.
Wikibrief über „Das liturgische Jahr“: „Die Reihe beschreibt die Liturgie der katholischen Kirche während des gesamten liturgischen Jahres, einschließlich der Messe und des Gottesdienstes. (…) Das liturgische Jahr wurde als " Summa " der Liturgie der katholischen Kirche bezeichnet.“

Die Summa der Liturgie der katholischen Kirche!

Zu fast zwei Drittel fertig gebaut.
Die Mitbrüder von Solesmes standen 1875 hinter dem Großprojekt des Année liturgique: Dom Lucien Fromage fiel die Aufgabe zu, das Liturgische Jahr zu Ende zu führen. Er war prädestiniert dafür: Im Seminar von Séez hatte er brilliante Studienergebnisse erlangt und die Dozenten hatten schon geplant, daß er einen Theologie-Lehrstuhl übernehmen sollte. 1870 trat er in Solesmes ein, wo er die Gelübde 1870 ablegte. Dom Guéranger hatte ihn von Anfang an sehr geschätzt und ihn zu seinem Assistenten gemacht. Er hatte zusammen mit Dom Guéranger dessen Buch über Ste. Cécile Korrektur gelesen. Dom Fromage hatte immer das Amt des Zeremonienmeisters inne und 14 Jahre lang war er Sous-Prieur.[8]
Am 10.5.1878 legt Dom Fromage den ersten Band der Fortsetzung der Année liturgique vor. Band 10 des Gesamtwerks. Der erste Band der Zeit nach Pfingsten war fertiggestellt.
Damit sieht auch die ganze Welt, daß Guérangers Projekt der zweisprachigen Darstellung und Erklärung des gesamten römischen Meßbuchs keinen Schiffbruch erlitten hat, sondern daß der nächste Bruder des BenediktinerOrdens das Steuerruder übernimmt und das Schiff weitersteuert.

Dom Guéranger

Das « Année liturgique », das « Liturgische Jahr » von Dom Prosper Guéranger

Aus dem allgemeinen Vorwort Dom Guérangers

"Aber dies von der Kirche angeordnete Gebet würde sehr bald ohnmächtig, wenn die Gläubigen es ertönen ließen, ohne auch im Herzen sich daran zu beteiligen; wenn sie nur in der Lage wären, äußerlich Teil zu nehmen. Es wirkt um so mehr für das Heil der Nationen, je mehr und je klarer es begriffen wird. Erschließt also Eure Herzen, Kinder der katholischen Kirche, und kommt, um mit dem Gebete Eurer Mutter zu beten." S.7
"Möge daher die Seele, die von Verlangen nach Gebet erfüllte Braut Christi, nicht fürchten am Ufer der wunderbaren Wasser der Liturgie zu vertrocknen: Bald fließen diese Wasser sanft dahin wie der Bach durch die Wiesen, bald donnern ihre Wogen heran wie der reißende Strom und bald fluten sie unermeßlich daher wie das Meer; die Seele nähere sich und trinke das klare und reine Wasser, das fortströmt in das ewige Leben, denn dieses Wasser entspringt den Quellen des Erlösers und der Geist Gottes befruchtet es mit seiner Kraft, damit es süß und nahrhaft sei (…).
Möge daher die von dem Reiz der Kontemplation entzückte Seele nicht zurückschrecken vor dem strahlenden Glanz der Gesänge des liturgischen Gebets."

(Préface générale, S. 19)

Im folgenden Kapitel möchte ich einige Einblicke in das « Liturgische Jahr », „L’Année liturgique“ von Dom Prosper Guéranger geben.

„Das liturgische Jahr“ benutzt das tridentinische Meßbuch und das alte Brevier (L’Année liturgique) (1re éd. 1841)

Grundlage für Dom Guéranger ist die alte katholische Messe. Das bedeutet diejenige Messe, die Papst Pius V. 1568 nach dem Tridentinum für die ganze Kirche verbindlich machte mit gewissen sinnvollen Erweiterungen, die bis zu Papst Pius X. angefügt wurden und die bis 1950 die Messe der katholischen Kirche war.
Man findet diese Messe heute noch im Meßbuch Leos XIII. und Pius‘ X., beide Meßbücher können noch in gutem Zustand antiquarisch erworben werden.[ii] [iii]
Auch die Schott-Ausgaben bis ca. 1950 bringen diese Messe.
Das alte Brevier kann man am besten in den Ausgaben von Leo XIII. antiquarisch finden.[iv]
Um das Année liturgique vorzustellen, werde ich Abbildungen aus dem Band zur Passionszeit und der heiligen Woche zeigen, den der Verlag Oudin im Jahre 1869 in dritter Auflage herausgab. Ich werde also einige Einblicke geben in einen der 15 Bände des Année liturgique. Das Buch erschien auf französisch, die von mir angeführten Stellen werde ich übersetzen.

1 « L’Année liturgique », Titelseite, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


2 « L’Année liturgique », Prosper Guéranger, Verlag Oudin, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Geschichtliche Grundlagen der Passionszeit und der heiligen Woche

3 « L’Année liturgique », Historische Grundlagen der Passion, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Prosper Guéranger stellt den Hauptzeiten des liturgischen Jahres eine ausführliche historische Betrachtung voran, Geschichtliche Zusammenhänge, Kirchengeschichtliches, Spirituelles, alles Wichtige für die Quellen wird dargestellt.

Gebete für die Passionszeit

Er stellt Gebete für die Passionszeit vor, die zusätzlich zur Laudes und Vesper/Complet gebetet werden können. Dabei schöpft er aus wertvollen Quellen der Liturgie: Hier ein Bußgebet von Kardinal Bellarmin aus dessen Katechismus:
„Mein Gott. Ich bin tief betrübt, daß ich Sie verletzt habe. Und ich bereue von ganzen Herzen meine Sünden…“ (Gott wird auf französisch gesiezt. Ich werde bei den folgenden Übersetzungen aber das „DU“ verwenden)

4 « L’Année liturgique », Kardinal Bellarmins Bußgebet, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Die wichtigsten Grundgebete für die Passionszeit werden angeführt:

5 « L’Année liturgique », Marien-Antiphon der Passionszeit , 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Das Gebet an die Mutter Gottes nach den Offizien wechselt mit der Jahreszeit.
Prosper Guéranger stellt die Marien-Antiphon für die Passion vor und erläutert sie. Bei diesen grundlegenden Gebeten bringt er den Text sowohl in der lateinischen Form als auch in der landessprachlichen (französischen) Übersetzung. Je nach Situation variiert die Übersetzung: Hier bei der Hinwendung zur Mutter Gottes hat er gleichwohl wortgenau wie auch literarisch schön übersetzt. Der Leser findet das Verständnis jedes lateinischen Wortes der Antiphon. Er kann es dadurch selber verstehend auf lateinisch beten/singen.

Laudes und Prim für die Passionszeit

Im Gegensatz zu Vesper und Complet stellt Dom Guéranger die Offizien des Morgens nicht dar.
Er stellt anstelle dessen ein Morgengebet vor, das der Gläubige durchführen kann. Es beinhaltet wesentliche Teile der Matutin, der Laudes und der Prim, verbunden auch mit Meditationen, die Guéranger vorstellt. Der übliche Eingang der Offizien (Vater unser, Ave Maria, Apostolisches Symbolon) – dazu weitere Gebete: „Komm, heiliger Geist; erfülle die Herzen deiner Gläubigen…“ Eine Hymne zum Morgen und die beiden Morgengebete.
Während des Triduums wird er allerdings die Ténèbres vorstellen: Die Matutin und Laudes der drei heiligen Tage.

Das Meßordinarium – Die Messe im festbleibenden Aufbau

Früh im Band – auf Seite 49 – stellt das Année liturgique den feststehenden Aufbau der Messe dar: Das Meßordinarium. Damit wird der Leser in der Lage sein, alle später beschriebenen beweglichen Feste in den Rahmen des Meßordinariums zu setzen.

6 « L’Année liturgique », Das Meßordinarium, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Um das Jahr 1850 herum war dies eine Tat, die Aufmerksamkeit erregte. Er stellt den Leser mit in die heilige Meßhandlung hinein: oben: „Machen wir mit dem Priester das Zeichen des Kreuzes: In nomine Patris …“
Und er läßt die Sätze des Priesters vor dem Hingehen zum Altar lesen:
„Introibo ad altare Die … Judica me Deus … » Ich schreite zum Altar Gottes … Urteile über mich, mein Gott… »
Für die damalige Zeit eine gewagte Veröffentlichung. Für viele Priester, die das Sakrale vor dem Profanen schützen wollten, geradezu ein Sakrileg. Dom Guéranger schuf sich damit Feinde im Klerus.
„Judica me Deus et discerne causam meam de gente non sancta… » - Um hier noch einen gewissen Schutz des Sakralen zu erreichen, muß oder will Dom Guéranger sehr frei übersetzen: „Wie Deine Kirche flehe ich dich an, mich zu verteidigen gegen die Bosheit der Feinde meines Heils…“
- Das ist gar keine Übersetzung; mit diesen Sätzen wird ausgesagt, welche Botschaft in den lateinischen Sätzen liegt!

Das Kyrie

7 « L’Année liturgique », Meßordinarium : Kyrie und Gloria, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Ich gebe die Original-Sätze Dom Guérangers der abgebildeten Seite in Anführungszeichen und blau – ab Z.5: „Le prêtre“:

„Der Priester spricht nun den Introitus. Dies ist ein Eröffnungsgesang, in dem die Kirche zuerst die Gefühle zum Ausdruck bringt, die sie bewegen.
Auf ihn folgen neun noch ausdrucksstärkere Ausrufe; denn sie erbitten Erbarmen. Indem sie sie ausruft, vereinigt sich die Kirche mit den neun Chören der Engel, die den Altar des Himmels umgeben. Der der gleiche ist, wie derjenige auf der Erde.
Zum Vater:
Herr, habt Erbarmen! - Kyrie, eleison.
Herr, habt Erbarmen! - Kyrie, eleison.
Herr, habt Erbarmen! - Kyrie, eleison.

Zum Sohn:
Christus, habt Erbarmen! - Christe, eleison.
Christus, habt Erbarmen! - Christe, eleison.
Christus, habt Erbarmen! - Christe, eleison.

Zum Heiligen Geist:
Herr, habt Erbarmen! - Kyrie, eleison.
Herr, habt Erbarmen! - Kyrie, eleison.
Herr, habt Erbarmen! - Kyrie, eleison.

Wie wir es weiter oben erläutert haben, enthält sich die Kirche in der Passionszeit der himmlischen Hymne, die die Engel über der Wiege des Messias anstimmten. (Das Gloria, A.D.V.). Wenn sie hingegen das Fest eines Heiligen feiern soll, dann nimmt sie an diesem Tag diesen schönen Gesang wieder auf…“


Die neun Hierarchien der Engel nach Dionysius Areopagita sind in drei mal drei Gruppen geordnet:

Angeloi, Archangeloi, Archai.
Dann die Exusiai, die Dynameis, die Kyriotetes.

Schließlich: die Throne, Cherubim und Seraphim.

Sie werden auch angerufen in den Offizien der heiligen Mutter Gottes zur Himmelfahrt sowie dem St. Michaelsfest.
Dantes spricht über sie in seiner Divina Commedia.

Die Collecte, die Epistel, das Graduale

8 « L’Année liturgique », Meßordinarium :
Kollekte, Epistel, Graduale und Evangelium, 1869 (Bildquellen : siehe Textende unten)


„Es kommt nun die Kollekte oder das Gebet, in welchen die Kirche Gott deutlich ihre bestimmten Intentionen der Messe darlegt, die sie feiert. Wir können uns diesem Gebet anschließen, indem wir mit dem Priester die Gebete sprechen, die im folgenden angeführt werden und vor allem, indem wir Amen antworten mit dem Ministranten, der in der Messe dient (ministriert).
Wir werden dann die Epistel lesen, die gewöhnlich ein Fragment der Apostelbriefe ist oder manchmal eine Passage der Bücher des Alten Testaments. Bei dieser Lesung bitten wir Gott, daß wir Nutzen ziehen aus den Lehren, die sie beinhaltet.
Das Graduale ist ein Zwischenstück zwischen der Lesung der Epistel und des Evangeliums. Es belebt in uns noch einmal die Gefühle die bereits im Introitus zum Ausdruck kamen. Man muß es mit Andacht lesen „um sich damit gut zu durchdringen und um sich vorher noch mehr zu erheben in die Höhen des Mysteriums.“


Die Opferung

Wenn die Lesung des Evangeliums und des Credos erfolgt ist, beginnt die Opferung.

Opferung – Das Offertorium

9 « L’Année liturgique », Meßordinarium : Offertorium, Opferung, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Seite 51, ab 5. Zeile „Lisons…“
„Lesen wir (mit dem Priester) das Offertorium …“ (Das Offertorium ist das je nach Messe wechselnde Opferungsgebet.) “… das Offertorium und wenn er Gott die Hostie darbringt, schließen wir uns ihm an und sagen:
Suscipe sancte Pater, omnipotens aeterne Deus, hanc immaculatam hostiam …“ – Empfange heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott, diese unbefleckte Hostie.


Dom Guéranger läßt den Meßbesucher die Opferung mitbeten. Der Gläubige bittet Gott, das Opfer entgegenzunehmen. – Aber: Während der lateinische Meßtext exakt die Worte des Meßbuchs wiedergibt, bringt die französische Übersetzung eine Erklärung: „dieses Brot, das wir Dir opfern …“

So auch bei der Mischung des Weins mit Wasser, S. 59 unten:
„Herr, du bist der wahre Weinstock; dein Blut ist wie ein hervorquellender Wein ausgeflossen unter der Kelter des Kreuzes; du würdigst dich, deine göttliche Natur mit unserer schwachen Menschlichkeit zu verbinden, die durch diesen Tropfen Wasser dargestellt wird“ – Keine wortgetreue Übersetzung, aber eine sehr sinngetreue.
Ebenso die Übersetzung der Worte der Opferung des Kelches: “Nimm an diese Gaben, souveräner Schöpfer aller Dinge …“
Ich übersetze ab Mitte, S. 60:


10 « L’Année liturgique », Meßordinarium : Opfer des Kelchs, 1869 (Bildquellen : siehe Textende unten)

„Dann verneigt sich der Priester nachdem er die Gaben erhoben hat, demütigen wir uns mit ihm und sagen wir:
In spiritu humilitatis (…)
Rufen wir dann den heiligen Geist an, dessen Wirken bald auf dem Altar die Gegenwart des Sohnes Gottes bewirken wird, wie sie sie bewirkte im Schoße der Jungfrau Maria in dem göttlichen Mysterium der Inkarnation:
Komme heiliger Geist und befruchte dieses Opfer, das auf dem Altar ist…


Der Priester und die Gläubigen rufen den heiligen Geist an! „Wir“ sagen die Worte! Die Gläubigen sind die Mitfeiernden der Messe.

Bevor der Priester in die Wolke Gottes hineingeht

Bevor der Priester die Secret betet und die Praefation, nach denen der Canon beginnt, wendet er sich ein letztes Mal dem Volk zu: Dominus vobiscum.
Er wird in die Wolke Gottes hineingehen – den Canon. S. 63, Z.3 ff
Sie werden danach sein Gesicht nicht mehr sehen, bis der Herr herabgestiegen ist.
Die Gläubigen werden aber weiterhin – zumindest Teile des Canon-Geschehens – Mitfeiernde sein. Es ist nicht so, daß sie draußen vor der heiligen Wolke stehen bleiben müsse. Auch sie dürfen sich dem Allerheiligsten nähern.

11 « L’Année liturgique », Meßordinarium: Sekret,
Praefation und Sanctus 1869 (Bildquellen : siehe Textende unten)


S. 64: „Vereinigt euch mit dem Priester, der sich selbst vereint mit den glückseligen Geistern, um die höchste Majestät zu ehren und sagt auch:
Sanctus, Sanctus, Sanctus
Dominus Deus Sabaoth …
»


12 « L’Année liturgique », Meßordinarium: Sanctus, Canon, 1869
(Bildquellen: siehe Textende unten)


„Nach diesen Worten öffnet sich der Canon: das geheimnisvolle Gebet inmitten dessen sich der Himmel herabneigt und Gott herabsteigt. Man wird die Stimme des Priesters nicht mehr erklingen hören, es herrscht Stille, sogar am Altar (…).“

Der Meß-Canon

Der Meß-Canon beginnt mit dem Gebet „Te igitur“. Erstes Canon-Gebet, S. 66, oben:

Dieses Gebet betet der Priester allein: „In diesem geheimnisvollen Zwiegespräch mit dem großen Gott des Himmels und der Erde ist das erste Gebet des Opferpriesters für die katholische Kirche, seine Mutter und unsere: Te igitur …

Die bewußte Teilnahme der Gläubigen ist also eine differenzierte: Je nach Stelle der Messe nimmt der Gläubige wortwörtlich genau oder nur allgemein verstehend teil. Teilweise auch gar nicht, wie hier oder bei der Wandlung, wie wir gleich sehen werden.

Zum zweiten Gebet des Canons, S. 66, Mitte: Dom Guéranger fordert die Meßteilnehmer auf:

„Betet nun mit dem Priester für die Personen, die euch am meisten interessieren:

Memento, Domine, famulorum …


Zum dritten Gebet, S. 66, unten bis 67, oben:

„Gedenken wir der Heiligen, die schon die glorreiche Teilnahme am Leib Christi haben:

Communicantes …


Hier appelliert Dom Guéranger wieder an das bewußte Mitbeten der Gläubigen.

Das Gebet ist typisch lateinisch prägnant formuliert.

Communicantes, et memoriam venerantes, in primis gloriosae semper Virginis Mariae …“
Ich schlage folgende Übersetzung vor: In Gemeinschaft stehend ehren wir insbesondere das Andenken der (…) Jungfrau Maria…“.


Dom Guéranger übersetzt:

Aber, o mein Gott, die Darbringung dieses Opfers eint uns nicht nur mit unseren Brüdern, die noch auf diesem Lebensweg der Prüfung wandeln, sondern es verstärkt auch die Bindung mit denjenigen, die schon in die Glorie eingegangen sind. Wir bringen dieses Opfer also dar, um das Gedächtnis zu ehren der glorreichen (…) Jungfrau Maria, …“
Die unterstrichenden Worte sind die Widergabe des einen Wortes: „Communicantes“.
Dom Guéranger gibt keine wortgetreue Übersetzung des liturgischen lateinischen Textes. Er erläutert den Inhalt auf französisch. Es ist eine sinngetreue Wiedergabe.

13 « L’Année liturgique », Meßordinarium: Canon : Communicantes, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Der Leser versteht diese Stelle, das lateinische Gebet kann er aber hier nicht Wort für Wort verstehend mitbeten, weil die einzelnen latinischen Worte nicht erschlossen wurden.

Die Geste des Opferpriesters des alten Gesetzes

Seite 67, untere Hälfte:

„Der Priester, der bis dahin mit ausgebreiteten Händen gebetet hatte, legt sie nun zusammen und hält sie über das Brot und den Wein. Er imitiert so die Geste des Opferpriesters des alten Gesetzes über dem Opfer …

Wandlung des Brotes

„Hier hört der Priester auf als Mensch zu handeln; er ist nicht mehr nur der Abgeordnete der Kirche. Sein Wort wird dasjenige von Jesus-Christus. Werft euch nieder, denn Gott selbst wird auf den Altar herabsteigen.

Qui pridie quam pateretur accepit panem (…) Hoc est enim corpus meum.

14 « L’Année liturgique », Meßordinarium: Canon: Wandlung des Brotes, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


„Der vor seinem Leiden Brot nahm (…) Das ist mein Leib.“

Die französische Wiedergabe der Wandlungsworte erlaubt keine genaue bewußte Teilnahme an den Worten der Wandlung. Es geht hier darum, sich auf das Kommen Jesu einzustellen: “(…) Komm doch, Herr Jesus, komm!“

S.68, Absatz unten:

„Das göttliche Lamm ist nun auf dem Altar. Glorie und Liebe seien mit ihm! Aber es kommt nur, um geopfert zu werden. Deshalb spricht der Priester, Minister des Willens des Allerhöchsten, sogleich über dem Kelch die heiligen Worte, die bewirken den mystischen Tod durch die Trennung von Blut und Körper des Opfers. Die Substanz des Brot und Weins hat sich aufgelöst und ist geblieben wie ein Schleier (weiter S. 69) über dem Blut und Leib des Erlösers (…)“

Wandlung des Weins - Der Kelch

Auch bei der Wandlung des Weins kann der Gläubige die Wandlungsworte des Priesters nicht mitbeten. Er soll zusammen mit den heiligen Engeln das Geschehen betrachten und zuhören:

S.69, oben: „Vereinigen wir uns mit den heiligen Engeln, die mit Zittern dieses tiefe Mysterium betrachten:

Simili modo …
Hic est enim calix sanguinis mei …


Die französische Textwiedergabe beschreibt nur, daß das Blut Christi den Gläubigen von seinen Sünden reinwascht. Kein einziges lateinisches Wort wurde übersetzt.
Wir erleben hier eine differenzierte Teilnahme der Gläubigen je nach Stelle der Messe.

15 « L’Année liturgique », Meßordinarium: Canon: Wandlung des Weins, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


S.69, ab Mitte: „Der Priester steht nun vor dem Antlitz Gottes; er erhebt von neuem seine Arme und zeigt dem himmlischen Vater, daß das Opfer, das vor ihm liegt, kein irdisches Opfer mehr ist, sondern der Körper und das Blut, die gesamte Person seines göttlichen Sohnes: Hier ist sie also, heiliger Vater, die so lang erwartete Hostie …“

Der Opferengel

Der Engel Gottes möge dieses Opfer zu seinem Altar emportragen.

16 « L’Année liturgique », Meßordinarium: Canon: Engel des Opfers, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


„Der Priester verneigt sich und küßt den Altar als den Thron der Liebe auf dem der Retter der Menschen thront.“

Die Vermischung von Leib und Blut

Die Vermischung von Blut und Leib ist Ausdruck der Auferstehung Jesu Christi: So wie die Trennung von Leib und Blut Ausdruck des Sterbens war, so ist die neuerliche Vereinigung beider Ausdruck der Auferstehung. Die „Übersetzung“ des Gebets zur Mischung beider Gestalten von Dom Guéranger ist eigentlich ein grandioser theologisch-liturgischer Kommentar!
Er sei hier wiedergegeben: S. 75, Z.6 ff

„Glorie sei dir, Retter der Welt,
der du geduldet hast, daß in deiner Passion
dein wertvolles Blut getrennt wurde von deinem heiligen Körper
und du sie danach wieder vereint hast
durch deine Allmacht.“


Dom Prosper Guéranger gibt mit dieser Erklärung ein spirituelles Wissen der Öffentlichkeit der Gläubigen, das in Priesterseminaren gelehrt wurde. Nikolaus Gihr hat als Regens des Freiburger Priesterseminars 1877 ebenfalls diese geistige Bedeutung der Vermischung beider Substanzen in Hinblick auf die Auferstehung Christi beschrieben.[v]

Und wieder wird der Gläubige aktiv in das Meßgebet einbezogen:

„Betet jetzt zum himmlischen Lamme, das all unser Unrecht auf sich genommen hat, um es in seinem Blut zu waschen und sagt zu ihm mit der heiligen Kirche:
Lamm Gottes, das du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erbarme dich unser (...).“


17 « L’Année liturgique », Meßordinarium: Canon: Vereinigung von Leib und Blut, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Die Kommunion

„Das Mysterium geht auf seinen Abschluß zu: Gott wird sich vereinigen mit dem Menschen. Und der Mensch wird sich vereinigen mit Gott durch die Kommunion.“

Dom Guéranger beschreibt die Gebete der Kommunion so, daß der Gläubige aktiv mitbetet:

17 « L’Année liturgique », Meßordinarium: Kommunion, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


S. 75 Erstes Gebet vor der Kommunion: „Erfleht den brüderlichen Frieden zusammen mit dem Priester.

S. 76 Zweites Gebet vor der Kommunion, Mitte: „Sagt zusammen mit dem Priester: …“

S. 76 Drittes Gebet vor der Kommunion, unten: “Sprecht das dritte Gebet, das nun folgt: …“

Der Gläubige ist mit bewußtem Mitbeten bei der Kommunion dabei.

Dom Guéranger fordert die Gläubigen auf:

S.77: “Wenn der Priester die Hostie nimmt und sich anschickt, die Kommunion zu nehmen, sprecht:

„Panem celestem accipiam

et Nomen Domini invocabo.“


“Wenn er sich auf die Brust schlägt und seine Unwürdigkeit bekennt, dann wiederholt mit ihm drei Mal:


„Domine non sum dignus ut entres su tectum meum

sed tantum dic verbum

et sanabitur anima mea.“


Jedes Wort des Priesters betet der Gläubige mit.

S. 78: “Wenn ihr nur die spirituelle Kommunion macht, dann sagt:

„Sanguis Domini nostri Jesu Christi

custodiat animam meam

in vitam aeternam.“


Das ist die Communionsformel des Priesters! Die der Gläubige beten soll.

Die Messe schließt mit dem Gebet

Communiound den drei Gebeten der Postcommunio.

18 « L’Année liturgique », », Meßordinarium: Communion, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Am Ende der Messe erfolgt das Schlußgebet, der Schlußsegen und das Schlußevangelium wird gelesen. Als Schlußevangelium meistens der Johannesprolog.

19 « L’Année liturgique », Meßordinarium: Schlußevangelium, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Vesper und Complet der Passionszeit

Das Année liturgique bringt dem Leser die Vesper der Sonntage der Passionszeit und die Complet.

Erläuterungen führen in die Gebete, Psalmen und Hymnen ein. Sehr interessant sind wieder die Übersetzungen Dom Guérangers: Psalm 110:

“Derjenige, der der Herr ist, hat zu seinem Sohn, meinem Herrn, gesagt: setz dich an meine Seite und herrsche mit mir…“ Das ist eine Erklärung des Psalms!
Die Übersetzung nach der Schlachterbibel wäre: „Der Herr sprach zu meinem Herrn:
Setze dich zu meiner Rechten,
bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füße.“


Es ist beabsichtigt, daß der Gläubige die jeweiligen Stellen des Année liturgique über das Jahr hinweg mitverfolgt. Er kann die 726 Seiten dieses Bandes natürlich separat lesen, (und auch alle 15 Bände) am besten verdaulich wird solche Lektüre aber begleitend zum Jahreslauf, wenn man sie zu dem jeweiligen Tag und der jeweiligen Stunde liest.

Zu den Passions-Vespern schreibt Dom Guéranger: S. 90

“Der erste Psalm ist prophetisch über die Größe des Messias; aber er verschweigt nicht die Demütigungen. Dieser göttliche Gesang kündigt den Triumph Christi an; aber er teilt uns auch mit, daß, bevor Er in Glorie erhöht wird, Er „das Wasser des reißenden Stroms trinken wird“.“

20 « L’Année liturgique », Vesper, 1869

(Bildquellen : siehe Textende unten)


Zur Komplet schreibt Dom Guéranger auf S. 101: “Dieses Offizium, das der Abschluß aller Offizien des Tages ist, beginnt mit einer Warnung vor den Gefahren der Nacht, der sogleich eine Generalbeichte der Sünden des Tages folgt, als Mittel, um sich der göttlichen Gerechtigkeit günstig zu stellen, bevor man die Zufälle des Schlafs betritt, der dem Tod so ähnlich ist.“

21 « L’Année liturgique », Komplet, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Die veränderlichen Teile der Messe

Darunter versteht man diejenigen Gebete und Lesungen der Messe, die sich je nach Fest und Tag verändern. Wir haben hier den Passionssonntag gewählt.

Zuerst kommen der Introitus und die Collecte/Oratio.

Die Collecte besteht aus dem Grundgebet des Tages und dazu zwei Zusatzgebeten: Der Priester wählt entweder das Gebet für die Kirche oder das Gebet für den Papst.

Danach folgt die Epistel des Tages. Paul, Hebräerbrief, Kap.9

Sie drückt den Impuls dieses Tages aus: Schuld und Unreinheit. Reinigung davon.

22 « L’Année liturgique », dreifache Kollekte, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


23 « L’Année liturgique », Evangelium, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Es folgen Tractus, Graduale und dann das Evangelium, wo Jesus selbst zu uns sprechen wird. Johannes, Kap. 8 - Jesus befreit von unreinen Geistern. Die Gegner dieser Befreiung.

Die Epistel kündigt die Botschaft Jesu an und stimmt auf die Erscheinung Gottes ein – Bewußtmachung der eigenen Schuld und Unreinheit.

Im Evangelium tritt Jesus vor uns hin und wir erleben und hören, wie er von unreinen Geistern befreit. Gott steht vor uns und handelt. Die Gegner lehnen sich dagegen auf.

In der tridentinischen Messe haben wir diesen Aufbau von der Epistel zum Evangelium als Hinführung zu Gott, der uns in einer bestimmten Situation und Handlung erscheint. Der Novus Ordo Missae wird diese heilige Anordnung der Schriftlesungen wie ein Wirbelsturm zerfetzen und im Herumschleudern der Lesungstexte deren tiefere Sinnhaftigkeit zerstören. Er wird auch den schrittweisen Aufbau von der Epistel (Vorbereiten auf die Gottbegegnung) zur Evangelienlesung (Gottbegegnung ) durch die massive Überflutung mit Lesungen vor dem Evangelium zerstören. Der Novus Ordo hat: „Erste Lesung“ dann „Antwortpsalm“ dann „zweite Lesung“ vor dem Evangelium! Drei Textlesungen vor dem Evangelium als vierte!

Aber die Perikopen sind eigentlich eine heilige und sinnhafte Ordnung. Das zeigt das Année liturgique auch für den Passionssonntag.

Nach dem Offertorium, dem Opfergebet und der Opferung folgt die Secret: Auch hier wieder drei Gebete, der Priester wählt zwischen dem Gebet für den Papst oder die Kirche.

24 « L’Année liturgique », Drei Gebete der Sekret, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Zum Abschluß der Messe folgen als bewegliche Teile noch das Gebet, das Communio genannt wird und die drei Gebete der Postcommunio:

25 « L’Année liturgique », 3. Gebet der Sekret oben, 3 Mal Postcommunio, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Hymnen und Gebete aus anderen Liturgien

Dom Prosper Guéranger wird passend zu den einzelnen Festen Hymnen und Gebeten aus anderen Liturgien vorstellen. Zum Donnerstag der Passionswoche wird er eine Hymne aus dem mozarabischen Brevier vorstellen – die übrigens seit dem 5. Jahrhundert von Rom durchgehend anerkannt blieb und bis heute gesungen wird:

26 « L’Année liturgique », mozarabisches Brevier, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Oder eine Sequenz, die man in Stundenbüchern des 16. Jahrhunderts findet – zu Ehren des heiligen Kreuzes und der Mutter Gottes:

27 « L’Année liturgique », Stundenbuch des 16. Jahrhunderts, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


In der Messe des heiligen Mittwochs die beeindruckende Praefatio aus dem ambrosianischen Meßbuch:

28 « L’Année liturgique », Praefatio des ambrosianischen Meßbuchs, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Dom Guéranger führt an den passenden Stellen Gebete und Hymnen an aus der mozarabischen, griechischen, der Kirche Frankreichs, aus verschiedenen Sakramentarien, aus römisch-fränkischen Missalen, aus dem Missale von Cluny, dem gallikanischen Sakramentarium, dem ambrosianischen etc etc

Triduum und die Tenebrae

Ab S. 338 schildert Dom Guéranger die besondere TrauerMatutin und Laudes, die an den drei Tagen morgens gesungen werden. Auch hier wieder bringt er ein tiefes spirituelles Verständnis der Gebet und Psalmen, die gesungen werden:

S. 480 unten: “David ist wieder, in diesem fünften Psalm, die Gestalt des Messias; aber dieser göttliche Gesang schließt einen Wesenszug ein, der einzig und allein auf Christus anwendbar ist; es ist die Stelle, wo der, der spricht, zu Gott sagt: „Du hast weder die Opfer noch die Gaben angenommen; da habe ich gesagt: Und hier komme ich, um deinen Willen zu tun.“

29 « L’Année liturgique », Tenebrae, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Die Karfreitagsgebete

30 « L’Année liturgique », Karfreitsgebete, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Alle Gebete des heiligen Freitags (Karfreitag) werden dargestellt, auch die Improperien. Wir wissen, daß auch sie seit Benedikt XVI. verändert wurden.

Osterfeier des heiligen Samstags (Ostersamstag)
Die Liturgie des heiligen Ostersamstags


Dom Guéranger stellt die Liturgie des heiligen Ostersamstags in der Ausgabe von 1869 auf 150 Seiten intensiv dar und er erklärt, wie die Feier seit dem 11. Jahrhundert von Samstagvormittag bis in den späten Samstagnachmittag hinein verläuft. Die 12 Prophezeiungen werden in ihrer Bedeutung erklärt. Die innere Chronologie, wie eine auf der anderen aufbaut; wie sie zusammenhängen.

31 « L’Année liturgique », Ostersamstag: 5 Körner 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Nach dem Exultet und der Osterpräfation steckt der Diakon fünf Weihrauchkörner in die Osterkerze.
Ein Einblick in die Weihe des Osterwassers zeigt die tiefe Spiritualität der Osterrituale: S. 688

“Nach diesen Worten, durch die der Bischof Gott bittet, daß er von den Wassern den Einfluß der bösen Geister fernhalten möge, die die ganze Schöpfung durchsetzen wollen, streckt er die Hand über das Wasser aus und berührt es (…):
Dieses heilige und unschuldige Geschöpf sei geschützt vor jedem Angriff des Feindes, gereinigt durch die Austreibung seiner ganzen Bosheit.
Sie sei eine Quelle des Lebens, ein wiederbelebendes Wasser, ein reinigender Brunnen.
Damit all diejenigen, die in diesem heilsamen Bad gewaschen werden,
durch die Wirkung des heiligen Geistes,
die Gnade einer vollkommenen Reinheit empfangen.

Indem er die folgenden Worte ausspricht, segnet der Bischof das Wasser des Brunnens drei Mal, wobei er über das Wasser das Zeichen des Kreuzes macht:
Ich segne dich, Geschöpf des Wassers,
durch den lebendigen Gott,
durch den wahrhaftigen Gott,
durch den heiligen Gott,
durch den Gott, der dich am Anfang von der Erde mit einem einzigen Wort trennte
und dessen Geist über dir schwebte.


32 « L’Année liturgique », Ostersamstag: Weihe des Wassers, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Weiter S. 690: “Der heilige Geist trägt einen Namen der bedeutet „Atem/Hauch“; er ist der göttliche „Atem/Hauch“, dieser heftige Wind, der zu hören war bei dem Mahl. Der Bischof drückt den göttlichen Charakter der dritten göttlichen Person aus, indem er drei Mal auf das Wasser des Brunnens in Kreuzform bläst; …“

33 « L’Année liturgique », Ostersamstag: Hauchen über das Wassers, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


Soit dit en passant – nebenbei gesagt: Alle Übersetzungen Dom Prosper Guérangers sind nun wortgetreu auf hohem Niveau!

Neben der Erläuterung vieler wichtiger Gebete und Zeremonien finden die Samstag-Osterfeierlichkeiten am späten Samstagnachmittag ihren Abschluß im feierlichen Magnifikat zu Ehren der Mutter Christi. Eine bedeutsame Tatsache: Die Mutter Gottes schließt die Osterfeier ab. S. 713 Mitte. Die Ostereier des Samstags hat nun den Spätnachmittag erreicht. Eine verkürzte Vesper schließt die Feierlichkeiten ab:

Das Magnifikat als Schlußpunkt der Osterfeierlichkeiten.

34 « L’Année liturgique », Ostersamstag: Magnifikat, 1869
(Bildquellen : siehe Textende unten)


“Man singt keinen anderen Psalm bei dieser Vesper und man läßt Capitel, Hymne und Verse aus, um sofort zum Magnifikat zu kommen: Antiphon des Magnificats:

„Nach dem Sabbat, bei dem ersten Licht des Tages der auf den Sabbat folgt,
besuchten Maria-Magdalena und die andere Maria das Grab.
Hallelujah.“


Der Zelebrant beweihräuchert den Altar während das Magnificat gesungen wird.

Magnificat anima mea Dominum,

Et exsultavit spiritus meus in Deo salvatore meo.
Quia respexit humilitatem ancillae suae.
Ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes.
(…)


Die Antiphon des Magnificats wird wiederholt.

„Nach dem Sabbat, bei dem ersten Licht des Tages der auf den Sabbat folgt,
besuchten Maria-Magdalena und die andere Maria das Grab.
Hallelujah.“


Die Ostermesse wird beschlossen mit dem Gebet der Postcommunio:

Gieße in uns, Herr, den Geist deiner Liebe, damit diejenigen, die von dir durch das österliche Mysterium ernährt wurden, künftig untereinander durch deine Hilfe vollkommene Eintracht bewahren.

Durch Jesus Christus, unseren Herrn.

Amen.“

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Gerne beantworte ich Fragen und lese Kommentare, die an mich persönlich gerichtet werden.
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Der Artikel zum Année liturgique Prosper Guérangers wird fortgesetzt:

Fortsetzung folgt - Folge II über die Liturgie, Teil 2 von 2

Anmerkungen:

[8] Abbaye de Solesmes : quelques moines illustres

[i] Zur Aussprache von Dom Prosper Guéranger hier: Prononciations pour Prosper Guéranger en Français

Aussprache Solesmes: Abtei/Abbaye St. Pierre de Solesmes hier : Prononciations pour Abbaye Saint-Pierre de Solesmes en Français

[ii] Papst Leo XIII. hat keine Änderungen am Meßbuch vorgenommen. Schon gar nicht die Leonischen Gebete eingeführt.
Papst Pius X. hat ebenfalls keine wesentlichen Änderungen am Meßbuch vorgenommen. Gewisse sinnvolle Änderungen betreffen die Anordnung der Sonntage und der Heiligenfeste, sind aber keine grundlegenden Veränderungen des Meßbuchs. Das sieht Mgr. Gamber auch so.
Papst Pius‘ X. Brevier ist noch das alte, nur die Verteilung der Psalmen ist geändert. Ich halte das für einen Fehler, der stört, besonders bei der Complet. Allerdings sind die Gründe, die ihn dazu geführt haben, einleuchtend: Es ging um eine leichte Reduzierung der Matines, die viele als zu umfangreich empfinden. Man kann dieses Brevier durchaus noch als das alte benutzen, wenn man der Completveränderung Rechnung trägt.
Mgr. Gambers Feststellung ist zweifellos richtig: „Der erste Papst, der eine wirkliche und reale Veränderung des Meßbuchs gebracht hat, war Pius XII. mit der Einführung der neuen Liturgie der Karwoche.“ Also 1951 bis 1956.
[iii] Missale Romanum ex decreto sacrosancti concilii tridentini restitutum S. PII V. Pontificis Maximi jussu editum Clementis VIII., Urbani VIII. et Leonis XIII
und:
Missale Romanum ex decreto Sacrosancti Concilii Tridentini restitutum S. Pii V Pontificis maximi, a Pio X Reformatum et Ssmi D.N. Benedicti XV.

[iv] Breviarium Romanum. Ex Decreto Sacrosancti Concilii Tridentini., Restitutum S. Pii V. Ponitifcis Maximi Jussu editum Clementis VIII., Urbani VIII. et Leonis XIII

Aber auch das Brevier von Pius X. entspricht inhaltlich im Wesentlichen noch dem alten. Erst mit dem neuen Brevier Pius‘ XII. von 1945 tritt ein echter Bruch ein.

Bildquellen und Rechte :

« L’Année liturgique », Prosper Guéranger, Verlag Oudin, 1869

Das Buch aus dem Jahre 1869 befindet sich im Privatbesitz des Verfassers dieses Beitrags.
Die Photographien wurden vom Verfasser erstellt. Benutzung nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verfassers: Nr 1 bis Nr 33 « L’Année liturgique », Prosper Guéranger, Verlag Oudin, 1869

[v] Nikolaus Gihr: Das heilige Meßopfer, 1877, S. 629 ff