Zweiter «Vatileaks»-Prozess: Ein (mildes) Urteil - und offene Fragen

(gloria.tv/ KNA) Der zweite «Vatileaks»-Prozess ist nicht mit dem von Verteidigung und Beobachtern erwarteten Freispruch zu Ende gegangen. Claudio Sciarpelletti (48), als Informatiker im Staatssekretariat für die Wartung der Computer zuständig, wurde zu einer Haftstrafe von vier Monaten verurteilt - wegen Behinderung und Irreführung der Justiz. Da er ohne Vorstrafe ist und mit der Justiz kooperierte, wurde das Strafmaß halbiert und zur Bewährung ausgesetzt. Von Johannes Schidelko (KNA).

Im Verfahren gegen Sciarpelletti ging es nicht um Komplizenschaft mit dem bereits verurteilten Paolo Gabriele (46), dem früheren Kammerdiener des Papstes, der vertrauliche Dokumente von dessen Schreibtisch entwendet und dem Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi zugespielt hatte. Schon als der Name des Informatikers in der Anklageschrift gegen den untreuen Butler überraschend auftauchte, hatte Vatikansprecher Federico Lombardi klargestellt, dass es in dem abgekoppelten Verfahren nicht um einen «zweiten Mann» gehe, sondern um Justizbehinderung im Umfeld der Suche nach dem Maulwurf.

Im Mittelpunkt des zweiten «Vatileaks»-Prozesses stand ein Briefumschlag, den die vatikanische Gendarmerie in Sciarpellettis Schreibtisch fand. Was genau draufstand, wie er dorthin gelangte und was sich darin befand, bleibt auch nach Prozess im Vagen. Die Aufschrift lautet offenbar «P. Gabriele - persönlich». Der Umschlag beinhaltete, so die Erkenntnisse des Prozesses, unterschiedlichstes Material: Emails, eine mit dem Tarnnamen Nuvola (Wolke), Computeranweisungen, aber auch eine Schmähschrift gegen Gendarmeriechef Domenico Giani mit dem Titel «Napoleon im Vatikan».

Die eigentliche Frage war, wie dieser Umschlag mit dem Stempel des vatikanischen Informationsbüros an den Informatiker kam. In seiner ersten Aussage nannte Sciarpelletti als Überbringer Gabriele, bei der nächsten Vernehmung gab er an, ihn vom Chef des Informationsbüros, Carlo Maria Polvani, erhalten zu haben - was nun diesen in die Bredouille brachte.

Zumindest hier sorgte der Prozess für Aufklärung. Polvani, Neffe des Nuntius Carlo Maria Vigano, dessen Versetzung aus dem vatikanischen Governatorat nach Washington offenbar die «Vatileaks»-Affäre ins Rollen gebracht hatte, beteuerte in einer emphatischen Zeugenaussage seine Unschuld, schwor feierlich «als Getaufter und als Priester».
Entlastet wurde er durch den ebenfalls als Zeugen benannten Gabriele. Er sagte aus, Sciarpelletti den Umschlag gegeben zu haben - ohne sich an Umstände oder Inhalt zu erinnern.

Und dann kam im Prozess noch ein zweiter mysteriöser Briefumschlag ins Spiel. Bei einer Zeugenbefragung fiel der Klarname des früheren stellvertretenden Vatikansprechers Piero Pennacchini - in der Anklageschrift als «X» bezeichnet -, der heute im Staatssekretariat tätig ist. Von ihm wollte der Informatiker ebenfalls einen Brief für Gabriele erhalten haben. Das Gericht wies den Vorgang als «irrelevant» zurück. Lombardi bezeichnete es als übliche Praxis, dass Sciarpelletti bei seinen Gängen durch den Vatikan-Palast Briefe an andere Dienststellen mitnahm.

Der zweite Prozess endete mit einer Verurteilung, aber er brachte wenig neue Erkenntnisse zu «Vatileaks». Sciarpelletti gilt nicht als Komplize Gabrieles und auch nicht als Teil einer Verschwörung, die das Vatikangericht bereits im Gabriele-Prozess vor sechs Wochen bestritten hatte. Freilich bleibt auch jetzt manches offen. Richter und Staatsanwalt hätten auch diesmal die Chancen zum Nachfragen nicht genug genutzt, meinten Prozessbeobachter.

Immerhin hat der Prozess einen Verdacht - gegen Polvini - als unbegründet erwiesen. Bereits der erste Prozess hatte den in Medienberichten aufgebrachten Verdacht gegen andere Personen, etwa gegen enge deutsche Mitarbeiter des Papstes, prinzipiell entkräftet.

Damals bezeichnete das Gericht Spekulationen über «die Existenz von Komplotten oder die Beteiligung anderer Personen» als «gegenstandslos». Freilich gehen die Nachforschungen in Sachen «Vatileaks» weiter, wie Lombardi bestätigte. Zudem ist der Bericht der drei Kardinal-Kommissare, die parallel zur Justiz ermittelten, immer noch unter Verschluss.
bennet
das ist ein kirchen-politisch gesteuerter prozess, in dem alles unter der tischdecke bleiben soll, was irgendwelche höhere bzw. einflussreichere personen im vatikan desavouieren könnte. das hat bereits der umgang mit den ergebnissen der vom papst eingesetzten kardinalskommission gezeigt. hier wird vertuscht und verzerrt "auf teufel komm raus" (im wahrsten sinne des wortes). der vatikan verpasst die …Mehr
das ist ein kirchen-politisch gesteuerter prozess, in dem alles unter der tischdecke bleiben soll, was irgendwelche höhere bzw. einflussreichere personen im vatikan desavouieren könnte. das hat bereits der umgang mit den ergebnissen der vom papst eingesetzten kardinalskommission gezeigt. hier wird vertuscht und verzerrt "auf teufel komm raus" (im wahrsten sinne des wortes). der vatikan verpasst die chance mit einem befreiungsschlag alle verdächtigungen und hintergehungen loszuwerden. stattdessen wird weiter vertuscht, verheimlicht und gelogen, dass sich die balken biegen.