Tina 13
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Kirche - Wahrheit - Dankbarkeit

Kirche - Wahrheit - Dankbarkeit

„… Tun wir den Schritt zu uns hin, zur Kirche. Die Kirche ist ja nach unserem Glauben das universal gewordene Israel, in dem nun alle durch den Herrn Abrahams Kinder werden. Das universal gewordene Israel, in dem der essentielle Kern des Gesetzes, frei von den Zufälligkeiten der Zeit und des Volkes, da ist: Dieser Kern ist einfach Christus selbst, die Liebe Gottes zu uns und unsere zu ihm und zu den Menschen. Er ist die lebendige Torah, er ist das Geschenk Gottes an uns, in dem wir nun alle Gottes Weisheit empfangen. Im Einssein mit Christus, im Mitgehen, Mitleben mit ihm lernen wir selber das rechte Menschsein; wird uns Weisheit, die Wahrheit ist; können wir leben und sterben, weil Er selbst das Leben und die Wahrheit ist.

So ziemt es sich für die Kirche, wie Israel dankbar, froh zu sein: „Welches Volk kann sagen, daß ihm Gott so nahe ist? Welches Volk hat dieses Geschenk empfangen?“ Wir haben es nicht gemacht: Es ist uns geschenkt. Freude und Dankbarkeit darüber, daß wir Ihn kennen dürfen, daß wir die Weisheit des rechten Lebens empfangen haben – das, was den Christen kennzeichnen sollte. Und in der Tat, in der frühen Christenheit war es so, dieses Befreitsein von dem Dunkel des Herumtastens, Nichtwissens: Was bin ich, wozu bin ich, wie muß ich gehen? Dieses Freigewordensein, Im-Licht-Stehen, In-der-Weite-der-Wahrheit-Stehen – das war das Grundbewußtsein. Dankbarkeit, die dann überstrahlte und die so die Menschen in der Kirche Jesu Christi vereinigte…

… Wenn zum Beispiel heute im Jakobusbrief steht: „Durch ein Wort der Wahrheit seid ihr gezeugt worden“ – wer wird von uns wagen, über die Wahrheit, die uns geschenkt ist, froh zu sein? Sofort steht die Frage auf: Wer kann denn die Wahrheit haben, das ist Intoleranz! Der Gedanke von Wahrheit und der von Intoleranz haben sich fast völlig miteinander verschmolzen, und so wagen wir gar nicht mehr, an Wahrheit zu glauben, von Wahrheit zu sprechen. Sie scheint fern zu sein, sie scheint etwas, das man lieber nicht in Anspruch nimmt. „Kein Mensch kann sagen: Ich habe die Wahrheit“, wird eingewandt – und richtig: Niemand kann die Wahrheit haben, die Wahrheit hat uns, sie ist etwas Lebendiges! Wir sind nicht ihre Besitzer, sondern wir sind von ihr ergriffen; nur wenn wir uns von ihr führen und treiben lassen, bleiben wir in ihr; nur wenn wir mit ihr und in ihr Pilger der Wahrheit sind, dann ist sie in uns und durch uns da. Ich glaube, das müssen wir wieder neu erlernen, dieses Nicht-Haben der Wahrheit. So wie kein Mensch sagen kann: „Ich habe Kinder“ – sie sind keine Habe, sie sind ein Geschenk, und sie sind uns als Gabe Gottes aufgetragen –, so können wir nicht sagen: „Ich habe die Wahrheit.“ Aber die Wahrheit ist zu uns gekommen und drängt uns. Wir müssen lernen, uns von ihr treiben zu lassen, uns von ihr führen zu lassen. Dann wird sie auch wieder leuchten: wenn sie uns selber führt und durchdringt…“

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V Der Herr sei mit euch.
A Und mit deinem Geiste.
V Es segne euch der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.
A Amen.

(Text: Papst Benedikt, Predigt zum Abschluss der Begegnung mit dem „Ratzinger-Schülerkreis“, 02.09.2012,)
Tina 13
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