Tina 13
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Von der Nachfolge Christi - Thomas von Kempen

KAPITEL 1
Von der Nachfolge Christi
1. Christi Leben will betrachtet sein.
2. Christi Lehre will gelebt sein.
3. Die Welt will durchschaut und überwunden sein.

1. Wer mir nachfolgt, wandelt nicht im Dunkel, spricht der Herr (Joh 8, 12). Das sind Worte Christi. Sie spornen uns an, sein Leben und seinen Wandel nachzuahmen, wenn wir wahrhaft erleuchtet und von aller Blindheit des Herzens befreit werden möchten. Unsere höchste Aufgabe sei die Betrachtung des Lebens Jesu Christi.

2. Die Lehre Christi übertrifft alle Lehren der Heiligen. Wer den Geist besitzt, findet in ihr verborgenes Himmelsbrot. Doch es ist nun einmal so: Viele hören die Frohbotschaft oft, spüren aber nur geringe Sehnsucht nach dem Evangelium. Es fehlt ihnen der Christusgeist (vgl. Röm 8, 9). Wer Christi Worte ganz verstehen und verkosten will, muß bestrebt sein, sein ganzes Leben ihm gleichzuformen. Was nützt es dir, tiefgründig über die Dreieinigkeit zu reden, wenn dir die Demut fehlt? Ohne sie mißfällst du der Dreieinigkeit. Wahrlich, gelehrte Worte machen nicht den Heiligen und Gerechten. Das tut allein ein tugendhaftes Leben. Das macht dich Gott
teuer. Lieber möchte ich den Schmerz der Reue spüren, als ihre Definition kennen. Wenn du die ganze Bibel auswendig wüßtest und kenntest dich in allen Lehren der Weltweisen aus, was hättest du davon ohne die Gottesliebe und die Gnade?

3. ,,O Eitelkeit aller Eitelkeiten! Alles ist eitel", außer Gott lieben und ihm allein dienen (Koh 1, 2). Das ist die höchste Weisheit: Die Welt gering zu werten! und dadurch nach dem Reiche der Himmel zu streben. Eitel ist es, vergängliche Reichtümer zu suchen und auf sie seine Hoffnungen zu setzen. Eitel ist es, nach Ehrungen zu verlangen und angesehene Stellungen anzustreben. Eitel ist es, den Trieben des Leibes nachzugeben und zu begehren, was später schwere Strafe nach sich zieht. Eitel ist es, sich ein langes Leben zu wünschen und sich um ein gutes Leben kaum zu bemühen. Eitel ist es, nur auf das gegenwärtige Leben zu achten und für die Zukunft kein Auge zu haben. Eitel ist es, zu lieben, was eilenden Fluges vorüberzieht, statt schleunigst dorthin zu eilen, wo ewige Freude wohnt. Denke oft an jenes Sprichwort: "Das Auge wird nicht satt vom Sehen, das Ohr nicht satt vom Hören" (Koh 1, 8). Sei also darauf bedacht, dein Herz von der Liebe zum Sichtbaren zu lösen und dich zum Unsichtbaren zu erheben. Denn die den Eindrücken der Sinne folgen, beflecken das Gewissen und verlieren Gottes Gnade.

KAPITEL 2
Sich selbst demütig einschätzen
1. Echtes Wissen macht demütig.
2. Reiches Wissen bringt Verantwortung.
3. Tiefes Wissen führt zur Menschenachtung.

1. "Jeder Mensch hat einen natürlichen Wissensdrang", aber was bringt die Wissenschaft schon ein ohne die Gottesfurcht? Besser ist ein demütiger Landmann, der Gott dient, als ein stolzer Philosoph, der den Lauf der Gestirne studiert, sich selbst aber vergißt. Wer sich selbst gut durchschaut, hält sich nicht für einen wertvollen Menschen und erfreut sich nicht am Lobe der Menschen. Wenn ich alles wüßte, was es in der Welt gibt, lebte ich aber nicht in der Liebe, was nützte es mir vor Gott, der mich nach meinen Werken richten wird? Mäßige die übergroße Wißbegier, sie lenkt dich zu stark ab, sie täuscht dich. Die viel wissen, wollen gerne beachtet und als Weise tituliert werden.

2. Es gibt vieles, das zu wissen der Seele wenig oder gar nichts nützt. Sehr unklug ist, wer anderen Dingen nachgeht, statt solchen, die seinem Heile dienen. Viele Worte sättigen die Seele nicht. Das gute Leben aber ist eine Labe für den Geist und das reine Gewissen eine Quelle großen Gottvertrauens. Je umfassender und gründlicher dein Wissen ist, desto schwerer wiegt deine Verantwortung, wenn dein Leben nicht um so heiliger war. Brüste dich also nicht mit irgendeiner Kunst oder Wissenschaft, fürchte dich vielmehr wegen der dir verliehenen Einsicht. Wenn du meinst, vieles zu wissen und es recht gut zu verstehen, so bedenke, daß es noch weit mehr gibt, was du nicht weißt.

3. "Sei nicht überheblich" (Röm 11,20; 12, 16), gestehe lieber deine Unwissenheit. Warum willst du dich anderen vorziehen, da es doch viele gibt, die gelehrter und gesetzeskundiger sind als du? Willst du etwas Nutzbringendes wissen oder lernen, so liebe es, unbekannt zu sein und für nichts gehalten zu werden. Das ist die tiefste und nützlichste Wissenschaft: sich selbst richtig zu erkennen und gering zu achten. Das ist hohe Weisheit und Vollkommenheit: von sich selber nichts zu halten und von andern immer eine edle, gute Meinung zu haben. Siehst du jemanden offenkundig sündigen und sich schwer vergehen, du dürftest dich dennoch nicht für besser halten. Denn du weißt nicht, wie lange du im Guten verharrst. Wir alle sind gebrechlich, aber halte keinen für hinfälliger als dich selbst.

KAPITEL 3
Die Lehre der Wahrheit
1. Gott erkennen geht über alles Fachwissen.
2. Im Lichte des ewigen Wortes (Christi) erkenne ich die Wahrheit um Welt und
Leben.
3. Der gesammelte Geist, der sich beherrscht, erkennt leichter.
4. Der demütige Geist erfaßt am tiefsten.
5. Mein Wissen im Lichte des Jüngsten Gerichtes.
6. Das wahrhaft große Wissen.

1. Glücklich, den die Wahrheit (Gott) selbst belehrt, nicht durch vergängliche Zeichen und Worte, sondern in ihrem Wesen. Unser Denken und unser Sinn täuschen uns oft und nehmen wenig wahr. Was nützt das lange Reden über verborgene und dunkle Dinge? Wir werden ihretwegen nicht zur Rechenschaft gezogen, wenn wir sie etwa nicht gekannt haben. O große Torheit, das Nützliche und Notwendige zu übergehen, um Dingen nachzugehen, die nur der Neugier dienen und Schaden anrichten! "Wir haben Augen und sehen nicht" (Jer 5,21 und Ps 115,5). Was kümmern wir uns um Gattungen und Arten? Zu wem das ewige Wort (Gott) spricht, der bleibt vor vielen falschen Ansichten bewahrt.

2. Aus einem Worte (Gottes) stammen alle Dinge, und von einem Worte reden alle Dinge, und das ist "der Anfang, der auch zu uns redet" (Joh 8, 25). Ohne ihn kommt keiner zur Einsicht, hat keiner ein rechtes Urteil. Wem alles das Eine ist, wer alles auf das Eine bezieht und alles in dem Einen schaut, dessen Herz kann festen Stand haben und dauernd im Frieden Gottes leben. O Wahrheit Gott, mach mich eins mit dir in ewiger Liebe! Ich bin des vielen Lesens und Hörens oft so überdrüssig. In dir ist alles, was ich suche und ersehne. Schweigen mögen alle Lehrer, verstummen alle Geschöpfe vor deinem Angesichte. Sprich du allein zu mir!

3. Je mehr einer mit sich selbst eins geworden ist, je einfacher er in seinem Inneren geworden ist, desto mehr und desto Höheres erkennt er ohne Mühe, weil er von oben her das Licht der Erkenntnis empfängt. Ein lauterer, gerader und beharrlicher Geist verliert beim Hochbetrieb nicht seine Sammlung, weil er alles zur Ehre Gottes tut und bestrebt ist, in Ruhe alle Eigensucht auszuschalten. Wer behindert und belästigt dich mehr als die unertötete Begier deines Herzens? Der gute, fromme Mensch überdenkt zuerst in seinem Inneren die Werke, die er nach außen zustande bringen muß. Darum ziehen ihn die Arbeiten auch nicht ins Sündhafte und Triebhafte, vielmehr gibt er selber den Neigungen die dem Urteil der gesunden Vernunft entsprechende Richtung. Wer hat einen härteren Kampf zu kämpfen, als wer sich selbst zu besiegen trachtet?
Und gerade das sollte unser Grundanliegen sein: uns selbst zu besiegen, täglich in der Selbstbeherrschung zu wachsen und so im Guten irgendeinen Fortschritt zu machen.

4. Allem Vollkommenen haftet in diesem Leben Unvollkommenes an, und all unser Denken ist nicht frei von einem gewissen Dunkel. Die demütige Selbsterkenntnis geleitet dich sicherer zu Gott als die tiefe wissenschaftliche Forschung. Die 4 Wissenschaft verdient keinen Tadel, auch nicht das schlichte Wissen um die Dinge. Diese sind in sich betrachtet gut und gehören der göttlichen Ordnung an. Aber ein gutes Gewissen und ein Leben der Tugend verdienen immer den Vorzug. Weil jedoch die meisten mehr auf das Wissen als auf ein tugendhaftes Leben bedacht sind, geraten sie oft in die Irre und zeitigen fast keine oder nur geringe Frucht. Wenn sie doch ebensoviel Fleiß aufbrächten, ihre Fehler auszurotten und Tugenden einzupflanzen, als gelehrte Fragen aufzuwerfen, es gäbe nicht so große Mißstände und Ärgernisse im Volke und nicht so viel Zerfall in den Klöstern.

5. Bestimmt werden wir am kommenden Gerichtstage nicht gefragt werden, was wir gelesen, sondern was wir getan haben, und nicht, wie schön wir geredet, sondern wie gut wir gelebt. haben. Sage mir: Wo sind denn alle jene Herren und Meister, jene Leuchten der Wissenschaft, die du, als sie noch lebten, so gut gekannt hast? Schon sitzen andere auf ihren Pfründen, und ich weiß nicht, ob diese ihrer noch gedenken. Zu ihrer Zeit schienen sie etwas zu bedeuten, und nun ist es still um sie geworden. Wie schnell verrauscht der Ruhm dieser Welt! Hätte doch ihr Leben zu ihrer Gelehrsamkeit gepaßt, dann hätten sie gut studiert und gelehrt.

6. Wieviele gehen in dieser Welt an ihrem eitlen Wissen zugrunde! Sie kümmern sich zu wenig um den Dienst Gottes. Sie wollen lieber bedeutend als demütig sein; darum "schwinden sie dahin samt ihrem Denken" (Röm 1,21). Wahrhaft groß ist, wer große Liebe hat. Wahrhaft groß ist, wer in seinen eigenen Augen klein ist und alle Ehrenbezeugungen für nichts achtet. Wahrhaft klug ist, wer "alles Irdische für Unrat hält, um Christus zu gewinnen" (Phil 3,8). Ein wirklicher Gelehrter ist, wer Gottes Willen tut und auf seinen eigenen Willen verzichtet.
Tina 13
„Ein wirklicher Gelehrter ist, wer Gottes Willen tut und auf seinen eigenen Willen verzichtet.„
Tina 13
😇
2 weitere Kommentare von Tina 13
Tina 13
„Christi Worte ganz verstehen und verkosten will, muß bestrebt sein, sein ganzes Leben ihm gleichzuformen.“
Tina 13
Text muss ich noch formatieren, sorry, mach ich dann später am Rechner, ist mobil etwas schwierig, da hat sich wohl bei kopieren etwas Text zerbröselt.