„Wie Facebook im Auftrag der Bundesregierung die Demokratie bekämpft – eine Insiderin packt aus„
„Nachrichten, „die die Nutzer nur verwirren“, wurden gelöscht“
„Die Nazis (AfD) dürfen nicht wieder an die Macht kommen“
„Wir wurden angefeuert, immer noch mehr zu löschen„
„Es gab Einpeitscher wie auf einer römischen Galeere“
„Zum Lesen blieb vor dem Löschen gar keine Zeit“
„Es gibt schwarze Listen“
Hanno Vollenweider: Du sagtest vorhin, ihr hattet eine Liste mit Hass-News-Seiten. Was waren da für Internetseiten drauf und wie haben die sich sagen wir mal, ‚qualifiziert‘, um auf diese Liste zu kommen?
Melanie C.: Da waren eine Menge Seiten aus dem In- und Ausland drauf. Mit Sicherheit 300 Stück oder mehr. Das waren Seiten wie PI-News, Philosophia Perennis oder eure Seite DieUnbestechlichen. Aber auch viele so kleinere Blogs von irgendwelchen Leuten. Viele ausländische Seiten auch. Also überwiegend Seiten, die kritisch über die Regierung oder zum Beispiel Flüchtlinge und Kriminalität von Flüchtlingen und Ausländern berichten.
„Vor der Bundestagswahl sollte jede Kritik am Regierungskurs gelöscht werden„
Oft versuchten wir die Leute durch permanente Schikane wegzumobben
Hanno Vollenweider: Ihr habt also permanent diese ganzen Nachrichten gelöscht. Das muss ja eine unglaubliche Arbeit gewesen sein, bei Millionen von Usern, die immer wieder dieselbe Nachricht posten.
Melanie C.: Das wenigste wird wirklich gelöscht. Ich habe auch mal gefragt, warum wir die Leute, die diese Sachen immer und immer wieder auf Facebook stellen, nicht einfach rauswerfen. Aber man hat mir gesagt, das ginge nicht. Es sind einfach zu viele Leute und es würde dann doch so direkt nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar sein, wenn man diese ganzen Leute einfach abwürgt.
Wir hatten eine Liste mit mehreren tausend Nutzern, die durch das mehrfache Posten von extremen Inhalten aufgefallen waren. Wir haben dann diese Leute versucht, sehr aktiv einfach – ich nenne es mal „wegzumobben“, indem wir denen immer wieder das Konto gesperrt haben oder Funktionen eingeschränkt wurden, dass sie z.B. mal für 30 Tage gesperrt waren oder 7 Tage nichts mehr posten konnten. Klar, die ganz heftigen konnten wir schon löschen, weil sie ja dann gegen die Facebook-Bestimmungen verstoßen hatten. Aber bei denen, die eigentlich nichts Verbotenes posten, sondern nur Sachen, die halt rechts sind, haben wir eben diese Methoden aufgefahren. Das war in sehr vielen Fällen auch von Erfolg gekrönt. Über die Hälfte der vorübergehend gesperrten Profile – so hat man mir das zumindest gesagt – haben dann keinen Ausweis eingeschickt, um wieder entsperrt zu werden, und haben die dann wohl einfach aufgegeben.
Und dann gibt es noch den Shadowban, die subtile Art der Zensur
Ja, und dann gab es die ganz hartnäckigen User, die Gruppen von AfD-lern, diesen Patrioten, Reichsbürgern und wie sie alle heißen, und die Fan-Seiten, die manche Blogs auf Facebook betreiben und auf denen sie ihre eigenen Beiträge posten. Bei denen hilft dann nur noch ihre Posts für andere nicht mehr sichtbar zu machen, sowas haben wir – das hattest du ja auch gefragt – auch ganz allgemein bei Beiträgen von manchen vermeintlichen Fake-News-Internetseiten gemacht, bei euch zum Beispiel auch.
Hanno Vollenweider: Also ein sogenannter Shadowban, bei dem man zwar als User einen Beitrag auf sein Profil oder in eine Gruppen stellen kann, der dann aber in den Timelines der anderen User, also Freunden oder Leuten, die mit einem in der gleichen Gruppe sind, nicht auftaucht, wie es normalerweise üblich und sinngemäß wäre. Bzw. Beiträge, die man nur sehen kann, wenn man gezielt danach sucht. Ist das so gemeint?
Melanie C.: Ja, so ungefähr funktioniert das.
Hanno Vollenweider: Aber das ist ja Zensur! Sogar auf die schlimmste Art und Weise. Immerhin suggeriert man damit den Leuten, sie hätten eine freie Meinung und könnten diese auch kundtun. Dabei sieht sie niemand. Ich möchte jetzt dazu sagen, dass wir sowas schon geahnt haben, denn bei uns ist die Klick-Rate derer, die von Facebook auf unseren Blog kommen, um über 90 Prozent zurückgegangen. Bei Blogger-Kollegen wie David Berger ist es nach seiner Aussage noch schlimmer.
Viele kritische Blogger sind sogar ganz entsorgt worden, habe ich gesehen. Oder man hat sie wegen irgendwelchem Mumpitz schikaniert. Jürgen Fritz ist das so gegangen. Und Anabelle Schunke, soweit ich weiß. Auch unserem Autor Garwin Weißenstein ist nach einem islamkritischen Beitrag einfach sein Profil gelöscht worden. Wir blenden dazu hier den Link zu der Seite ein, auf der der bekannte Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel einen Haufen Fälle in diese Richtung gesammelt hat (
steinhoefel.de). Aber jetzt mal ehrlich, habt ihr euch da keine Gedanken gemacht, ihr könntet sowas werden wie eine neue Internet-Stasi?
Mehr als drei Viertel der gelöschten Sachen waren gar keine Fake-News
Melanie C.: Zum Ende hin ja. Also zumindest ich. Ich konnte das auch nicht mehr. Wenn ich das Thema aber angeschnitten habe, dann bin ich entweder von den Kollegen angegangen worden oder man hat mir erklärt, dass Facebook ein privates Unternehmen sei und machen könne, was es wolle. Außerdem war da ja das NetzDG schon so gut wie beschlossene Sache, und man hat mir erklärt, Facebook müsse so handeln, weil es sonst riesige Strafen von der Regierung bekommen würde und es Facebook dann vielleicht in Deutschland nicht mehr gibt oder so.
Ich muss das vielleicht so erklären, ich war da mehr oder weniger nur von jungen Männern umgeben, die das alles, was wir da gemacht haben, total unterstützten. Viele von denen sind politisch aktiv, und in manchen Raucherpausen ist der ein oder andere sogar richtig aggressiv geworden, wenn es um aktuelle News oder die AfD oder so ging. Dann sind da Sprüche gefallen, die hätte ich von Nazis erwartet, aber nicht von Leuten, die ich am Anfang für normal gehalten habe.
Mir sind viele der Sachen, die wir zensieren mussten, auch am Abend noch durch den Kopf gegangen. Dann habe ich angefangen zu recherchieren. Ich bin selber auf „DieUnbestechlichen“, „JournalistenWatch“, „Opposition24“ – und wie sie alle heißen gegangen – und habe die Sachen nachrecherchiert. Zu mehr als drei Viertel der Artikel habe ich Beweise gefunden, dass das keine Fake-News sind.
Im Nachhinein ist mir, als hätte ich Menschen manipuliert und betrogen
juergenfritz.com/2017/10/20/facebook-insiderin-packt-aus/