Gerti Harzl
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Prälat Holböck [1913-2002]: Flüchten wir uns unter den Mantel der "Mutter der Barmherzigkeit“

Ergänzender Beitrag [6] zu: Sr. Faustina Kowalska, eine Heilige der nachkonziliaren Kirche Die Barmherzigkeit Gottes. (Predigt)- Sonntag der Barmherzigkeit ist heute, und wer das heutige Sonntagsevangelium aufmerksam angehört hat und ein wenig dabei bedacht hat, wie gütig der auferstandene Herr sich dem ungläubigen Thomas gegenüber verhalten hat, weiß auch schon, wie die Barmherzigkeit den Sündern gegenüber eine der schönsten und tröstlichsten Eigenschaften des göttlichen Heilands ist: kein Wort des Tadels oder gar der Verurteilung gegenüber diesem Apostel, sondern das gütige Eingehen auf seine freche Forderung, in das geöffnete Herz Jesu die Hand hineinlegen zu dürfen. Und dann nur die Mahnung: "Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!"

Es ist etwas geheimnisvoll Rätselhaftes um die Barmherzigkeit Gottes dem kleinen, sündigen Menschen gegenüber, der es gewagt hat, sich frech gegen Gott aufzulehnen in der Sünde! Gott, der unendlich Große, Erhabene, Heilige, lässt seine Größe aufgehen im Erbarmen und stellt seine Allmacht am liebsten in den Dienst der Barmherzigkeit. Er neigt sich aus seiner unendlichen Höhe am liebsten ins tiefste Tal der menschlichen Not. Aber das Erstaunlichste ist dabei, dass Gott sogar und erst recht seinen Feinden, seinen Beleidigern Barmherzigkeit erweist: "So wahr ich lebe, Spruch des Herrn, ich habe kein Wohlgefallen am Tod des Gottlosen, sondern daran, dass er sich von seinen Wegen bekehre und lebe." (Ez 33,11) "Das Mitleid des Menschen erstreckt sich nur auf seinen Nächsten, das Erbarmen des Herrn aber auf alles Fleisch." So heißt es im Buch Jesus Sirach (18,12). In der ersten Enzyklika des ersten Papstes, im 1 Petrusbrief 1,3 heißt es: "Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns in seiner großen Barmherzigkeit durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten wiedergeboren hat zu lebendiger Hoffnung, zu einem unvergänglichen und unverwelklichen Erbe, das im Himmel für uns aufbewahrt ist!"

Da kommt mir unwillkürlich die schönste und wärmste unter den sechs Enzykliken des gegenwärtigen Papstes in den Sinn, die mit den lateinischen Worten beginnt: "Dives in misericordia" ("Überreich an Barmherzigkeit"). Das ist noch keinem der vorausgehenden Päpste in den Sinn gekommen, eine Enzyklika mit ausführlichen Darlegungen über die Barmherzigkeit Gottes zu schreiben und in die Welt hinauszusenden.

Wie kam Papst Johannes Paul II. auf diesen Gedanken? Ganz sicher ist er dazu angeregt worden durch eine Ordensschwester, für deren Seligsprechung er, noch als Kardinalerzbischof von Krakau den Seligsprechungsprozess eingeleitet hat. Es ist die 33jährig im Kloster Lagieniki bei Krakau 1938 gestorbene Sr. Faustina Kowalska. In das mystisch begnadete Leben dieser Schwester und in die ihr zuteil gewordenen Offenbarungen muss damals Kardinal Wojtyla tief eingedrungen sein. Diese Schwester Faustina empfing der Reihe nach immer deutlicher ungemein tröstliche Offenbarungen speziell über die Barmherzigkeit Gottes. Was der Herr dieser Schwester über die Barmherzigkeit Gottes geoffenbart hat, ist stellenweise so ergreifend, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt. Der Heiland hat diese Schwester als Botin der göttlichen Barmherzigkeit berufen und ihr zuletzt auch noch aufgetragen, ein Bild von ihm malen zu lassen. Dabei sagte er: "Ich verspreche, dass jene Seelen, die dieses Bild verehren, nicht verlorengehen werden. Ich verspreche ihnen schon hier auf Erden den Sieg über die Feinde, vor allem in der Todesstunde. Ich, der Herr, werde diese Seelen beschützen wie meine Ehre. Die Strahlen auf diesem meinem Bild bedeuten Blut und Wasser, die aus den Tiefen meiner Barmherzigkeit hervorbrachen, als mein brechendes Herz am Kreuz von der Lanze durchbohrt wurde ..."

Christus empfahl der Sr. Faustina auch die Verbreitung einer besonderen Art des Rosenkranzgebetes, den sogenannten "Rosenkranz der Barmherzigkeit" mit dem dabei auf den großen Perlen zu verrichtenden Aufopferungsgebet: "Ewiger Vater„ ich opfere Dir auf den Leib und das Blut, die Seele und die Gottheit Deines über alles geliebten Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, um Verzeihung für unsere Sünden und für die Sünden der ganzen Welt zu erlangen."

Schließlich sagte Christus zu Sr. Faustina: "Meine Tochter, sprich zur ganzen Welt über meine unergründliche Barmherzigkeit! Ich wünsche, dass das Fest der göttlichen Barmherzigkeit die Zuflucht aller Seelen, vor allem aller Sünder wird. An diesem Tag wird sich die ganze Fülle meiner Barmherzigkeit über die Seelen ergießen. Ich werde ein ganzes Meer von Gnaden auf jene Seelen ausgießen, die sich dieser Quelle nähern. Wer an diesem Tag beichtet und kommuniziert, erlangt völlige Vergebung seiner Sünden und Sündenstrafen. Niemand soll Angst haben, zu Mir zu kommen, auch wenn seine Sünden die verwerflichsten wären. Ich wünsche, dass dieses Fest der göttlichen Barmherzigkeit am ersten Sonntag nach Ostern feierlich begangen wird...Ich wünsche, dass die Priester diese meine große Barmherzigkeit den sündigen Seelen verkünden. Ich kann auch den größten Sünder nicht bestrafen, wenn er Mich bei Meiner Barmherzigkeit anruft, Ich verzeihe ihm in unendlicher, unerforschlicher Barmherzigkeit."

Vieles müsste man hier noch aus den Offenbarungen, die der Heiland der Sr. Faustina gegenüber gemacht hat, erwähnen. Aber eigentlich hätte es all diese Offenbarungen über die Barmherzigkeit Gottes, wie sie Sr. Faustina zuteil geworden sind, gar nicht gebraucht, man hätte nur die Evangelien aufmerksamer lesen müssen, dann hätte jeder gläubige Christ erfahren, wie Christus in seinem öffentlichen Lehren das Volk gar oft auf die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters und auf seine eigene abgrundtiefe Barmherzigkeit hingewiesen hat. Denken wir nur daran, wie die schönsten Gleichnisse Jesu Gottes Barmherzigkeit zum Thema haben; etwa das Gleichnis vom barmherzigen Samariter oder das Gleichnis vom verlorenen Sohn, das man mit vollem Recht auch das Gleichnis vom barmherzigen Vater-Gott nennen könnte, wo doch in diesem Gleichnis der Vater nach dem verlorenen Sohn sehnsuchtsvoll Ausschau hält, auf ihn wartet, ihn dann, als er endlich heimgefunden hatte, liebevoll nachsichtig in die Arme schloss und den wieder in seine vollen Sohnesrechte einsetzte, der mit Recht wegen seiner erbärmlichen Undankbarkeit und Schlechtigkeit hatte erklären müssen: "Vater, ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen, denn ich habe gegen dich und den Himmel so furchtbar gesündigt..."

Aus seiner unendlichen Barmherzigkeit heraus hat Gott Vater seinen Sohn dahingegeben, dass er uns durch seinen Sühnetod am Kreuze entsühne und erlöse. Jesu Sünderliebe bis in den Tod am Kreuze ist der Ausfluss der göttlichen Barmherzigkeit. Wir können sagen: Jesus Christus ist insgesamt in seinem Wesen, in seinem Lehren und Wirken, erst recht in seinem Leiden und Sterben die Inkarnation der Barmherzigkeit Gottes, also die menschgewordene göttliche Barmherzigkeit.

Dazu kommt noch, dass uns Christus vom Kreuz herab seine jungfräuliche Mutter als "Mutter der Barmherzigkeit" geschenkt hat.

Im Leben des hl. Odo von Cluny (+ 942) wird u.a. von einem Räuber erzählt, der sich bekehrt hatte und Mönch geworden war. Vor seinem Tod erschien ihm eine überaus schöne Frau, die ihn fragte, ob er sie kenne. Als er dies verneinte, sagte sie zu ihm: "Ich bin die Mutter der Barmherzigkeit, die dir zur Bekehrung verholfen hat.“ Dann kündigte sie ihm seinen nahe bevorstehenden seligen Heimgang an. Der zum Mönch gewordene einstige Räuber berichtete noch unmittelbar vor seinem Sterben seinem Abt, dem hl. Odo, von dieser Marien-Erscheinung. Seit dieser Zeit war es die Gewohnheit des hl. Abtes Odo, die seligste Jungfrau Maria als "Mutter der Barmherzigkeit" zu bezeichnen und als solche immer anzurufen. Dieser Titel für Maria verbreitete sich dann von Reformkloster Cluny aus über die ganze abendländische Christenheit bis hinein in das bekannte Mariengebet: "Sei gegrüßt„ o Königin„ Mutter der Barmherzigkeit!“...

Es stellt sich hier die Frage: Ist unter der "Mutter der Barmherzigkeit“ die selbst ungemein "barmherzige Mutter" Maria gemeint, oder nur die "Mutter Christi, der die Barmherzigkeit selber ist"? Und die Antwort lautet: Beides ist richtig: Maria ist selbst ungemein barmherzig gegenüber all ihren Kindern, vor allem gegenüber den Sündern, die in Gefahr sind, auf ewig verloren zu gehen. Und Maria ist Mutter Christi, der die Verkörperung der Barmherzigkeit Gottes, die menschgewordene Barmherzigkeit Gottes ist. Beim Propheten Jesaia(49,19) fragt der unendlich barmherzige Gott: "Kann denn eine Frau Ihr Kind vergessen„ dass sie sich des Sohnes ihres Schoßes nicht mehr erbarmte? Und wenn sie es vergessen könnte, Ich werde dich nie vergessen!"

Denken wir hier bei der trostvollen Wahrheit von der Barmherzigkeit Gottes zuletzt aber auch an das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht, dem der Herr eine Riesenschuld erlassen hatte, der aber seinem Mitknecht gegenüber so hartherzig und unbarmherzig war, sodass sich dann die Barmherzigkeit des Herrn in strafende, strenge Gerechtigkeit wandelte. Der Herr gab darum an Schluss des Gleichnisses die Mahnung: "Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist!" Eine der Seligpreisungen des Herrn in seiner Bergpredigt lautet bekanntlich: "Selig die Barmherzigen, sie werden Barmherzigkeit erlangen."

Zuletzt möchte ich unseren Hl. Vater, Papst Johannes Paul II. aus seiner Enzyklika "Dives in misericordia" über die Barmherzigkeit Gottes noch zu Wort kommen lassen. Nachdem er am Ostergeheimnis des Leidens, Sterbens und Auferstehens Jesu die Barmherzigkeit Gottes aufgezeigt hat, schreibt der Papst: "Der österliche Christus ist die endgültige Inkarnation der Barmherzigkeit Gottes, deren lebendiges, heilsgeschichtliches und zugleich endzeitliches Zeichen. In diesem Geist legt uns die Liturgie der Osterzeit den Psalmvers auf die Lippen: 'Die Erbarmungen des Herrn will ich ewig besingen.' In diesen österlichen Worten der Kirchen klingen - in der Fülle ihres prophetischen Gehalts - die Worte Mariens nach, die sie bei der Begegnung mit Elisabeth, der Frau des Zacharias, gesprochen hatte: 'Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht.' Diese Worte eröffnen schon beim Morgenrot der Menschwerdung eine neue Perspektive der Heilsgeschichte. Nach der Auferstehung Christi wird diese Perspektive - geschichtlich und endzeitlich gesehen - neu lebendig. Seither lösen in immer größeren Dimensionen immer neue Geschlechter der riesigen Menschheitsfamilie einander ab; und auch im Volk Gottes folgen einander neue Geschlechter, welche die Male des Kreuzes und der Auferstehung tragen, das Siegel des Ostergeheimnisses Christi, der absoluten Offenbarung jenes Erbarmens, das Maria auf der Schwelle des Hauses ihrer Verwandten gepriesen hat: 'Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht.'

Maria hat auch auf besondere und außerordentliche Weise - wie sonst niemand - das Erbarmen Gottes erfahren und ebenso auf außerordentliche Weise mit dem Opfer des Herzens ihre Teilnahme an der Offenbarung des göttlichen Erbarmens möglich gemacht ... Maria kennt am tiefsten das Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit. Sie kennt auch den Preis des göttlichen Erbarmens und weiß, wie hoch er ist."


Ja, flüchten wir uns unter den Mantel der "Mutter der Barmherzigkeit“, auf dass sie uns arme Sünder und alle, die uns lieb und teuer sind, bewahre vor dem Missbrauch der Barmherzigkeit Gottes in vermessentlichem Vertrauen in sie.

Maria möge uns schließlich bewahren vor dem unendlich gerechten Gericht Gottes. denn - so schreibt der Apostel Jakobus (2,13) ein "erbarmungsloses Gericht wird über den ergehen, der kein Erbarmen gezeigt hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht.“ Amen.

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Quelle: Mit Dank für die Zur-Verfügungstellung "In Memoriam Prälat Dr. Ferdinand Holböck" auf der Homepage www.praelat-holboeck.at/…/Die Barmherzigk…, von der ich diese Predigt hochgeladen habe in der Annahme, dass dies der Intention des Verfassers entspricht, sie so viel wie möglich zu verbreiten. Einige kleine Tippfehler wurden von mir ausgebessert. gh. Siehe auch die Startseite www.praelat-holboeck.at

Bildquelle: katholisch-informiert.ch
Gerti Harzl
Prälat Holböck: "Ja, flüchten wir uns unter den Mantel der 'Mutter der Barmherzigkeit', auf dass sie uns arme Sünder und alle, die uns lieb und teuer sind, bewahre vor dem Missbrauch der Barmherzigkeit Gottes in vermessentlichem Vertrauen in sie."
Gerti Harzl
Prälat Holböck: "Diese Schwester Faustina empfing der Reihe nach immer deutlicher ungemein tröstliche Offenbarungen speziell über die Barmherzigkeit Gottes. Was der Herr dieser Schwester über die Barmherzigkeit Gottes geoffenbart hat, ist stellenweise so ergreifend, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt. "
Ein weiterer Kommentar von Gerti Harzl
Gerti Harzl
Mich hat es berührt, dass sich nach dem Ableben eines Priesters jemand (Dr. Rainer Hangler, Kontaktperson laut Homepage) so engagiert dafür einsetzt, dass sein geistiges Schaffen weiterhin im Internet abrufbar ist. Das würde sich bestimmt so mancher schon alte, gebrechliche Priester wünschen, dass man seinen Nachlass in einer solchen Weise betreut.
Josef O.
Diesem Beitrag muss ich schon wegen Prälat Ferdinand Holböck ein Like geben. Es waren zu einem großen Teil seine Schriften und die Schriften von Prof. Georg May, die mich sehr geprägt haben. Ich kann die im Beitrag angegebene Homepage von Prälat Holböck nur allen wärmstens empfehlen.
Gerti Harzl
Zitat aus dem Beitrag: "Denken wir hier bei der trostvollen Wahrheit von der Barmherzigkeit Gottes zuletzt aber auch an das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht, dem der Herr eine Riesenschuld erlassen hatte, der aber seinem Mitknecht gegenüber so hartherzig und unbarmherzig war, sodass sich dann die Barmherzigkeit des Herrn in strafende, strenge Gerechtigkeit wandelte."