Josefa Menendez
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DAS KIND EMPFÄNGT DEN NAMEN MARIA /Anna Katharina Emmerich

BESUCH BEI DEM NEUGEBORENEN KINDE MARIA
Ich sah am 9. September, den zweiten Tag nach Mariä Geburt, noch mehrere Verwandte aus der Gegend in dem Hause. Ich hörte viele Namen und habe sie wieder vergessen. Auch mehrere Knechte Joachims von entfernteren Weidefeldern sah ich angekommen. Allen wurde das neugeborene Kind gezeigt, alle waren in großer Freude. Es war eine freudige Mahlzeit im Hause.

Ich sah am 10. und 11. September abermals viele Leute das Kind Maria besuchen. Unter anderen waren Verwandte Joachims aus dem Tale Zabulon zugegen. Das Kind ward bei solcher Gelegenheit in seinem Wiegenschiffchen in den vorderen Raum des Hauses getragen und dort auf einem erhöhten Gestelle, das einem Sägebock glich, dem Anblick der Leute ausgestellt . — Es war rot und durchsichtig weiß darüber bis unter die nackten Ärmchen eingeschlagen und hatte ein durchsichtiges Schleierchen um den Hals. Das Wiegenschiffchen war rot und weiß überdeckt.

Ich sah auch Maria Kleophä, das zwei- oder dreijährige Töchterchen der älteren Tochter Annas und des Kleophas, mit dem Kinde Maria spielen und liebkosen. Maria Kleophä war ein dickes, starkes Mädchen und hatte ein weißes Kleidchen ohne Ärmel an, an dessen rotem Saum rote Knöpfe wie Äpfelchen hingen. Um die nackten Ärmchen trug es weiße Kränzchen wie von Federn, Seide oder Wolle.

DAS KIND EMPFÄNGT DEN NAMEN MARIA
(22.-23. SEPTEMBER)
Ich sah heute ein großes Fest im Hause der heiligen Mutter Anna. Alles war beiseite geräumt. Vorn im Hause waren alle die aus Flechtwänden zusammengestellten Schlafräume weggeschafft und so ein großer Saal bereitet. — Rings um denselben sah ich an der Erde eine niedrige lange Tafel mit Tischgeräten zur Mahlzeit bedeckt. Ich sah mancherlei Speisegerätschaften, die ich sonst nicht beachtet hatte. Es standen ganz leichte, oben durchlöcherte Gefäße auf dem Tische, vielleicht, um Blumen hineinzustellen. Es schienen Körbe zu sein. Auf einem Nebentische sah ich viele weiße, von Bein scheinende Stäbchen, auch Löffel von der Gestalt einer tiefen Muschel, woran ein Henkel, der sich mit einem Ring endete, auch gekrümmte Röhrchen, vielleicht, um etwas Dünnes zu saugen.

In der Mitte des Saales war eine Art Altartisch rot und weiß gedeckt aufgerichtet, auf welchem ein muldenförmiges, weiß und rot geflochtenes, mit himmelblauer Decke belegtes Wiegenkörbchen stand. Bei dem Altare stand ein bedecktes Lesepult, worauf pergamentene Gebetsrollen lagen. — Vor dem Altare befanden sich fünf Priester aus Nazareth, alle, und einer ausgezeichneter in ihren Amtskleidern; Joachim stand bei ihnen. — Im Hintergrunde um den Altar standen mehrere Frauen und Männer von Annas und Joachims Verwandtschaft, alle festlich gekleidet. Ich erinnere mich der Schwester Annas, Maraha von Sephoris und der älteren Tochter Annas usw. — Die Mutter Anna selbst hatte zwar ihr Lager verlassen, aber sie befand sich in ihrer hinter der Feuerstelle gelegenen Kammer und erschien nicht bei der Zeremonie.

Enue, die Schwester Elisabeths, brachte das Kindlein Maria in Rot und durchsichtiges Weiß bis unter die Arme gewickelt heraus und legte es auf die Arme Joachims. Die Priester traten vor den Altar um die Gebetsrollen und beteten laut. Dem Vornehmsten von ihnen hielten zwei andere die Schleppe. — Hierauf legte Joachim das Kind dem Oberpriester auf die Hände, der es aufopfernd unter Gebet in die Höhe hob und dann in das Wiegenkörbchen auf den Altar legte. Er nahm hierauf eine Kneipschere, an deren Ende ein Kästchen war, in welches das Abgeschnittene wie bei einer Lichtschere hineingedrängt ward 44. Mit diesem Instrument schnitt er dem Kinde drei Löckchen Haare an beiden Seiten und in der Mitte des Kopfes ab und verbrannte sie auf einem Kohlenbecken. — Dann nahm er eine Büchse mit öl und salbte dem Kinde die fünf Sinne, er bestrich dem Kinde mittels des Daumens die Ohren, Augen, Nase, den Mund und die Herzgrube mit Salbe. Auch schrieb er den Namen Maria auf ein Pergament und legte ihn dem Kinde auf die Brust. — Dann empfing Joachim das Kind zurück, der es der Enue übergab, welche es wieder zu Anna brachte. — Es wurden noch Psalmen gesungen, worauf die Mahlzeit begann, die ich nicht mehr mit angesehen habe.

Veranlassung des Festes Mariä Geburt.
Am Abend des 7. Septembers, dem Vorabend des Festes, war A. K. Emmerich ungewöhnlich, wie sie sagte, übernatürlich heiter, wenn sie sich gleich krank fühlte 45. Sie war schier mutwillig und von ungemeiner Innigkeit. Sie sprach von außerordentlicher Freude in der ganzen Natur wegen der herannahenden Geburt Mariä und äußerte, es sei ihr zumute, als stehe ihr morgen eine große Freude bevor, wenn sich diese nur nicht in Leid verkehre usw.
Sie erzählte:

„Es ist ein solcher Jubel in der Natur, ich höre Vögel singen, ich sehe Lämmer und Böcklein springen, und die Tauben in der Gegend, wo Annas Haus gestanden, schwärmen in großen Scharen wie freudetrunken umher. — Von dem Hause und seiner Umgebung ist nichts mehr da; es ist jetzt dort eine Wildnis. — Ich sah einige Pilger, geschürzt mit langen Stäben, mit Tüchern gleich Mützen um das Haupt geschlungen durch die Gegend ziehen, gegen den Berg Karmel hin. Es wohnen hier einige Einsiedler vom Karmel aus; die Pilger fragten diese verwundert, was nur diese Freude jetzt hier in der Natur bedeute? Und sie erhielten die Antwort, so sei es immer hier am Vorabend von Mariä Geburt. — Hier in der Gegend habe wahrscheinlich Annas Haus gestanden. — Ein Pilger, der früher hier durchgereist, habe ihnen erzählt, wie dieses zuerst vor langer Zeit von einem frommen Manne beobachtet und die Feier des Festes dadurch veranlaßt worden sei.

Ich sah nun diese Veranlassung des Festes selbst. Zweihundertundfünfzig Jahre nach dem Tode der heiligen Jungfrau sah ich einen sehr frommen Mann durch das heilige Land ziehen, alle Orte und Spuren, welche sich auf den Wandel Jesu auf Erden bezogen, aufzusuchen und zu verehren. Ich sah, daß dieser heilige Mann einer höheren Führung genoß und öfters an einzelnen Orten mehrere Tage lang durch große innere Süßigkeit und mancherlei Offenbarungen in Gebet und Betrachtung aufgehalten ward. — So hatte er auch schon während mehrerer Jahre in der Nacht vom 7. auf den 8. September eine große Freude in der Natur gefühlt und einen lieblichen Gesang in den Lüften vernommen und ward endlich auf sein dringendes Gebet durch einen Engel im Traume unterrichtet, es sei dies die Geburtsnacht der heiligen Jungfrau Maria. — Er hatte diese Eröffnung auf seiner Reise nach dem Berge Sinai oder Horeb.

Es wurde ihm zugleich verkündet, daß dort in einer Höhle des Propheten Elias eine vermauerte Kapelle zur Ehre der Mutter des Messias sei, und daß er beides den dort lebenden Einsiedlern berichten solle. — Ich sah ihn hierauf am Berge Sinai angekommen. Die Stelle, wo nun das Kloster steht, war damals schon von zerstreuten Einsiedlern bewohnt und von der Talseite ebenso steil wie jetzt, wo man mit einem Zugwerk hinauf gewunden wird. — Ich sah nun, daß auf seine Verkündung das Geburtsfest der heiligen Jungfrau hier um das Jahr 250 am 8. September von den Einsiedlern zuerst gefeiert ward und später von hier aus in die allgemeine Kirche überging.

Ich sah auch, wie die Einsiedler mit ihm die Höhle des Elias und die Kapelle zu Ehren der heiligen Jungfrau aufsuchten. Diese Orte waren jedoch schwer unter den vielen Höhlen der Essener und anderer Einsiedler herauszufinden. Ich sah viele verwilderte Gärten hie und da mit herrlichen Fruchtbäumen um diese Höhlen. — Der fromme Mann erkannte aber auf sein Gebet, daß sie einen Juden bewegen sollten, mit in diese Höhlen zu gehen, und jene, in welche er nicht einzugehen vermöge, sollten sie als die Höhle des Elias anerkennen. - Ich sah hierauf, wie sie einen alten Juden in diese Höhle sendeten, und wie dieser sich aus einer Höhle mit engem Eingange immer wieder hinaus gestoßen fühlte, so sehr er sich auch einzudrängen suchte.

Hieraus erkannten sie diese als die Höhle des Elias. — Sie fanden in derselben eine zweite vermauerte Höhle, deren Eingang sie wieder eröffneten; und dies war der Ort, wo Elias zu Ehren der künftigen Heilandsmutter gebetet hatte. -— Die großen, schönen, geblümten
Steine, mit welchen sie vermauert gewesen, wurden später zum Kirchenbau verwendet. Sie fanden in der Höhle auch viele heilige Gebeine von Propheten und Altvätern, auch manche geflochtene Wände und Gerätschaften zum früheren Gottesdienst; was nun alles der Kirche erhalten wurde.

Ich habe bei dieser Gelegenheit noch vieles vom Berge Horeb gesehen und wieder vergessen. Ich erinnere mich noch, daß der Ort, wo Moses den brennenden Dornbusch gesehen, nach dortiger Sprachweise auf deutsch der Schatten Gottes genannt wurde, und daß man ihn nur barfüßig betreten durfte. Ich sah auch dort einen Berg ganz von rotem Sand, auf welchem dennoch sehr schöne Früchte wuchsen usw.

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