Santiago_
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P. Hacker: Luther - Der Ursprung der anthropozentrischen Religion

Paul Hacker, Das Ich im Glauben bei Martin Luther – Der Ursprung der anthropozentrischen Religion . Mit einem Vorwort von Papst Benedikt XVI., nova & vetera, Bonn 2009.

Ausschnitt aus einer Rezension von Udo Beucker, Lutherischer Pfarrer in München:

Hackers aufrüttelnde Darlegung, die Luther beim Wort nimmt, möchte ich zu 7 Thesen verdichten:

I. Luther glaubt an seinen eigenen Glauben (56, 97) und nicht an Gott. Luther „macht diesen (sc. „Glauben“) faktisch zu einer selbst Gott übergeordneten Potenz“ (260, 271) und übt darin eine Form eines stets scheiterndem Selbsterlösungs-Versuchs (71, 260).

II. Luther verbietet daher nicht nur die Liebe zu Gott (161, 164, 170-182, 280, 284), denn für Luther steht nicht die Liebe (147), auch nicht der mit Liebe durchwirkte Glaube, sondern der Wortglaube im Mittelpunkt des Christseins (153); in Umdeutung von 1Kor 13,13.

III. Luther entpersonalisiert durch sein Modell des reflexiven „Glaubens“ das personale Geschehen auf einen innerpsychologischen Mechanismus (179f).

IV. Christsein ist für Luther identisch mit: sich selber gerecht sprechen; mit: die Heilsgewissheit in sich fühlen und dafür verkrampft und auf wortmystische Weise seinen „Christus“ im eigenen Bewusstsein zu ergreifen.

V. In seiner Auseinandersetzung mit der Lehre der Kirche kommt Luther zu der wiederholten Aussage: „In Sachen des Glaubens ist jeder Christ sich selber Papst und Kirche“ (237) und urteilt im „judicium interius“ (37) „certissime“ über den Gott, Christus, Glauben und Kirche, wodurch das jeweilige bewusste Ego an die Stelle Gottes, Christi, der Kirche tritt, die communio ersetzt und zur congregatio einzelner Ichs werden lässt (45).

VI. Dieser religiöse Psychologismus zeige, so Hacker, das Wesen des Protestantismus bis heute, über Heidegger zu H. Gogarten und R. Bultmann (261). Und Hacker stellt klar: „Der reflexive Glaube aber verwechselt Vertrauen mit einer Bewusstseinsverfügbarkeit, und die Liebe will er strikt von sich fernhalten“(57).

VII. Dieser „Glaube“ als statuierter „Trosttrotz“ (263f), eines „sibi arrogare“ (281) mündet schließlich in eine „pervertierte Spiritualität“ (268) oder „Fluchtspiritualität“ (289), deren Strukturen Hacker vor allem durch die Beschreibung von Luthers antibiblischer Sündenlehre belegt (262-270).

Vollständiger Text unter:

http://www.knochedrh....de/Seite 9.htm

Zur Vertiefung: www.katholisches.info/…/zum-bevorstehen…
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Santiago_
Schließlich hat Luther „einen der Ausgangspunkte des modernen Säkularismus geschaffen“ (183):
Hacker zieht eine geistesgeschichtliche Linie von Luther über Rudolf Bultmann und Martin Heidegger in die völlige Auflösung des Glaubens (um diesbezügliche Forschungen, einschließlich einer substantiellen Kritik an Karl Rahner, der seinerseits als Heidegger-Schüler gilt, hat sich auch die deutsche …Mehr
Schließlich hat Luther „einen der Ausgangspunkte des modernen Säkularismus geschaffen“ (183):

Hacker zieht eine geistesgeschichtliche Linie von Luther über Rudolf Bultmann und Martin Heidegger in die völlige Auflösung des Glaubens (um diesbezügliche Forschungen, einschließlich einer substantiellen Kritik an Karl Rahner, der seinerseits als Heidegger-Schüler gilt, hat sich auch die deutsche Philosophin Alma von Stockhausen verdient gemacht).

Die (dogmatisch genau umrissene) Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen des Glaubens und der Moral verschiebt sich nun zur Person Martin Luthers. Er selbst ist der einzig Unfehlbare in seinem Glaubenssystem.

Dieses hat mit der Bibel nur das zu tun, daß er einige ausgewählte Verse, vornehmlich aus dem Römerbrief und dem Galaterbrief, gegen den gesamten biblischen Glauben ausspielt. Das Sola Scriptura – Prinzip ist überdies eine von außen an den Bibeltext herangetragene ideologische Vorentscheidung. Es zieht mit innerer Notwendigkeit eine willkürliche und rabulistische Bibelauslegung nach sich – für die wiederum Luther selbst die ausschließliche Kompetenz besitzt.

Nachdem dieses System theoretisch und praktisch egozentrisch ist, wird der „Reformator“ aggressiv: Gegen die „Papisten“, gegen die Mönche, gegen die Juden, gegen die Bauern, gegen die Frauen, gegen die „Schwarmgeister“ – und ständig neue Spaltungen innerhalb der „Reformation“ sind die Folge. Der falsche Prophet wird an den schlechten Früchten erkannt.
Santiago_
Jeder, der sich nur fest genug einredet, die Gnade Gottes zu erlangen, hat sie schon erlangt, kann sie nicht verlieren und muß sich ihrer im Handeln nicht würdig erweisen (Verwerfung der „Werke“). Lediglich die Rezitation einiger Bibelverse zum Zweck der Selbstvergewisserung, d. h. ihrer selbsthypnotisch Beziehung auf das Selbst (darum „anthropozentrische Religion“), ist de facto notwendig.
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Jeder, der sich nur fest genug einredet, die Gnade Gottes zu erlangen, hat sie schon erlangt, kann sie nicht verlieren und muß sich ihrer im Handeln nicht würdig erweisen (Verwerfung der „Werke“). Lediglich die Rezitation einiger Bibelverse zum Zweck der Selbstvergewisserung, d. h. ihrer selbsthypnotisch Beziehung auf das Selbst (darum „anthropozentrische Religion“), ist de facto notwendig.

Das widerspricht dem althergebrachten, biblisch grundgelegten katholischen Glauben, wonach Glaube, Hoffnung und Liebe zusammengehören und sich in einem entsprechenden Lebenswandel bewähren müssen. Eine Heilsgarantie besteht nicht, die beständige Möglichkeit des Abfalls muß zur Wachsamkeit ermutigen.
Ein weiterer Kommentar von Santiago_
Santiago_
„Reformation“ oder Deformation?
Die ausführlichst belegte (und im übrigen nicht neue, vgl. zeitnahe St. Thomas More, A Dialogue Concerning Heresies, 1528) Grundthese des Buches ist, daß Martin Luther kein „Reformer“ war, in dem Sinne, daß er eine aus der Form geratene Glaubenspraxis wieder in die rechte Form zurückgebracht hätte (lat. re-formare), sondern, daß er im Gegenteil ein völlig neues …Mehr
„Reformation“ oder Deformation?

Die ausführlichst belegte (und im übrigen nicht neue, vgl. zeitnahe St. Thomas More, A Dialogue Concerning Heresies, 1528) Grundthese des Buches ist, daß Martin Luther kein „Reformer“ war, in dem Sinne, daß er eine aus der Form geratene Glaubenspraxis wieder in die rechte Form zurückgebracht hätte (lat. re-formare), sondern, daß er im Gegenteil ein völlig neues Glaubenssystem erfunden hat, das er auf verschiedene, aus dem Zusammenhang gerissenen Bibelverse unter Außerachtlassung der gesamten 1500jährigen Tradition errichtet hat. Und in diesem System ist er der einzige Interpret, Prophet und gleichsam unfehlbare Papst. Inhaltlich besteht dieses System in der sogenannten reflexiven, „apprehensiv-statuierenden“ Aneignung des Heils in einem neuartig konzipierten Glaubensvollzug („Fiduzialglauben“).