[137] Das Leben Jesu nach den vier Evangelisten

5. Die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe und die Empfehlung der jungfräulichen Keuschheit

(Mark. 10, 1-12; Matth. 19, 1-12; 5, 31. 32)

Jesus kam nun in das Gebiet Judäas, jenseits des Jordans.1) Es versammelten sich wieder große Volksscharen bei ihm, und wiederum lehrte er sie, wie er gewohnt war, und heilte sie dort.

Da traten Pharisäer zu ihm und versuchten ihn und sprachen: „Ist es einem Manne erlaubt, aus was immer für einer Ursache sein Weib zu entlassen?“ Er antwortete und sprach zu ihnen: „Was hat euch Moses geboten?“ Sie erwiderten: „Moses hat erlaubt, einen Scheidebrief zu schreiben und zu entlassen.“ Jesus antwortete ihnen und sprach: „Habt ihr nicht gelesen, dass der, welcher im Anfange den Menschen schuf, als Mann und Weib sie geschaffen und gesagt hat: Deshalb wird der Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein? Demnach sind sie nicht mehr zwei, sondern e i n Fleisch. Was nun Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen.“ Sie sprachen zu ihm: „Warum hat denn Moses geboten, einen Scheidebrief zu geben und zu entlassen?“ Er antwortete ihnen: „Eurer Herzenshärte wegen hat euch Moses erlaubt, eure Weiber zu entlassen; von Anfang war es nicht so. Ich aber sage euch: Wer immer sein Weib entlässt und eine andere heiratet, bricht die Ehe, und wer eine Entlassene heiratet, bricht die Ehe.“2)

Im Hause fragten ihn seine Jünger abermals über das nämliche. Und er sprach zu ihnen: „Wer immer sein Weib entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch an ihr. Und wenn ein Weib ihren Mann entlässt und einen andern heiratet, begeht sie Ehebruch.“

Da sprachen seine Jünger zu ihm: „Wenn die Sache des Mannes mit seiner Frau sich so verhält, so ist es nicht gut zu heiraten.“ Er antwortete ihnen: „Nicht alle fassen dieses Wort, sondern nur die, denen es gegeben ist. Denn es gibt Ehelose, die von Natur aus für die Ehe nicht geschaffen sind; es gibt ferner Ehelose, die für die Ehe untauglich gemacht worden sind; es gibt endlich Ehelose, die um des Himmelreichs willen der Ehe entsagt haben. Wer es fassen kann, der fasse es.“

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1) D. h. er hatte seinen Weg durch Peräa genommen.
2) Nur der hl. Matthäus hat an beiden Stellen den Zusatz: „Es sei denn wegen Unzucht“. Die Schrifterklärer sind darin nicht einig, welche besondere Art Unzucht hier gemeint ist; gewiss aber ist, dass die allgemeine Regel, nach der die unter Christen eingegangene und vollzogene Ehe unauflösbar ist, durch jenen Zusatz keine Einschränkung erfährt. Das folgt, auch abgesehen von der Erklärung des unfehlbaren Lehramtes der Kirche, schon aus dem Umstande, dass die Evangelisten Markus (10, 11. 12) und Lukas (16, 18) und der hl. Paulus (1 Kor. 7, 10. 11. 30) jene Beschränkung nicht erwähnen, was sie doch hätten tun müssen, wenn christliche Eheleute in einem gewissen Falle bei Lebzeiten beider eine andere Ehe eingehen dürften.

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Guntherus de Thuringia
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