Die Mutter Christi - Urbild Christlicher Existenz und Typus der Kirche (Mariologie)

Das Katholische Dogma Kapitel 8

Die Mutter Christi - Urbild Christlicher Existenz und Typus der Kirche (Mariologie)

Katholische Dogmatik Gerhard Ludwig Müller
Für Studium und Praxis der Theologie
HERDER Verlag

ISBN 978-3-451-28652-0
Caeleste Desiderium
2. Der ,,Sohn Gottes" als ,,Sohn der Maria" (Markus)
Markus beginnt sein Evangelium mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus, ,,dem Sohn Gottes" (Mk 1,1). Dieser ist Jesus von Nazaret, der sich vor dem Hohepriester als ,,Messias und Sohn des Hochgelobten" (Mk 14,61) ausgibt. Für Markus ist Jesus nicht ein Prophet unter anderen. Er ist der Verkündiger der eschatologischen Gottesherrschafft (Mk 1,15). …Mehr
2. Der ,,Sohn Gottes" als ,,Sohn der Maria" (Markus)

Markus beginnt sein Evangelium mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus, ,,dem Sohn Gottes" (Mk 1,1). Dieser ist Jesus von Nazaret, der sich vor dem Hohepriester als ,,Messias und Sohn des Hochgelobten" (Mk 14,61) ausgibt. Für Markus ist Jesus nicht ein Prophet unter anderen. Er ist der Verkündiger der eschatologischen Gottesherrschafft (Mk 1,15). Durch sein Handeln in göttlicher Vollmacht weist er sich als Mittler des Reiches Gottes aus (Mk 1,27). Er ist darum in einzigartiger Weise ,,der Sohn" (Mk 13,32). Er ergreift sein Schicksal im Kreuztod, den die Menschen über ihn verhängen, aus der einzigartigen Sendungsrelation zu Gott und der Offenbarungseinheit mit ihm, den er in einem exklusiven Sinn als ,,mein Vater" anspricht (Mk 14,36).
Aber dieser Jesus ist nicht ein mythologisches Götterwesen. Er ist ein wahrer Mensch.
In ungewöhnlicher Kennzeichnung wird er (statt auf den Vater hin) der ,,Sohn der Maria" (Mk 6,3) genannt. So ist im Markus-Evangelium (wie bei Paulus) die Geschichtlichkeit des Menschen Jesus von Nazaret ausgewiesen durch den historischen Menschen ,,Maria, die Mutter Jesu" (Mk 3,31).
Zu Beginn seiner öffentlichen Wirksamkeit wollen die Angehörigen Jesu ihn nach Hause holen, weil sie hören oder meinen, ,, er sei außer sich" (Mk 3,21.31), während zuvor die Leute ,,außer sich" waren angesichts der Heilung des Gelähmten durch Jesus (Mk 2,12). Der theologische Sinn dieser Notiz bei Markus besteht darin zu zeigen, daß die Sendung Jesu nicht abgeleitet werden kann aus seiner natürlichen religiösen und familiären Herkunft, und daß sie auch nicht im Rahmen der religiösen Tradition des zeitgenössischen Judentums aufgeht, sondern dessen Praxis überschreitet. Eine neue Beziehung zu Jesus in der man ihm ,,Bruder und Schwester und Mutter" (Mk 3,35) wird, entsteht erst auf der Ebene, wo Menschen den Willen Gottes erfüllen und Jesu göttliche Vollmacht und Sendung anerkennen, der Mittler der endzeitlichen Gottesherrschaft zu sein.
Caeleste Desiderium
II. MARIA IM BIBLISCHEN OFFENBARUNGSZEUGNIS
1. Maria, die Gebärerin des Sohnes Gottes als Mensch (Paulus)

Ohne Maria beim Namen zu nennen, erwähnt Paulus sie in Gal 4,4f. als diejenige Frau, die den von Gott gesandten Sohn Gottes geboren hat. Es ist der schon beim Vater präexistierende Sohn (Röm 1,3), der in der Gottesgleichgestalt war (Phil 2,6) und der vom Vater in der Gestalt des Fleisches …Mehr
II. MARIA IM BIBLISCHEN OFFENBARUNGSZEUGNIS

1. Maria, die Gebärerin des Sohnes Gottes als Mensch (Paulus)


Ohne Maria beim Namen zu nennen, erwähnt Paulus sie in Gal 4,4f. als diejenige Frau, die den von Gott gesandten Sohn Gottes geboren hat. Es ist der schon beim Vater präexistierende Sohn (Röm 1,3), der in der Gottesgleichgestalt war (Phil 2,6) und der vom Vater in der Gestalt des Fleisches gesandt wurde als ,,Sühne für die Sünde" (Röm 8,3). Ebenso wenig, wie Paulus an biographischen Notizen über das irdische Leben Jesu interessiert ist (2 Kor 5,16), spricht er von Maria unter biographischen Gesichtspunkten. Das irdische Leben und die menschliche Existenz des vorösterlichen Jesus ist ihm allein unter theologischem offenbarungsgeschichtlichem Gesichtspunkt von Bedeutung. Das erklärt auch, warum die Mutter des Sohnes Gottes nur einmal erwähnt wird, und zwar in seiner Theologie im Rahmen des heilsgeschichtlichen Ereignisses der Sendung des präexistenten Sohnes in die Welt und seines Auftretens als Mensch und Mittler des Heiles. Weder erwähnt Paulus die Weise der Empfängnis Jesu in Maria als geistgewirkt und jungfräulich, noch leugnet er sie, weil er, anders als die Synoptiker, von der Präexistenz des Sohnes Gottes ausgeht und nicht von seiten der Menschheit Jesu her fragt, wie diese im Moment ihres Entstehens in einem ursprunggebenden Wirken Gottes begründet ist.
5 weitere Kommentare von Caeleste Desiderium
Caeleste Desiderium
e) Tendenzen in der neueren wissenschaftlichen Mariologie
In der akademischen Theologie sind nach dem Konzil neu die Fragen nach Tatsache und Bedeutung der Jungfräulichkeit Marias aufgebrochen im Zusammenhang mit den exegetischen Fragen nach der literarischen Gattung und dem historischen Wahrheitsgehalt der ,,Kindheitsgeschichten" bei Matthäus und Lukas und der genaueren Bestimmung der Erbsünde in …Mehr
e) Tendenzen in der neueren wissenschaftlichen Mariologie

In der akademischen Theologie sind nach dem Konzil neu die Fragen nach Tatsache und Bedeutung der Jungfräulichkeit Marias aufgebrochen im Zusammenhang mit den exegetischen Fragen nach der literarischen Gattung und dem historischen Wahrheitsgehalt der ,,Kindheitsgeschichten" bei Matthäus und Lukas und der genaueren Bestimmung der Erbsünde in einem evolutionären Weltbild. Dazu kommt die Frage nach dem näheren Inhalt des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Marias im Zusammenhang neuer Versuche, eine bessere Verhältnisbestimmung von Leib und Seele anthropologisch zu erarbeiten (in Überwindung eines einseitig platonistischen Seelen-Verständnisses).
Caeleste Desiderium
d) Maria als positive oder negative Symbolfigur in innerkirchlichen Bewegungen
Nach dem II. Vatikanum wurde in manchen Teilen der Kirche die Praxis der Marienverehrung zum Unterscheidungsmerkmal kirchenpolitischer Flügelgruppen. Einer völligen Zurückdrängung auf seiten der ,,Progressiven" entsprach eine exzessive Marienverehrung auf seiten der ,,Konservativen".
Im Gegensatz zu beiden Richtungen …Mehr
d) Maria als positive oder negative Symbolfigur in innerkirchlichen Bewegungen

Nach dem II. Vatikanum wurde in manchen Teilen der Kirche die Praxis der Marienverehrung zum Unterscheidungsmerkmal kirchenpolitischer Flügelgruppen. Einer völligen Zurückdrängung auf seiten der ,,Progressiven" entsprach eine exzessive Marienverehrung auf seiten der ,,Konservativen".
Im Gegensatz zu beiden Richtungen wollte das Zweite Vatikanische Konzil sowohl die rechte Marienverehrung in der Kirche fördern und die Bedeutung der Mariologie und das Verständnis des christlichen Glaubens entwickeln, wie zugleich auch eine Praxis und eine Sprechweise zurückweisen, die die Christozentrik des katholischen Glaubens verdunkelt und bei den getrennten Brüdern und Schwestern Anstoß und Unverständnis auslöst.
Caeleste Desiderium
c) Maria in der Befreiungstheologie
In der Befreiungstheologie wurde im Zusammenhang der Mariologie zurecht unterstrichen, daß Gott sich nicht auf die Seite der Herrschenden und Einflußreichen stellt, um Unterdrückung und Ausbeutung zu rechtfertigen. Sein Ruf ergeht vielmehr an die einfachen und armen Menschen aus dem Volk (Abraham, die Hirten, Josef, Maria).
So wird Maria, die Frau aus dem Volk …Mehr
c) Maria in der Befreiungstheologie

In der Befreiungstheologie wurde im Zusammenhang der Mariologie zurecht unterstrichen, daß Gott sich nicht auf die Seite der Herrschenden und Einflußreichen stellt, um Unterdrückung und Ausbeutung zu rechtfertigen. Sein Ruf ergeht vielmehr an die einfachen und armen Menschen aus dem Volk (Abraham, die Hirten, Josef, Maria).
So wird Maria, die Frau aus dem Volk Israel verstanden als die Prophetin vom ,,Sturz und der Erniedrigung der Mächtigen und der Erhebung der Armen und Ausgebeuteten" (vgl. Lk 1,52). Gegen alle Versuche, die Befreiungstheologie einseitig politisch zu deuten oder zu mißbrauchen, bleibt festzuhalten, daß auch nach ihrem Verständnis wahre Veränderung nicht durch physische Gewalt, sondern durch die frei machende Gnade erreicht und in Glaube und Liebe wirksam wird.
Caeleste Desiderium
b) Maria in der feministischen Theologie
In der feministischen Theologie wird die Funktion der Mariologie gelegentlich kritisch-abwehrend beurteilt. Durch sie sei eine patriarchalische Mentalität und die Dominanz der Männer in der kirche begründet worden, weil Maria als die ,,demütige Magd", die im reinen Gehorsam den Willen Gottes erfüllt, zur ideologischen Begründung einer Unterordnung der Frau …Mehr
b) Maria in der feministischen Theologie

In der feministischen Theologie wird die Funktion der Mariologie gelegentlich kritisch-abwehrend beurteilt. Durch sie sei eine patriarchalische Mentalität und die Dominanz der Männer in der kirche begründet worden, weil Maria als die ,,demütige Magd", die im reinen Gehorsam den Willen Gottes erfüllt, zur ideologischen Begründung einer Unterordnung der Frau und zu einem Verzicht auf freie Selbstentfaltung herhalten müsse. Dieses an Maria gewonnene Bild der christlichen Frau habe einer sie abwertenden Rolle Vorschub geleistet.
In anderen Richtungen der feministischen Theologie wird hingegen die Mariologie positiv als Korrektur an einem eindeutig patriarchalischen Gottesbild geschätzt. Maria verkörpere die weibliche Dimension Gottes. Während das männliche Prinzip in Gott, nämlich der Sohn, sich in dem Mann Jesus inkarniertem habe der Heilige Geist als weibliches Prinzip in Gott einen spezifischen Bezug zu Maria, und insofern offenbare er in Maria die weibliche Dimension Gottes.
Übersehen wird hier allerdings, daß weder Gott (WORT/GEIST/WEISHEIT) im Alten Testament noch die göttliche Person (von Vater, Logos und Pneuma, von denen das NT spricht) geschlechtsspezifisch männlich oder weiblich sind. Die Geschlechterdifferenz von Mannsein und Frausein ist Kennzeichen der Dimension des Irdisch-Geschöpflichen, nicht aber der Dimension des Göttlichen. Maria gehört nicht zum Wesen Gottes und kann ihn deshalb auch nicht offenbaren. In ihr reflektiert sich aber die Gnade in ihrer Schönheit und Anmut. Maria ist somit nicht Symbol der Weiblichkeit Gottes, sondern der Empfänglichkeit des Menschen für die Gnade und die freie und freimachende Antwort in Glaube und Nachfolge.
Caeleste Desiderium
5. Wahrnehmungsperpektiven
a) Die Mariologie als ökumenisches Thema

Die Reformatoren haben an den altkirchlichen mariologischen Dogmen von der jungfräulichen Geburt Christi aus Maria und der Gottesmutterschaft Marias festgehalten (vgl. G. L. Müller, Prinzipien katholischer Mariologie im Licht evangelischer Anfragen, in: Cath 35 [1991] 181-192). Die Dogmen von 1854 und 1950 standen damals nicht zur …Mehr
5. Wahrnehmungsperpektiven

a) Die Mariologie als ökumenisches Thema


Die Reformatoren haben an den altkirchlichen mariologischen Dogmen von der jungfräulichen Geburt Christi aus Maria und der Gottesmutterschaft Marias festgehalten (vgl. G. L. Müller, Prinzipien katholischer Mariologie im Licht evangelischer Anfragen, in: Cath 35 [1991] 181-192). Die Dogmen von 1854 und 1950 standen damals nicht zur Debatte. Zur entscheidenden kontroverse kam es über die Anrufung Marias um ihre Fürbitte ( nicht um eine gedenkende oder am Vorbild Marias orientierte Verehrung). Die Reformatoren sahen in der katholischen Lehre von der Gebetsmittlerschaft Marias un der Heiligen einen Angriff auf das Prinzip der einzigen Heilsmittlerschaft Jesu Christi (solus Christus), die Alleinursächlichkeit der Gnade (sola gratia; solus Deus) ohne Rücksicht auf menschliche Verdienste - Anstoß eregte die katholische Berufung auf den Schatz der Verdienste Christi und der Heiligen als Fundus der wirkmächtigen Fürbitte der Heiligen (thesaurus sanctorum) - und schließlich auf das formale Prinzip, daß alle Lehre und Praxis unmittelbar in der Schrift begründet sein muß ( sola scriptura ). Die Mariologie wurde vor allem deshalb zu einem populären Kontroversthema, weil sich in ihr die unterschiedlichen Auffasungen in der Rechtfertigungslehre, der Gnadenlehre und der Anthropologie konkretisieren.
Im Gespräch mit den aus der Refomation hervorgegangenen Kirchen und Gemeinschaften ist darum besonders auch die ,,Aufgabe MAriens im Heilswerk" (UR 20) ein Wichtiges Thema, während die altkirchliche Marienlehre und die liturgische Marienverehrung eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen der katholischen und den orthodoxen Kirchen des Ostens darstellt.
Caeleste Desiderium
4. Die mariologischen Lehraussagen im Gesamtkontext des christlichen Glaubensbekenntnisses
Im durchschnittlichen Bewußtsein ist der theologische Begriff Dogma weitgehend fixiert auf die beiden Mariendogmen von 1854 und 1950 (im Sinne einer Kathedralentscheidung des Papstes). Bei einem Verständnis von Offenbarung im Sinne der Mitteilung einer Summe von einzelnen Wahrheiten erhält der formale Aspekt …Mehr
4. Die mariologischen Lehraussagen im Gesamtkontext des christlichen Glaubensbekenntnisses

Im durchschnittlichen Bewußtsein ist der theologische Begriff Dogma weitgehend fixiert auf die beiden Mariendogmen von 1854 und 1950 (im Sinne einer Kathedralentscheidung des Papstes). Bei einem Verständnis von Offenbarung im Sinne der Mitteilung einer Summe von einzelnen Wahrheiten erhält der formale Aspekt der Gehorsamsverpflichtung auf eine kirchliche Lehrentscheidung ein Übergewicht gegenüber der inhaltlichen Bedeutung der dogmatischen Aussage im Gesamtkontext des christlichen Glaubens. Im Rahmen einer personalistischen-kommunikationstheoretischen Konzeption jedoch tritt ohne weiteres der trinitätstheologische Ursprung, die christologische Mitte und die pneumatologisch-gnadentheologische Vermittlung der Offenbarung in den Vordergrund. Die davon abgeleiteten und auf diese Mitte bezogenen dogmatischen Wahrheiten werden deswegen nicht nebensächlich. Gerade im ökumenischen Gespräch über kontroverse Lehrinhalte wird aber deutlich, ,,daß es eine Rangordnung oder ,Hirarchie' der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre gibt, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens." (UR 11)
Caeleste Desiderium
3. Das mariologische Fundamentalprinzip
Angesichts der sehr reichhaltigen mariologischen Dogmenentwicklung und der vielfältigen Umsetzung des Marienthemas in der christlichen Spiritualität, Frömmigkeit, Dichtung und Kunst wurde in unserem Jahrhundert des öfteren die Frage erhoben, ob eine innere Zuordnung der verschiedenen Glaubensaussagen und ihre Gewichtung im Gesamtzusammenhang des kirchlichen …Mehr
3. Das mariologische Fundamentalprinzip

Angesichts der sehr reichhaltigen mariologischen Dogmenentwicklung und der vielfältigen Umsetzung des Marienthemas in der christlichen Spiritualität, Frömmigkeit, Dichtung und Kunst wurde in unserem Jahrhundert des öfteren die Frage erhoben, ob eine innere Zuordnung der verschiedenen Glaubensaussagen und ihre Gewichtung im Gesamtzusammenhang des kirchlichen Dogmas erkennbar sei (vgl. A. Müller, Ein mariologischer Fundamentalprinzip: MySal III/2, 407-421).
Sachlich kann gewiß gesagt werden, daß dies die jungfräuliche Gottesmutterschaft Marias ist. Sie ist die dynamische Quelle ihrer heilsgeschichtlichen Bedeutung.
Die von da aus abgeleiteten Aussagen des Immaculata-Dogmas und des Assumpta-Dogmas und die Marienverehrung müssen ihre Begründung und ihrem sachlichen Gewicht nach auf diese Grundaussage zurückbezogen werden. Das objektive Erkenntnisprinzip in der mariologischen Dogmengeschichte war die besondere heilsgeschichtliche Aufgabe Marias. Das subjektive Prinzip war ihr Glaube, der maßgebend ist für ihren eigenen Lebensweg in der Nachfolge Christi und ihre Stellung innerhalb der Heilsgemeinschaft der Kirche und seine Entsprechung im Glaubenssinn der Gesamtkirche (sensus fidelium) hat. Dieser hat in der objektiv bezeugten Offenbarung in der Schrift seine feste Norm. Die Schrift behält ihre Funktion als objektive Norm des Glaubens insofern, als sie die Offenbarung Gottes als personale Selbstmitteilung Gottes im Raum des Glaubens und der glaubensgeschichtlichen Entfaltung der Kirche zu Gehör bringt und eine lebendige Aneignung ermöglicht.
Von der heilsgeschichtlichen Aufgabe Marias kann der gesamte Radius der mariologischen Aussagen bestimmt werden. Als jungfräuliche Mutter des göttlichen Erlösers ist sie mit seinem soteriologischen Wirken aufs engste verbunden. Im Bezug zur Kirche erweist sie sich als das erste Glied der Gemeinschaft des Glaubens, die von Christus ihren Anfang nimmt. Sie ist darum der Mensch, an dem sich auf urbildliche und exemplarische Weise der ganze Umfang der Beziehung des Menschen zu den drei göttlichen Personen zeigt. Maria ist die Erst- und Vollerlöste (K. Rahner) und prägt die Proexistenz, die von Christus her alle Glieder der Kirche innerlich bestimmt, auf eine umfassende Weise aus (universale Für-Bitte Marias).

So kann das II. Vatikanum formulieren:

,,Die Jungfrau Maria, die auf die Botschaft des Engels Gottes Wort in ihrem Herzen und in ihrem Leib empfing und der Welt das Leben brachte, wird als wahre Mutter Gottes und des Erlösers anerkannt und geehrt. Im Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes auf erhabene Weise erlöst und mit ihm in enger und unauflöslicher Verbindung geeint, ist sie mit dieser höchsten Aufgabe und Würde beschenkt, die Mutter des Sohnes Gottes und daher die bevorzugt geliebte Tochter des Vaters und das Heiligtum des Heiligen Geistes zu sein. Durch dieses hervorragende Gnadengeschenk hat sie bei weitem den Vorrang vor allem anderen himmlischen und irdischen Kreaturen. Zugleich aber findet sie sich mit allen erlösungsbedürftigen Menschen in der Nachkommenschaft Adams verbunden ... Daher wird sie auch als überragendes und völlig einzigartiges Glied der Kirche wie auch als ihr Typus und klarstes Urbild im Glauben und in der Liebe gegrüßt, und die katholische Kirche verehrt sie, vom Heiligen Geist belehrt, in kindlicher Liebe als geliebte Mutter." (LG 53)
2 weitere Kommentare von Caeleste Desiderium
Caeleste Desiderium
2. Die dogmatischen Hauptaussagen über Maria
Die vielfältigen Lehraussagen über Maria haben ihren Ursprung und ihre Mitte in der Stellung Marias in der Heilsgeschichte und besonders im Bezug zu Jesus Christus, dem Mensch gewordenen Sohn Gottes und Mittler des Heiles (Maria als Jungfrau und Gottesmutter). Von dorther geht der blick auf den absoluten Anfang ihres Daseins als Mensch in der Gnade …Mehr
2. Die dogmatischen Hauptaussagen über Maria

Die vielfältigen Lehraussagen über Maria haben ihren Ursprung und ihre Mitte in der Stellung Marias in der Heilsgeschichte und besonders im Bezug zu Jesus Christus, dem Mensch gewordenen Sohn Gottes und Mittler des Heiles (Maria als Jungfrau und Gottesmutter). Von dorther geht der blick auf den absoluten Anfang ihres Daseins als Mensch in der Gnade Christi ( die Bewahrung vor der Erbschuld) und die definitive Vollendung nach ihrem Tod in der Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit mit ,,Seele und Leib".
Zu diesen vier Dogmen tritt als dogmatische Aussage hinzu das Bekenntnis zur aktuellen Verbindung Marias mit der Kirche auf Erden durch die Orientierung der Gläubigen an ihrem Beispiel und die Möglichkeit, sie um ihr Gebet zu bitten. Die Marienverehrung hat also eine klare Grundlage in der dogmatischen Lehre von Maria und ihrer Stellung in der Heilgeschichte wie auch der Glaubensgeschichte der Kirche.

So ergeben sich sechs Hauptaussagen:

1. Maria hat ohne das geschlechtliche Zutun eines Mannes (,, sine virili semine") den ewigen Sohn Gottes kraft des Wirkens des Geistes als Mensch empfangen und geboren (DH 61; 150; 368: 503; 533; 572, 1337; 1880; LG 52).
Zu dieser Aussage der Jungfräulichkeit vor der Geburt ( virginitas ante partum) kommt die Lehre hinzu, daß Maria als Jungfrau ihren Sohn geboren hat (virginitas in partu) und auch nach der Geburt Christi bis zum Ende ihres Lebens jungfräulich gelebt hat ( virginitas post partum; DH 294; 427; 502-504).

2. Maria trägt wegen der hypostatischen Union und der Idiomenkommunikation zu Recht den Titel Gottesmutter oder Gottesgebärerin (Theotokos), wodurch die nestorianische Lehre von den zwei nur nachträglichen miteinander verbundenen Sohnschaften in dem Gott-Menschen Christus zurückgewiesen wird (DH 251).

3. Maria ist vom ersten Augenblick ihres Daseins, bei der Empfängnis im Schoß ihrer Mutter durch eine ihr zukommende Gnade vor der Erbsünde Bewahrt worden (DH 2803). Daraus ergibt sich eine persönliche Heiligkeit, die Bewahrung vor der Konkupiszenz und die Sündenfreiheit (DH 1573).

4. Am Ende ihres irdischen Lebens ist Maria durch die Gnade Christi in der Ganzheit ihrer menschlichen Existenz (= Leib und Seele) vollendet und in die himmlische Herrlichkeit Gottes aufgenommen worden (DH 3903).

5. Im Zusammenhang der kirchlichen Praxis der Verehrung der vollendeten Heiligen (cultus duliae) darf auch Maria verehrt und um ihre Fürbitte angerufen werden (cultus hyperduliae). Dies ist nicht ein heilsnotwendiger Akt ( weil dadurch die heiligmachende Gnade weder vermittelt noch wiedererlangt noch spezifiziert wird, vgl. DH 1600), aber ein ,, guter und nützlicher" Bestandteil christlicher Frömmigkeit (DH 600-603; 1821-25; LG 66 f.).

6. Maria ist ( als Glied der Kirche) Paradigma des begnadeten und glaubenden Menschen und Typus der Glaubensgemeinschaft der Kirche (LG 53).
Caeleste Desiderium
I. THEMEN UND HORIZONTE DER MARIOLOGIE
1. Mariologie als konkrete Anthropologie und ihr Ort in der Dogmatik

Die bisherige Darstellung ergab: Der dreifaltige Gott hat sich als das innere Prinzip und der definitive Inhalt seiner Selbstoffenbarung in der Heilsgeschichte erwiesen. Es gilt jetzt, gleichsam in einem zweiten Anlauf, zu zeigen, wie und unter welchen Voraussetzungen der einzelne Mensch und …Mehr
I. THEMEN UND HORIZONTE DER MARIOLOGIE

1. Mariologie als konkrete Anthropologie und ihr Ort in der Dogmatik


Die bisherige Darstellung ergab: Der dreifaltige Gott hat sich als das innere Prinzip und der definitive Inhalt seiner Selbstoffenbarung in der Heilsgeschichte erwiesen. Es gilt jetzt, gleichsam in einem zweiten Anlauf, zu zeigen, wie und unter welchen Voraussetzungen der einzelne Mensch und die Gesamtheit der Menschen sich auf dem Weg der Glaubensgeschichte auf die Vollendung von Mensch und Welt in Gott zubewegen.
Was Gemeinschaft mit Gott in der Gnade für den Menschen bedeutet, läßt sich exemplarisch an Maria, der Mutter Jesu zeigen. Mariologie wird hier deshalb durchgeführt als gnadentheologisch konkretisierte Anthropologie (vgl. 2. Kap.).
Seit sic die Lehre von Maria, der Mutter des Erlösers, im 17. Jh. als eigener dogmatischer Traktat etabliert hatte (vgl. P. Nigido, ,,Summa mariologiae", Palermo 1602), ist auch immer wieder die Frage nach dem Ort der Mariologie im System der Dogmatik gestellt worden.
Erst das II. Vatikanum hat im 8. Kapitel der Kirchenkonstitution ,,Lumen Gentium" (Art. 52-69) eine befriedigende Lösung vorgeschlagen. In dieser ersten systematischen Gesamtdarstellung der dogmatischen Lehre von Maria durch das kirchliche Lehramt wurde der klassische Gegensatz zwischen einer christotypischen und ekklesiotypischen Mariologie überwunden. Im christotypischen Ansatz wird Maria unmittelbar im Zusammenhang des Heilwirkens Christi gesehen, insofern sie ( eingeordnet und untergeordnet) die Heilwirksamkeit Gottes in Jesus Christus gegenüber der Menschheit mitträgt. Die Hauptschwierigkeit dieser Sichtweise ist, die einzigartige und unvergleichliche Mittlerschaft Christi vom Mitwirken Marias klar zu unterscheiden und auf sie zu beziehen. Eine ekklesiotypische Mariologie betrachtet Maria als das wichtigste Glied des (kirchlichen) Leibes Christi.
Das Konzil geht hingegen von einem deutlich trinitarischen-theozentrischen und christozentrischen Ansatz aus. So wird Maria im Geheimnis Christi und der Kirche betrachtet. Sie ist einerseits Glied der Kirche und als die Ersterlöste ihr Typus und Urbild. Zugleich überragt sie aber auch die Kirche als die Mutter des Sohnes Gottes, die ursprünglich mit dem Heilswerk Jesu Christi verbunden ist, aus dem heraus die Kirche und die Möglichkeit christlicher Existenz erst entstanden sind.
So bietet die Mariologie eine gute Brücke zwischen dem geschichtlichem Heilswirken Christi, in dem Gott sein trinitarisches Wesen eschatologisch erschlossen hat, und der christlichen Existenz in der Gnade und dem Leben der Kirche auf ihrem Weg zur eschatologischen Vollendung.
In der Gnadenlehre und in der Ekklesiologie geht es um die Konkretisierung der Anthropologie, von der her die gesamte theologischen Überlegungen angesetzt haben, und zwar in der Präsenz Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Geistes.
Da Maria sowohl Urbild des Menschen in der Gnade wie auch Typus der Kirche ist, kann die Mariologie verstanden werden als gnadentheologische Konkretisierung der Anthropologie, wie sie von der Schöpfungslehre und der Heilsgeschichte der enfaltet wurde, und zwar hinsichtlich der individuellen und der sozialen Dimension christlichen Lebens.
Die Mariologie ermöglicht, daß wesentliche Aussagen des christlichen Glaubens über den Menschen nicht über ein abstraktes Lehrsystem vermittelt werden müsse, sondern an einer konkreten individuellen Person veranschaulicht werden können.

,,Denn Maria vereinigt, da sie zuinnerst in die Heilsgeschichte eingegangen ist, gewissermaßen die größtem Glaubensgeheimnisse in sich und strahlt sie wider. Daher ruft ihre Verkündigung und Verehrung die Gläubigen hin zu ihrem Sohn und seinem Opfer und zur Liebe des Vaters.
Die Kirche aber wird, um die Ehre Christi bemüht, ihrem erhabenen Typus ähnlicher durch dauerndes Wachstum in Glaube, Hoffnung und Liebe und durch das Suchen und Befolgen des Willens Gottes in allem. Daher blickt die Kirche auch in ihrem apostolischen Wirken mit Recht zu ihr auf, die Christus geboren hat, der dazu vom Heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau geboren wurde, daß er durch die Kirche auch in den Herzen der Gläubigen geboren werde und wachse. Diese Jungfrau war in ihrem Leben das Beispiel jener mütterlichen Liebe, von der alle beseelt sein müssen, die in der apostolischen Sendung der Kirche zu Wiedergeburt der Menschen mitwirken. " (LG 65)