[115] Das Leben Jesu nach den vier Evangelisten

17. Die Mahn- und Warnungsrede an die Jünger

A. W a r n u n g v o r d e n P h a r i s ä e r n

(Luk. 12, 1-3; Matth. 10, 26)

Als nun zahlreiche Scharen umher standen, so dass sie einander niedertraten, fing er an, zu seinen Jüngern zu sagen: „Hütet euch vor dem Sauerteige, nämlich der Heuchelei der Pharisäer. Nichts aber ist verhüllt, was nicht enthüllt, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt werden wird. Deshalb wird, was ihr in der Finsternis gesprochen habt, am hellen Tage gehört werden, und was ihr in den Kammern ins Ohr gesagt habt, das wird auf den Dächern verkündigt werden.“

B. W a r n u n g v o r M e n s c h e n f u r c h t

(Luk. 12, 4-12; Matth. 10, 26-33)

„Fürchtet sie nicht! Was ich euch in der Finsternis sage, sprecht am hellen Tage aus, und was ihr ins Ohr hört,1) predigt auf den Dächern.

„Ich sage aber euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können. Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollt: fürchtet den, der, nachdem er getötet hat, Macht besitzt, Seele und Leib in der Hölle zu verderben. Ja, ich sage euch, diesen fürchtet!

Sind nicht fünf Sperlinge um zwei Pfennige feil? Und doch, nicht ein einziger aus ihnen ist in Vergessenheit vor Gott, nicht ein einziger aus ihnen fällt zur Erde ohne euren Vater. Sogar auch die Haare eures Hauptes sind alle gezählt. Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Sperlinge.

Ich sage euch aber: Ein jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird auch der Menschensohn sich vor den Engeln bekennen und vor seinem Vater, der im Himmel ist. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor den Engeln verleugnen und vor meinem Vater, der im Himmel ist.1)

Jedem, der ein Wort wider den Menschensohn redet, wird vergeben werden. Wer aber wider den Heiligen Geist lästert, dem wird nicht vergeben werden.

Wenn man euch in die Synagogen führt und vor die Obrigkeiten und Mächtigen, so sorgt nicht, wie oder was ihr antworten oder reden sollt; denn der Heilige Geist wird euch in jener Stunde lehren, was ihr sagen müsst.“

C. W a r n u n g v o r H a b s u c h t

(Luk. 12, 13-21)

Es sprach aber einer aus der Volksschar zu ihm: „Meister, sage meinem Bruder, dass er das Erbe mit mir teile!“ Er antwortete ihm: „Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbverteiler über euch gesetzt?“ Dann sprach er zu ihnen: „Seht zu und hütet euch vor Habsucht jeglicher Art! Denn nicht durch den Überfluss hat jemand das Leben aus seiner Habe.“1)

Er sagte ihnen auch ein Gleichnis und sprach: „Die Felder eines reichen Mannes trugen reichliche Früchte. Da dachte er bei sich selbst und sprach: Was soll ich machen? Denn ich habe nicht Raum, wo ich meine Feldfrüchte unterbringen könnte. Und er sprach: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen; daselbst will ich alles, was mir gewachsen, und meine Güter zusammenbringen. Dann will ich zu meiner Seele sagen: Meine Seele, du hast viele Güter liegen auf sehr viele Jahre; ruhe nun aus, iss und trink und lass es dir wohl sein! Gott aber sprach zu ihm: Du Tor! in dieser Nacht fordert man dein Leben von dir. Was du nun gesammelt hast, wem wird es gehören? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und nicht bei Gott reich ist.“

D. W a r n u n g v o r Ü b e r m a ß z e i t l i c h e r S o r g e n

(Luk. 12, 22-31; Matth. 6, 25-34)

Er sprach auch zu seinen Jüngern: „Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht ängstlich für euer Leben, was ihr essen, noch auch für euren Leib, was ihr anziehen sollt. Das Leben ist mehr als die Speise, und der Leib mehr als die Kleidung. Betrachtet die Raben! Sie säen nicht und ernten nicht, haben weder Keller noch Scheunen, und Gott, euer himmlischer Vater, ernährt sie. Um wie vieles seid ihr mehr wert als sie! Wer von euch kann durch sein Sorgen seine Lebenszeit auch nur um eine Spanne verlängern? Wenn ihr somit nicht einmal das Geringste vermögt, warum seid ihr für das Übrige bekümmert? Und warum sorgt ihr ängstlich für die Kleidung? Betrachtet die Lilien des Feldes, wie sie wachsen. Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Ich sage euch aber: Selbst Salomon in all seiner Herrlichkeit war nicht gekleidet wie eine aus ihnen. Wenn nun Gott das Gras des Feldes, das heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird, also kleidet, um wie viel mehr euch, ihr Kleingläubigen! Ihr also, sorgt nicht ängstlich und sagt nicht: Was werden wir essen oder was werden wir trinken oder womit werden wir uns bekleiden? und strebet nicht hoch hinaus. Denn nach allem diesen trachten die Heiden; euer Vater aber weiß, dass ihr alles dessen bedürft. Sucht vielmehr zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch zugegeben werden. Darum sorgt nicht ängstlich für den morgigen Tag; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jedem Tage genügt seine Plage.“

E. E r m a h n u n g z u r L o s s c h ä l u n g v o n d e m I r d i s c h e n u n d z u m S t r e b e n n a c h d e m H i m m l i s c h e n

(Luk. 12, 32-34; Matth. 6, 19-21)

„Fürchte dich nicht, du kleine Herde! denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben. Verkauft, was ihr besitzt, und gebt Almosen. Häuft euch nicht Schätze an auf der Erde, wo Rost und Motte zehrt, und wo Diebe einbrechen und stehlen. Häuft euch aber Schätze an im Himmel, wo nicht Rost und nicht Motte zehrt, und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.“

F. E r m a h n u n g z u r B e r e i t s c h a f t

(Luk. 12, 35-40; Matth. 24, 43. 44)

„Eure Lenden seien umgürtet, und die Lampen brennend in euren Händen, und seid Leuten gleich, die ihren Herrn erwarten, wenn er von dem Hochzeitsmahle zurückkommt, damit sie ihm, wenn er kommt und anklopft, sogleich öffnen. Selig jene Knechte, die der Herr bei seiner Ankunft wachend findet. Wahrlich, ich sage euch, er wird sich aufgürten und sie zu Tische sitzen lassen und umhergehen und sie bedienen. Und wenn er in der zweiten Nachtwache kommt oder in der dritten Nachtwache kommt und sie also findet, selig sind jene Knechte.

Dieses aber beachtet: Wenn der Hausvater wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so würde er wachen und nicht in sein Haus einbrechen lassen. So seid denn auch ihr bereit; denn zu einer Stunde, da ihr es nicht meint, wird der Menschensohn kommen.“

G. E r m a h n u n g z u t r e u e r V e r w a l t u n g d e s V o r s t e h e r a m t e s

(Luk. 12, 41-48; Matth. 24, 45-51)

Es sprach aber Petrus zu ihm: „Herr! sagst du dieses Gleichnis zu uns oder auch zu allen?“ Der Herr erwiderte: „Wer ist denn der treue und kluge Haushälter, den der Herr über sein Gesinde gesetzt hat, damit er ihnen zur rechten Zeit den gebührenden Unterhalt reiche? Selig jener Knecht, den der Herr, wann er kommt, also tun findet. Wahrlich, ich sage euch, über alle seine Güter wird er ihn setzen. Wenn aber jener Knecht böse wäre und in seinem Herzen spräche: Mein Herr zögert zu kommen, und anfinge, die Knechte und die Mägde zu schlagen, mit den Säufern zu essen und zu trinken und sich zu berauschen, so wird der Herr jenes Knechtes an einem Tage kommen, da er es nicht vermutet, und zu einer Stunde, die er nicht weiß, und er wird ihn absondern und ihm seinen Anteil mit den Heuchlern geben. Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. Jener Knecht aber, der den Willen seines Herrn gekannt und sich nicht bereitet und nicht nach dessen Willen getan hat, wird viele Schläge bilekommen. Wer ihn aber nicht gekannt und getan hat, was Schläge verdient, wird wenige bekommen. Von einem jeden, dem viel gegeben worden, wird viel verlangt werden; und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man um so mehr fordern.“

H. V o r a u s s a g u n g v o n K a m p f u n d S p a l t u n g a u f E r d e n

(Luk. 12, 49-53; Matth. 10, 34-36)

„Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und was will ich, als dass es angezündet werde? Mit einer Taufe aber muss ich getauft werden, und wie werde ich geängstigt, bis sie vollendet ist! Meint ihr, ich sei gekommen, Frieden auf der Erde zu geben? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung. Denn von nun an werden fünf in einem Hause entzweit sein, drei werden wider zwei, und zwei wider drei sein: der Vater wider den Sohn, und der Sohn wider den Vater, die Mutter wider die Tochter, und die Tochter wider die Mutter, die Schwiegermutter wider ihre Schwiegertochter, und die Schwiegertochter wider die Schwiegermutter, und des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein.“1)

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1) D. h. "was ihr in vertraulichem Gespräche von mir hört".
1) Wir bekennen uns vor Jesus Christus vor den Menschen, wenn wir durch Wort und Tat bekunden, daß wir seine Jünger sind, an ihn und seine Lehre glauben, auf ihn als unsern Erlöser vertrauen, ihn als unsern Herrn und Gott lieben und seine Gebote halten. Jesus Christus wird sich dann auch zu uns bekennen, uns als seine Jünger und Freunde und Miterben anerkennen. Wer ihn aber verleugnet, den wird auch er nicht als seinen Jünger und Miterben anerkennen. Ein solcher wird nicht selig werden.
1) Der Überfluß gibt keine Gewähr, daß einer das Leben behält. Die folgende Parabel veranschaulicht diese Wahrheit.
1) Das Feuer, das der Heiland auf die Erde zu werfen gekommen ist, ist die Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt, die mit der Sendung des Heiligen Geistes beginnen und in der Kraft desselben wirken wird. Das kann jedoch erst geschehen, nachdem er durch seinen Kreuzestod die Erlösung vollendet hat. Ist jenes Läuterungsfeuer aber einmal entzündet, so wird sich auch das Feuer des Widerspruchs und der Verfolgungen entzünden.

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Guntherus de Thuringia
Guntherus de Thuringia