Elista
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Legende des Hl. Rochus

typ. Rochusdarstellung Gemälde von L. Beci (in der Kirche von Binanouva di Gabbioneta)

In Frankreich lebte in der Stadt Montpellier ein reicher Herr mit Namen Johannes, der hatte eine Ehefrau, die hieß Liberia. Sie waren lange Zeit kinderlos. Endlich wurde ihr Gebet erhört, und die Frau gebar ihrem Mann einen Sohn, der in der Taufe den Namen Rochus empfing. Das geschah um das Jahr 1295. Auf der Brust des Knaben befand sich ein rotes Kreuz in seine Haut eingedrückt, was alle als ein besonderes Gnadenzeichen ansahen. Das Kind wurde in alle Frömmigkeit erzogen. Rochus hatte jedoch kaum sein 20. Lebensjahr erreicht, da starben ihm nacheinander sein Vater und seine Mutter. Sein Vater ermahnte ihn auf dem Totenbette, er solle sich nicht blenden lassen vom Glanz dieser Welt und sein Herz nicht an Geld hängen, das er ihm hinterlasse, sondern allezeit auf jene sehen, die der Unterstützung beduften und ihnen im Namen Jesu helfen.
Der Jüngling befolgte des Vaters Rat und teilte von seinem reichen Erbe mit vollen Händen aus, bis ihm nichts blieb als ein Rock, ein Pilgerstab und ein Sack. Den nahm er auf die Schultern und zog von hinnen als einfacher Pilgersmann. Er überquerte die Alpen, denn er wollte an den Gräbern der Apostel zu Rom beten. Auf dem Wege erbettelte er sein Brot und nächtigte in den Häusern der Armen. Als er aber in die fruchtbare Ebene der Lombardei herniederstieg, da hört er, daß in Italien der schwarze Tod umging und keinen verschonte, der ihm begegnete. Die anderen Pilger, die bei ihm waren, kehrten sogleich voller Schrecken um und entflohen der furchtbaren Seuche. Er aber war angerührt von der Tod, die er antraf, und der Worte seines Vaters gedenkend, wandte er sich sogleich denen zu, dies einer Hilfe bedurften. Er besuchte die Häuser der Kranken, ging in die Spitäler und diente den von der Krankheit Befallenen mit all seiner Kraft. Doch auch in Rom wütete die Seuche gar schrecklich; er ließ sich aber nicht abhalten von seinem mitleidigen Tun; er pflegte, reichte Speise und Medizin, wachte in den Nächten bei den Sterbenden und sprach den Ängstlichen Mut zu. Unermüdlich war bei seinem Liebeswerk, überall brachte er Hilfe und Heilung, Hoffnung und Trost. So erschien er den Unglücklichen wie ein Licht in ihrer leidvollen Dunkelheit.
Auf dem Rückweg gelangte er in die Stadt Piacenza. Dort verhielt er, um auch hier die Pestkranken zu pflegen. Aber nun wurde er selbst vom Pestpfeil getroffen!
Sein Leib bedeckte sich mit häßlichen Beulen, er litt schreckliche Schmerzen und Todesangst, erfuhr also all das an sich selbst, was er vor Augen gehabt. Doch fand sich niemand, der ihn pflegen wollte. Ja, die Einwohner der Stadt beschimpften den fremden Pilgersmann und verfolgten ihn mit ihrem Haß! Um niemandem zur Last zu fallen und keinen anzustecken, schlich Rochus sich geduldig aus der Stadt und schleppte sich mühselig in eine einsam gelegene Holzhütte mitten im Wald. Dort legte er sich nieder und empfahl sich Gott. Doch siehe, es trat ein Engel zu ihm, der seine Wunden pflegte, und es entsprang ein Brunnen, daran der Kranke sich laben konnte. Es ereignete sich aber, daß an jedem Tage ein fremder Jagdhund zu ihm kam, der ein Brot im Maule trug, womit Rochus sich nährte. Der Junker aber, dem der Hund gehöre, wurde durch das seltsame Verhalten des Tieres aufmerksam auf den Kranken in der Hütte. Er nahm sich vor, ihn nicht eher zu verlassen, bis er genesen sei und versorgte ihn zum besten. Als Rochus wieder zu Kräften kam, begab er sich zusammen mit dem Edelmann in die Stadt zurück und heilte daselbst viele, bis die Gewalt der Pest gebrochen war.
Danach machte er sich abermals auf den Weg und gelangte schließlich in seine Heimatstadt. Aber die entsetzliche Krankheit und die Strapazen hatten ihn so verunstaltet, daß ihn keiner mehr erkannte. Wegen der Kriegszeiten hielt man ihn für einen Spion und warf ihn in den Kerker. Rochus dankte Gott, daß er ihn allerlei Unglück erfahren ließ, und brachte geduldig fünf ganze Jahre im Kerker zu. Als er merkte, daß sein Ende nahe sei, bat er um den Beistand eines Priesters. Der Priester erstaunte sehr, als er das finstere Loch von einem hellstrahlenden Licht erfüllt fand. Erschrocken eilte er, nachdem er dem Heiligen die letzten Tröstungen erteilt, zum Stadtrichter und sagte ihm alles, was ihm widerfahren war. Als dies in der Stadt bekannt wurde, liefen alle nach dem Turm, aber sie fanden den Heiligen tot auf dem Boden ausgestreckt und von hellem Glanz umgeben. Da wußten sie, daß sie einen Unschuldigen bezichtigt hatten, jedoch erst nachdem man dem Toten die Brust entblößt hatte, fand man das kreuzförmige Mal und erkannte nun in dem Fremdling den Sohn des Herrn Johannes. Darauf wurde er mit großem Gepränge in der Kirche bestattet.
Quelle: Melchers, Das große Buch der Heiligen