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Ein Heiliges Jahr ohne Ablaß: Das Jubeljahr, das keines sein wollte

Ein Heiliges Jahr ohne Ablaß: Das Jubeljahr, das keines sein wollte
15. November 2016 7
8. Dezember 2015: Papst Franziskus öffnete am Fest Mariä Unbefleckte Empfängnis die Heilige Pforte der Peterskirche im Vatikan.
von Roberto de Mattei*

Laut den am 12. November von Msgr. Rino Fisichella1 der Auslandspresse mitgeteilten Zahlen, werden bis zum Abschluß des Heiligen Jahres am kommenden Sonntag 21 Millionen Pilger nach Rom gekommen sein. Eine Milliarde Menschen wird die in der ganzen Welt geöffneten Heiligen Pfoten durchschritten haben. Laut den offiziellen Zahlen der Präfektur des Päpstlichen Hauses waren im Heiligen Jahr 2000 32 Millionen Menschen nach Rom gekommen. Der Rückgang beträgt demnach mehr als 30 Prozent.
Daß es einen Einbruch gab, bestätigt die Schätzung des renommierten italienischen Sozial- und Wirtschaftsforschungsinstituts Censis, die am 21. Juli 2015 von La Repubblica veröffentlicht wurde und davon ausging, daß der Bergoglio-Effekt im Heiligen Jahr 33 Millionen Pilger und Touristen nach Rom bringen werde.
Dem war aber nicht so. Der starke Rückgang der Gläubigen deckt sich mit dem deutlichen Teilnehmerrückgang an den Generalaudienzen im Laufe der dreieinhalb Jahre dieses Pontifikats. Laut offiziellen Zahlen des Vatikans nahmen 6.623.900 Menschen 2013 in den ersten neun Monaten des Pontifikats daran teil, 5.916.800 im ganzen Jahr 2014 und 3.210.860 im ganzen Jahr 2015.
Die wahren Früchte des Jubeljahres werde man, so Msgr. Fisichella, in den kommenden Jahren sehen. Was allerdings bedeutet, daß diese Früchte vorerst nicht zu sehen sind. Und die Heiligen Pforten, durch die die Milliarde Menschen, über die ganze Welt verstreute Kirchen betreten hat, wären in jedem Fall durchschritten worden und bringen daher für Rom als dem eigentlich Ort des Jubeljahres keinen Mehrwert.
Unabhängig von den Zahlen sollte das Heilige Jahr jedoch in erster Linie ein geistliches Ereignis sein, das dank der Indulgenz, also dem Ablass (Nachlass) der zeitlichen Sündenstrafen, die Gelegenheit bietet, das Leben zu ändern. Johannes Paul II. erklärte ausführlich in seinem Schreiben, mit dem er das Heilig Jahr 2000 verkündete, die enge Bindung des Ablasses an das Sakrament der Beichte. Durch die Reue und das Bekennen der eigenen Sünden erhält der Sünder die Lossprechung und kann die Heilige Eucharistie empfangen.

Wenn aber nur von Vergebung und Barmherzigkeit die Rede ist, könnten wir veranlaßt sein, zu glauben, es genüge, auch ohne Beichte die Heilige Pforte zu durchschreiten, um die Vergebung der Sünden zu erlangen.

Warum wurde in diesem Jahr so viel über die Barmherzigkeit, aber nie über den Ablaß gesprochen? Weil das die Position Luthers war. An dessen Rebellion vor 500 Jahren gegen die Kirche gedachte Papst Bergoglio in Lund. Die berühmten 95 Thesen, die Luther am 31. Oktober 1517 an die Kirchentür in Wittenberg genagelt haben soll, leugnen den Wert der Indulgenz und jedes Verdienst und jedes gute Werk. Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit, dessen Ende naht, war daher das erst Jubeljahr der Geschichte, in dem nicht über Ablässe gesprochen wurde. Ein Jubeljahr also, das gar kein Jubeljahr sein wollte.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt erschienen: Vicario di Cristo. Il primato di Pietro tra normalità ed eccezione (Stellvertreter Christi. Der Primat des Petrus zwischen Normalität und Ausnahme), Verona 2013; in deutscher Übersetzung zuletzt: Das Zweite Vatikanische Konzil – eine bislang ungeschriebene Geschichte, Ruppichteroth 2011. Die Zwischentitel stammen von der Redaktion.