M.RAPHAEL
1589

Ist ein würdiger und ehrfürchtiger Vollzug des NOM möglich? Teil 2

Im ersten Teil habe ich ein Zitat von Martin Mosebach vorgestellt, das in einen etwas längeren Absatz eingefügt ist. Hier ist der vollständige Absatz:

„Ich habe Ihnen meine Überzeugung geschildert, dass es nicht möglich ist, ohne die überlieferten Formen der Ehrfurcht und der Anbetung die Ehrfurcht und die Anbetung zu bewahren. Natürlich wird es immer den gnadenerfüllten Menschen geben, der beten kann, auch wenn man ihm alle Mittel dazu aus den Händen geschlagen hat. Und sicher gibt es viele, die mich besorgt fragen werden, ob ich glaube, dass man die neue Liturgie Papst Paul VI. nicht auch würdig und ehrfürchtig vollziehen könne. Selbstverständlich ist das möglich, aber gerade diese Möglichkeit ist das wichtigste Argument gegen diese neue Liturgie. Man hat gesagt, dass die Monarchie tot sei, wenn es zu ihrem Überleben eines fähigen Monarchen bedürfe, denn der Monarch im alten Sinn legitimiert sich nicht durch sein Talent, sondern durch seine Geburt. Viel besser lässt sich dieser Satz auf die Liturgie anwenden: Sie ist tot, wenn es zu ihrem Vollzug eines frommen und guten Priesters bedarf. Niemals darf es möglich sein, dass die Gläubigen die Liturgie als Leistung des Priesters betrachten. Sie ist nicht das Ergebnis einer glücklichen Stunde, persönlichen Charismas, niemanden kommen Verdienste für sie zu. In ihr wird die Zeit aufgehoben – die Zeit in der Liturgie ist eine andere als die, die außerhalb der Kirchenmauern abläuft. Es ist die Zeit Golgothas, die Zeit des einzigen und einmaligen Opfers – „hapax“ – und diese Zeit enthält alle Zeiten und keine. Wie kann man einem Menschen sichtbar machen, dass er die Gegenwart verlässt, wenn der Raum, den er betritt, aus lauter, höchst individueller Gegenwart besteht? Wie klug war die alte Liturgie, als sie sich entschloss, der Gemeinde das Gesicht des Priesters zu entziehen – seine Zerstreutheit und Kälte, oder, wichtiger noch, seine Andacht und Ergriffenheit.“ Martin Mosebach, Häresie der Formlosigkeit, Seite 25 – 26.

Der ganze Absatz macht seine Position, der ich mich natürlich anschließe, etwas verständlicher. Hintergrund ist das falsche Selbstverständnis der Moderne, dass Realität durch menschliche Funktion entsteht. Für dieses legitimiert nur das Machen und Handeln Existenz. Das reine unverdiente Sein gibt es nicht. Der moderne Mensch ist davon überzeugt, dass er sich alles, absolut alles, erarbeiten kann, auch den Himmel. An Liebe, die sich ohne Blick auf eine Gegenleistung verschenkt, glaubt er nicht. Entsprechend braucht eine würdige NOM Liturgie einen würdigen Macher. Sie wird umso andächtiger und ergriffener, umso andächtiger und ergriffener der Zelebrant ist. Aus moderner Sicht kann man dann durchaus eine „würdige“ Zelebration erkennen.

Das hat mit der Wahrheit natürlich nicht im Geringsten zu tun. Die Liturgie ist nicht Menschenwerk, sondern das Geschenk Gottes. Sie benötigt nicht menschliche Genies. Sie ist ohne Kalkül auf Gegenleistung. Die ganze Welt ist die faktische Realität Seiner unverdienten Liebe. Leo Scheffczyk hat recht: Eucharistie u. Materie: L. Scheffczyks Theologie der eucharistischen Wandlung

Damit entzieht sich auch die Heilige Liturgie der menschlichen Kontrolle. Das fromme Kind Gottes betet nicht an, weil es muss. Es betet an, weil es von der unvorstellbaren Liebe geradezu überwältigt wird. Wir unterwerfen uns nicht, um nicht bestraft zu werden. Wir knien nieder, weil wir für die unfassbare Herrlichkeit der himmlischen Anbetung radikal verwundbar sind. Es ist ohne jegliches Kalkül. Im Gegenteil, dafür sind wir bereit, jedes Leid auf uns zu nehmen (z.B. die Fatima Kinder). Alles andere wäre minderwertig.

Martin Mosebach benutzt das Beispiel der irdischen Monarchie, um dem modernen Leser eine leichter zu verstehende Idee von einer Welt zu geben, in der noch nicht die menschliche Hybris der funktionalen Selbstbestimmung gemäß Kriterien der Nützlichkeit geherrscht hat.

Ich bin froh, dass sein Buch wieder leicht erhältlich ist. Natürlich ist es lesenswert.
Alexander VI.
In der Tat kommt die Alte Messe dem Zelebranten vielfältig entgegen. Durch die Gesten, die Körperhaltung und das Latein wird es dem Zelebranten sehr viel schwerer gemacht einfach etwas hinzuhudeln, wozu der NOM fast schon einläd.
Interessant wäre die Einschätzung von Zelebranten, die in beiden Riten zelebrieren, wie z.B. Bischof Olivieri oder Erzbischof Haas.