Predigt von Pfarrer Maximilian Pühringer zum heutigen Sonntag, 7.7.2024

Predigt 14. Sonntag im Jahreskreis, 7.7.2024
Perikopen: 2 Kor 12,7-10Mk 6,1-6
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
„Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark,“ schreibt Paulus der Christengemeinde in Korinth. Das klingt doch irgendwie nicht ganz normal, wenn man menschliche Schwäche als Stärke präsentiert. Schwach ist schwach und stark ist stark. Dazwischen gibt es nichts. Das ist gnadenloses Gesetz der Evolution, dass das Stärkere sich durchsetzt. Das Christentum sieht das Ganze anders. Es war von Anfang an eine Religion der Armen, Schwachen und Kleinen. „Lasst die Kinder zu mir kommen,“ sagt Jesus. Und „das Schwache, Niedrige und Verachtete hat Gott erwählt, um das Starke zu Schanden zu machen,“ heißt es ebenfalls im Korintherbrief. Das Christentum hat eine Schwäche für die Schwachen. Bei diesem Gedanken wollen wir heute etwas stehen bleiben. Erstens: Zu den Schwächen stehen. Das braucht viel Mut. „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ Das ist für Paulus keine theoretische Floskel. Es ist die Wahrheit seines Lebens, die er mutig ausdrückt, zu der er steht. Er macht sich nichts vor, der Mensch ist ja oft Meister im Vormachen. Er weiß, dass er oft genug am Boden liegt, geplagt durch Arbeit, Krankheit und Widerstände. Aber, und das ist das Entscheidende, er weiß sich von Christus angenommen. So kann er seine Schwächen und Niederlagen annehmen. Christus hat das Ganze Menschsein angenommen. Er hilft uns immer beim Annehmen. Dadurch wird der Mensch freier. Issak von Ninive, ein Einsiedler im 7. Jahrhundert, sagt: „Wer seine eigene Schwachheit kennt, der ist größer als jemand, der Engel schaut.“ Das ist eine Logik, die unserer oft so halbstarken Logik eher widerspricht. Warum fällt es uns denn so schwer zu den Schwächen zu stehen, auch Schwächen und Versagen von Gesellschaft und Kirche einzugestehen? Warum machen wir uns oft so viel vor, bauen uns Fassaden und streichen sie stets von Neuem an. Mitunter halbieren wir die Wirklichkeit des Lebens, sehen nur die Sonnenseite und blenden die Schattenseite aus. Das ist nicht stark, sondern halbstark. Halbstark ist jedoch schwach. Es ist ein Zeichen von Stärke die Schwächen anzunehmen. Christus hilft dabei. Das muss in unser Herz hinein. Zweitens: Wir glauben an einen Gott, der sich für uns der Schwachheit ausgeliefert hat. Wir Christen schauen auf einen verwundeten, angeschlagenen Gott am Kreuz, und das nicht nur in der Fastenzeit. Jesus siegt nicht, in dem er sich wehrt, sondern durch Erbarmen und Treue bis zur Hingabe des eigenen Lebens. Er ist der lebendige Einspruch und Widerspruch gegen alle Helden und und Götterbilder, die sich die Menschen ausdenken, um die eigenen Schwächen auszugleichen. Diese ganzen Bilder sind vom Podest gestürzt worden durch denjenigen, der nackt im Stall geboren wurde und nackt am Kreuz starb. Jesus ist unseren Weg gegangen um mit den Schwachen zu sein und sie durch seine Nähe zu befreien. Er zeigt die Wunden, damit wir unsere Verwundungen nicht verstecken müssen. An einen solchen Gott glauben wir. Das muss freilich Auswirkungen haben. Drittens: Auswirkungen, wie wir mit dem Nächsten umgehen. In der frühen Kirche standen zunächst Passion und Kreuz im Mittelpunkt. Das Leiden Jesu sollte Herz und Auge öffnen für das Leiden der Menschen. Durch wirkliches Mitleid, denken wir an den barmherzigen Samariter, dem es beim Anblick des Halbtoten die Eingeweide innerlich aufreißt, sollten Menschen angespornt werden, für ihre Brüder und Schwestern da zu sein. Das war etwas ganz Neues, dass man durch den Glauben füreinander zum Bruder und zur Schwester wird. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, habt ihr für mich getan.“ Freilich daran nimmt man mitunter Anstoß, wie die Menschen in der Heimat Jesu. „Ist das nicht der Zimmermannssohn?“ Der soll der Sohn Gottes ein? Das kann doch nicht wahr sein. Schaut doch dem seine Familie an. Der ist auch nicht besser als wir. Die Leute glauben Jesus nicht, weil er kein Superheld ist. Das bleibt anstößig. Aber noch einmal, damit wir uns das Ganze merken. Erlöst sind wir nie durch die Macht der Mächtigen, sondern dadurch, dass sich Gott auf unsere menschliche Schwäche einlässt. „Er, der reich war, wurde aus Liebe arm, und durch seine Armut hat er uns reich gemacht,“ ist ebenso eine wichtige Botschaft des hl. Paulus.
Liebe Brüder und Schwestern!
„Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ Das ist christliches Grundprogramm. Gegenprogramm für eine Welt, in der das Recht des Stärkeren zählt. Es braucht viel Mut an einen Gott zu glauben, der sich auf die Schwäche einlässt, und so selber für die Schwachen da zu sein und einander zum Bruder und zur Schwester zu werden. „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ Nehmen wir uns heute diesen Satz mit seiner dichten und tiefen Botschaft mit. Amen.