Sprechstunde beim Seelenarzt. Von Hw. Herbert Stichaller.

Der Beitrag ist dem Satiremagazin "Päpstlicher Ehrenkaplan" entnommen.

Patient 1: Ich habe immer alles für meine Frau getan. Ich habe Ihr ein E-Auto gekauft, ein Abonnement im vegetarischen Restaurant geschenkt und sie auf jede Dienstreise mitgenommen. Nun will sie den Schlüssel für den Benziner zurück, denkt öfter daran wieder Fleisch zu essen und geht lieber in den Wald als mit mir nach Dubai zu fliegen. Irgendetwas stimmt nicht. Sie hat heimlich im Satellitenprogramm den Sender AUF1 installiert und wechselt vor ZIB1 zum Wegscheider auf SERVUS TV. Neulich habe ich sie bei einem Heimatfilm erwischt. Ich hege den Verdacht, sie könnte bei der nächsten Wahl anders wählen.

Arzt: Es ist durchaus lobenswert, wie Sie sich um Ihre Frau kümmern. Sie müssen aber ihretwegen nicht besorgt sein. So eine Veränderung machen jetzt viele im Land durch. Sie sollten auf sich selbst schauen, um im Herbst bereit zu sein. Sie werden stark sein müssen. Es könnte sein, dass sich der Wind dreht. Bei Windrädern spielt es keine Rolle, aus welcher Richtung er weht, in der Politik allerdings schon. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie einige Ihrer Lieblingsschauspieler nicht mehr sehen werden. Ihre Frau wird Ihnen Beistand leisten. Sie ist klug genug zu wissen, was kommt.

Patient 2: Ich habe Angst, dass in diesem Jahr meine E-Card gesperrt wird, weil kein Foto drauf ist. Dabei hat die Polizei noch ein Fahndungsfoto von mir.

Arzt: Vermutlich liegt Ihr Delikt schon etwas länger zurück. Besorgen Sie sich einfach ein neues. Ein kleiner Tipp: Der Porträtfotograf macht bessere Bilder als jede Überwachungskamera und kommt Ihnen auch billiger als ein neues Foto von der Polizei.

Patient 3: Den Worten von Päpsten habe ich nie Beachtung geschenkt, bis Franziskus kam. Seine ersten Worte vom Balkon werde ich nie vergessen: Buonasera! Seither höre ich jeden Gruß von ihm, sei es am Morgen, zu Mittag oder am Abend. Nun mache ich mir ernsthaft Sorgen. Ich habe schon zwei Nächte nicht mehr von ihm geträumt. Der Pfarrer hat ihn nur dreimal in der Predigt erwähnt und der Bischof lobt ihn in seinem Hirtenbrief erst im vierten Absatz.

Arzt: Keine Sorge! Bergogliolitis ist ein vorübergehendes Phänomen, bei dem die Betroffenen zwar alles hören, doch die Untertöne nicht wahrnehmen. Als Therapie empfehle ich die Feier der Heiligen Messe im alten Ritus, wo man noch darauf hört, was Gott sagt.

Patient 4: Zwei Seelen wohnen in meiner Brust. Einerseits möchte ich mit dem Auto fahren, um am Christophorus-Sonntag für jeden unfallfrei gefahrenen Kilometer möglichst viel für die Mission zu spenden, an- dererseits will ich auch das Klima schützen. Doch je mehr ich für das Klima tue, desto weniger bekommt die Mission.

Arzt: Ihr Dilemma lässt sich lösen, in- dem Sie sich ein Klimaticket besorgen und Ihr Auto jemand überlassen, der Ihnen zum Christophorus-Sonntag den Kilometerstand bekanntgibt. So können Sie viel spenden und gleichzeitig etwas Gutes für das Klima tun.

Patient 5: Ich habe den Glauben verloren. Ich glaube nicht mehr an den Urknall, nicht an die Mondlandung und auch nicht mehr an das Virus. Der einzige Glaube, der mir geblieben ist, ist der Glaube an Gott.

Arzt: Sie sind in bester Gesellschaft. Auch die Hl. Theresia von Avila sagt: »Sólo Dios basta. – Gott allein genügt.«
Usambara
Usambara
Super Beiträge - kann ich mir lebhaft vorstellen! 😂 😂
Norbert Kasper
Gefällt mir- ich liebe Satire. Bei manchen Menschen bin ich es leid normal zu sprechen, nützt meistens ja doch nichts. Da ist ein satirischer Beitrag richtig erfrischend!!