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Demütiger Stolz

Demütiger Stolz

Von P. Bernward Deneke FSSP


Als Christen müssen wir stolz sein!

Um nicht falsch verstanden zu werden: Demut ist eine grundlegende christliche Tugend, Stolz hingegen eine Wurzelsünde, sogar die Wurzel aller Wurzelsünden. Darum wird die Bibel nicht müde, die Geringen zu rühmen und die Großmächtigen zu warnen. Gott „zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinnen; Mächtige wirft Er vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,51f.), sagt jene Magd des Herrn, auf deren Niedrigkeit Er herabgesehen hat (Lk 1,48). Jesus fordert Seine Jünger auf: „Lernet von mir, denn ich bin sanft und demütig von Herzen.“ (Mt 11,29) Und der Ranghöchste unter den Aposteln, selbst ein Gedemütigter, weiss genau, daß „Gott den Hochmütigen widersteht, den Demütigen aber Seine Gnade gibt“ (1 Petr 5,5).

Die Stellung der Demut soll also in keiner Weise in Frage gestellt werden. Ebensowenig rede ich dem sündhaften Stolz das Wort. Doch denken wir uns einmal folgende Situation: Ein Jugendlicher aus christlichem Haus vernimmt tagaus tagein die Mahnung seiner Eltern, er solle nur ja recht demütig und bescheiden sein. Von sich selbst gering zu denken, nicht besser sein zu wollen als die anderen, ihnen den Vortritt zu lassen, Autoritäten zu achten, ihnen mit gehorsamer Unterwürfigkeit zu begegnen und ihren Anordnungen zu folgen – alles das wird diesem jungen Menschen zur zweiten Natur. Immer fein zurücktreten und schweigen! Niemals aufbegehren oder ausscheren!

Solange das Milieu, das den Heranwachsenden umgibt, in Ordnung ist und die Vorgesetzten ihre Vollmacht verantwortungsvoll gebrauchen, mag eine solche Haltung tugendhaft sein. Wandelt sich aber die Lage und hat er es mit Personen zu tun, die sich von falschen Vorstellungen leiten lassen, mit einer Obrigkeit, die Zweifelhaftes fördert und fordert, dann bekommt die Sache ein anderes Gesicht. Zwar muß auch unter solchen Bedingungen die christliche Demut bestehenbleiben. Doch zeigt sich spätestens hier, daß sie einer Ergänzung bedarf. Einer Art Stolz.

An dieser Stelle ist eine Klärung am Platz. In frommen Ohren hat das Wort Stolz einen schlechten Klang, da es sogleich als sündhafte Selbstüberhebung verstanden wird. Tatsächlich aber handelt es sich dabei um einen zunächst neutralen Begriff. Stolz sein bedeutet: den Nacken nicht beugen, Dienst und Unterwerfung verweigern. Es ist einleuchtend, daß Stolz gegenüber Gott und den Menschen, die einen berechtigten Anspruch an uns geltend machen, eine schwere Verfehlung darstellt. Wie jedoch verhält es sich, wenn uns ein Unrechtsregime, eine gottlose Institution oder einfach nur der moralisch verkommene Zeitgeist in die Knie zwingen will? Wenn gar der Teufel uns auffordert, ihm zu huldigen? Ist da nicht das herrisch-stolze Wort Christi am Platz: „Weiche Satan! Denn es steht geschrieben: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und Ihm allein dienen“ (Mt 4,10)?

„Agnosce, o Christiane, dignitatem tuam“, ruft der hl. Papst Leo der Grosse in einer berühmten Weihnachtspredigt aus: „Erkenne, o Christ, deine Würde.“ Gemeint ist die Würde, die unserer Erwählung und Wiedergeburt zu Gotteskindern entstammt. Der Adel von Gliedern am Mystischen Leib Jesu Christi, die teilhaben an Seinem Fleisch und Blut. Und die Zierde von Tempeln des Heiligen Geistes. Würde, Adel und Zierde dieser Art verstärken im gläubigen Herzen die Gesinnung tiefer Demut vor Gott, dem allein die gnadenhafte Erhebung zu verdanken ist. Zugleich erwecken sie aber auch das Bewußtsein der eigenen Kostbarkeit und damit verbunden das kämpferisch-kompromißlose Nein gegenüber jeder Macht, die uns solche Herrlichkeit rauben will. „Lieber sterben als sündigen“, hielt Maria Goretti ihrem Mörder entgegen. Ja, lieber sterben als die christliche Würde der Gottlosigkeit, Niedertracht und Unzucht preiszugeben, das ist die Haltung demütigen Stolzes.

Wer jungen Menschen in unserer Zeit nur von Demut und Unterordnung spricht; wer ihnen nicht sagt, daß Gott ihnen hohen Adel verliehen hat; wer ihnen nicht hilft, den aufrechten Gang auch unter erschwerten Bedingungen zu wahren, das Haupt angesichts der Verführer und Bedränger zu erheben: „Für das, was du mir da anbietest, bin ich mir einfach zu schade; es ist unter meiner Würde“ – wer also diese Seite des christlichen Lebens unterschlägt, der produziert exakt jenes Duckmäusertum, jene falsche Bescheidenheit und Angepaßtheit, durch die das Imperium des Fürsten dieser Welt besteht und sich beständig ausbreitet. Es gibt keine Alternative zum demütigen Stolz!
michael7
Ich würde statt von "Stolz" lieber von "Liebe zur Wahrheit" sprechen! Das ist es, was unüberwindlich macht und was Maria auch in ihrem Magnifikat zum Ausdruck bringt!
Liebe zur Wahrheit bedeutet letztlich nichts anderes als Liebe zu Gott!
Waagerl
Kann jeder handhaben, wie er will! Hier giebt es ja verschiedene Wahrheiten im Forum und jeder behauptet von sich, dass es ja nur Gott zuliebe ist!
michael7
Da es keine widersprechenden "Wahrheiten" geben kann, sondern nur die eine Wahrheit (Gott), wird sich auch nur die wahre Liebe zur Wahrheit "bewahrheiten"!
Waagerl
Natürlich, deshalb haben sich selbst die Apostel gestritten!
michael7
@Waagerl: Der Mensch denkt, Gott aber lenkt! - Am Ende kann nur Gottes Wahrheit sich als wirklich wahr herausstellen. Darum haben die Apostel auch immer wieder zur Einheit gefunden, weil sie nicht besserwisserisch oder sektiererisch waren!
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