Predigt von Pfarrer Maximilian Pühringer zum Sonntag, 5.11.2023

Predigt 31. Sonntag im Jahreskreis, 5.11.2023
Perikopen: 1 Thess 2,7b-9.13Mt 23,1-2
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Vor einigen Tagen haben wir Allerheiligen gefeiert. An den meisten Wochentagen begehen wir das Gedächtnis bekannter und weniger bekannter Heiliger. Für mich ist es wichtig, dass wir uns mit den Heiligen beschäftigen. Sie sind Wegweiser zum erfüllten Leben. So haben wir vergangenen Freitag den Apostel Münchens, den seligen P. Rupert Mayer gefeiert. Er ist für mich ein anziehendes Beispiel. So möchte ich ihm die Predigt widmen. Zuerst werde ich sein Leben erzählen und dann möchte ich uns das nahe bringen für was er immer eingetreten ist, die Wahrheit. Er ist Zeuge der Wahrheit. Geboren wurde er 1876 in Stuttgart. Von Kindheit an hatte er den Wunsch Priester zu werden. Im Jahr 1899 wurde er als Weltpriester geweiht, trat dann jedoch in den Jesuitenorden ein. 1912 wurde er zum Seelsorger für die Zuwanderer der Großstadt München bestimmt. Er knüpfte Kontakte zu Arbeitern und Handwerkern, half ihnen in Notlagen und vermittelte Arbeitsplätze. Im Ersten Weltkrieg wurde er Militärpfarrer. Schwer verwundet kehrte er nach München zurück und trug seitdem eine Beinprothese. Er wurde Präses der Marianischen Männerkongregation, wo er sich um die Vertiefung christlicher Werte kümmerte. Inzwischen galt er in München als Stimme der Katholiken. Eine besondere Initiative waren seine Bahnhofsgottesdienste. Da viele Münchner den arbeitsfreien Sonntag für Ausflüge nutzten, predigte er ab 1925 sonntags mehrmals in der Halle des Münchner Hauptbahnhofs und es wurde dort stündlich die Heilige Messe gefeiert, die immer gut besucht war. Wie viele würden heute noch Mühe auf sich nehmen den Gottesdienst zu besuchen, wenn sie einen Ausflug machen? In der unruhigen Zeit nach dem ersten Weltkrieg besuchte Pater Mayer zahlreiche politische Veranstaltungen. So erlebte er den Aufstieg Hitlers, den er in seinem Tagebuch bereits in den 20er Jahren als „Hysteriker reinsten Wassers“ bezeichnete. Schon früh war ihm klar: Ein Christ kann und darf kein Nationalsozialist sein. Nach Hitlers Machtergreifung predigte er offen gegen die neuen Machthaber, weshalb ihm 1937 ein Predigtverbot erteilt wurde. Als er dieses ignorierte, wurde er verhaftet, auf Druck von Kardinal Faulhaber und der Münchner Katholiken jedoch wieder freigelassen. Wegen erneuter Verstöße gegen das Predigtverbot wurde er von Januar bis Mai 1938 im Gefängnis in Landsberg am Lech interniert. Danach predigte er nicht mehr, wurde aber im November 1939 in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, da er sich geweigert hatte, das Beichtgeheimnis preiszugeben. Kardinal Faulhaber erwirkte 1940 die Verlegung des nunmehr 64-jährigen, gesundheitlich sehr angeschlagenen Jesuiten in das Benediktinerkloster Ettal, unter der Auflage, dieses nicht zu verlassen und die heilige Messe nur in der internen Hauskapelle zu feiern. „Seitdem bin ich lebend ein Toter“, schrieb Rupert Mayer in sein Tagebuch. „Ja dieser Tod ist für mich, der ich noch so voll Leben bin, viel schlimmer als der wirkliche Tod, auf den ich schon so oft gefasst war.“ Er, der immer Seelsorger war, durfte nicht mehr Seelsorger sein. Nach Kriegsende kehrte er in das zerstörte München zurück und nahm die Seelsorge wieder auf. Obwohl gesundheitlich angeschlagen, hielt er am Allerheiligentag 1945 in der kleinen Kreuzkapelle neben der zerstörten Michaelskirche den Acht-Uhr-Gottesdienst. Der 69-Jährige verlas das Evangelium der Seligpreisungen und stellte die Eucharistie in die Mitte seiner Predigt. Aus dieser "Nahrung" schöpften die Menschen ihre Kraft zum Einsatz für den Nächsten. "Es ist der Herr", sagt der Pater mit kräftiger Stimme, doch er brachte den Satz nicht zu Ende. Zweimal noch waren leise die Worte "der Herr, der Herr" zu
vernehmen. Dann war es totenstill in der Kapelle. P. Rupert
Mayer hatte ein Gehirnschlag ereilt. Alle schauten auf den Prediger, der vorn in der Kirche weiter stand - verstummt, aber aufrecht. Seine Prothese, die er seit einer Verletzung und der Amputation des linken Beines im Ersten Weltkrieg trug, hielt ihn am Altar angelehnt. "Selbst im Tod ist Pater Mayer nicht umgefallen", haben die Münchner bald gesagt. P. Rupert Mayr ist standfest eingetreten für die Wahrheit. Im Blick auf ihn dürfen wir uns die Gewissensfrage stellen: Wie halte ich es mit der Wahrheit? Da geht es zuerst einmal um die Wahrheit im Kleinen. Was sage ich? Wo täusche ich mich oder meine Mitmenschen über etwas hinweg? Habe ich den Mut zur Wahrheit zu stehen, auch wenn sie vielleicht unbequem ist und mir mitunter Ärger und Unfriede einbringt. Es hat damit zu tun, dass ich den Dingen auf den Grund gehe, und mir nicht von den Medien alles vorgaukeln lasse, was oft gar nichts mit dem Wahren zu tun hat. Oft schaltet auch das Nützlichkeitsdenken die Wahrheit aus. Wenn ich zum Beispiel einen rechtmäßigen Versicherungsschaden beim Auto habe, dann ist es nützlich, wenn ich einen alten Kratzer, der mir selber mal passiert ist, dazu nehme. Das fällt ja nicht auf und mir nützt es. Aber wahr ist es nicht mehr. Das Gute und Wahre wird heute oft zu Gunsten des Nützlichen aufgegeben. Ist nicht oft der Nutzen der höchste Maßstab unseres Lebens und Glaubens? Schalten wir nicht selber oft die großen Glaubenswahrheiten aus, weil sie uns ja nichts Nützen? Und da möchte ich die Wahrheit noch mit dem Katholisch sein verbinden. Als P. Rupert Mayer 1937 vor Gericht stand sagte er: „Weil ich grundkatholisch bin, deshalb stehe ich vor dem Richter.“ Was heißt das? Für mich ist grundkatholisch, dass man nicht im eigenen Namen spricht und handelt, sondern im Namen Jesu. Jesus sagt: „Ich bin im Namen meines Vaters gekommen und ihr lehnt mich ab. Wenn aber ein anderer in seinem Namen kommt, dann werdet ihr ihn annehmen.“ Dieses Wort Jesu hat sich in der Geschichte oft bestätigt. Christus hat das Reden im eigenen Namen als sicherstes Kennzeichen des Antichrist hingestellt. Wer sich selbst zum Maßstab und Retter der Welt macht, ist ein Lügner. Das hat P. Rupert Mayer am Nationalsozialismus so angewidert und deshalb sagt er: „Ich bin grundkatholisch. Ich spreche nicht im eigenen Namen, sondern im Namen Jesu. „Weil ich grundkatholisch bin?“ Wagen wir das über uns zu sagen? Oder haben wir uns den Glauben und die Kirche schon so zusammengezimmert, dass er nur mehr Produkt unserer Wünsche und Anschauungen ist? Freilich eines wusste P. Rupert Mayer immer, und davon war er getragen. Dort, wo wirkliche Liebe ist, da ist Wahrheit. Diese Wahrheit in der Liebe versuchte er ein Leben lang in seiner Seelsorge zu üben, auch wenn, wie bei jedem Menschen, sicher nicht immer alles angekommen ist. Und, was auch noch erwähnt werden muss, P. Rupert Mayer hat für die Wahrheit sehr gelitten. Uns würde es nicht schaden, wenn wir hin und wieder für die Wahrheit ein bisschen etwas aushalten.
Liebe Brüder und Schwestern!
Das war ein kleiner Blick auf einen großen Glaubenszeugen der Wahrheit. Vielleicht können wir uns ja etwas für uns mitnehmen. So schließe ich mit einem Zitat des seligen P. Rupert Mayer, das verblüffend unsere Zeit trifft: „Unsere Zeit ist geprägt von der Auflösung sämtlicher Werte in der Gesellschaft und man ist überzeugt, in einer von Wohlstand und Reichtum geprägten Umgebung der religiösen Gleichgültigkeit, gepaart mit einer wachsenden Distanz zur Kirche, leben zu können.“ Und dann ermutigt uns der große Seelsorger weiter: „So versuchen wir mit aller Entschiedenheit und Klarheit, den Weg Jesu Christi in Wahrheit zu leben.“ Möge uns das gelingen. Amen.
RupertvonSalzburg
Lieblingsgebet von P. Rupert Mayer mit Oswald Sattler: Herr, wie Du willst!