Zu den einfachen Bedürfnissen, auf die man sich sonst nie besinnt, weil sie nie zum Hunger werden, gehört auch die Heimat. Damit meine ich nicht das Vaterland - das gehört schon zu den höheren, …Mehr
Zu den einfachen Bedürfnissen,
auf die man sich sonst nie besinnt,
weil sie nie zum Hunger werden,
gehört auch die Heimat.

Damit meine ich nicht das Vaterland -
das gehört schon zu den höheren,
geistigeren Gaben und Bedürfnissen.

Ich meine die Bilder, die jeder von
uns als sein bestes Erinnerungsgut
aus der Kindheit bewahrt hat.

Sie sind nicht darum so schön, weil
die Heimat unbedingt schöner wäre
als die andre Welt; sie ist bloß

darum so schön, weil wir sie zuerst,
mit der ersten Dankbarkeit und Frische
unserer jungen Kinderaugen gesehen
haben.

Das ist keine Sentimentalität. Das
Sicherste, was wir haben, wenn wir nicht
die höchsten Stufen im Geistigen erreicht
haben, das ist die Heimat.

Man kann verschiedenes darunter verstehen.
Die Heimat kann eine Landschaft sein, oder
ein Garten, oder eine Werkstatt, oder auch
ein Glockenklang, oder ein Geruch.

Das, worum es sich handelt, ist die Erinnerung
an die Zeit des Heranwachsens, an die ersten,
stärksten, heiligsten Eindrücke unseres Lebens.

Dazu gehört die Mundart der Heimat. Mir, der ich
in der Fremde lebe, ist bei jedem Heimkommen
der erste schwäbische Bahnschaffner ein wahrer
Paradiesvogel!...

Es ist ans Innerste gerührt, an den kleinen sicheren
Schatz, den wir aus den Jahren der frühesten Jugend
haben. Da liegen Bilder und Eindrücke durcheinander,
man schätzt sie oft wenig, aber alles zusammen ist

eine satte Lösung, an die man nicht rühren kann,
ohne daß es Kristalle gibt.

* * * * * * *

- Hermann Hesse -