M.RAPHAEL
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Einwohnung und Verantwortung

Der Katholik beginnt mit dem Pfingstereignis (vgl. Apg 2,4). Ohne diese Einwohnung des Heiligen Geistes, der der Herr selbst ist, gäbe es kein Christentum. Paulus bringt es in Gal 2, 19 und 20 auf den Punkt: „nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“.

Der Katholik unterwirft sich der Leitung durch den Heiligen Geist, weil er sonst nicht ordnungsgemäß in den mystischen Leib des Herrn integriert werden kann. Das ist zutiefst gegen den Geist der Aufklärung, wie Kant ihn im Dez. 1784 definiert hat: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Dagegen will und bejaht der Fromme, mutig und entschieden, die Leitung durch einen anderen: den Heiligen Geist. Kann er das verantworten?

Die Frage ist von großer Bedeutung. Wenn der Mensch sich von einem einwohnenden Geist, der nicht er selbst ist, leiten lässt, muss er sich fragen lassen, ob das nicht der Geist des Bösen ist? Vielleicht ist er von einem Dämon besessen, besonders wenn Er ihn in ein Kartäuserkloster führt, damit er dort den Rest seines Lebens in einer Zelle für „nichts und wieder nichts“ dahinvegetiert, ohne produktiv an der irdischen Utopie einer humanen Welt mitarbeiten zu können.

Nein, es ist kein Dämon. Wenn der Heilige Geist anklopft und um Einlass bittet, dann weiß die Seele in demselben Moment, dass Er die Liebe, die vollkommene Selbsthelle, Demut, Aufopferung und Hingabe ist und all das von ihr für immer verlangen wird, immer schon verlangt hat. D.h. die von Gott „besessene“ Seele kann gerade nicht auf jede Verantwortung verzichten, im Gegenteil, sie muss sich unablässig vor Gott und Seiner Liebe, die immer auch unbedingte Nächstenliebe ist, rechtfertigen. Sie kann sich auch nicht hinter einer perfekten Regelverfolgung verstecken, sie ist immer und überall vor Gott dran. Sie kann nicht unzüchtige Liebesbeziehungen pflegen, nur weil sie, z.B. im Kloster, alle Vorschriften akribisch einhält.

Die Seele, in der Gott wohnt, muss sich unablässig fragen, ob sie Ihm nachfolgt, ob Sie Ihm entspricht? Gott liebt Seine Geschöpfe. Er will ihrem Willen entsprechen, natürlich ohne jemals dem eigenen Willen zu widersprechen. Gott will deshalb, dass der Mensch, in dem Er wohnt, immer liebe- und verständnisvoll mit allen Menschen und mit Seiner gesamten Schöpfung umgeht, weil diese sehr gut ist (vgl. Gen 1,31). Niemals darf sich ein Katholik auf einen Kampf um Herrschaft einlassen. Niemals darf er hassen oder verachten. Weil ihm die Beziehung der individuellen Seele mit Gott verborgen ist, darf er auch nicht urteilen oder verurteilen. Wenn er vor der Hölle warnt, dann ist das keine menschenverachtende Drohung, sondern eine liebevolle Warnung. Das gilt für jede Kritik. Selbst eine scheinbare lieblose Beschimpfung wird in diesem Geist zu einem Versuch, dem Aggressor seine Lieblosigkeit zu spiegeln.

Jedes Lebewesen, weil Teil der göttlichen Schöpfung, die grundsätzlich gut ist, hat Respekt und Mitgefühl verdient. Der Katholik sieht alles durch die Brille Gottes. Wie der Herr, der die Liebe selbst ist, will er so weit wie überhaupt möglich, auch Liebe werden.

Die Zisterzienser verstehen sich übrigens genau deshalb als eine Schule der Liebe. Wenn sie Gott im Chorgebet anbeten, werden sie innerlich leer und dadurch umso mehr empfangsbereit für die Ewige Wahrheit. Dann strahlt das Heilige, der einwohnende Herr, aus ihnen heraus. Ein unsichtbarer Schein über ihren Köpfen beginnt sich zu zeigen. „Deus, in adiutorium meum intende...................“ Im frommen Chorgebet wird es hörbar. Es ist atemberaubend schön und erfüllend, ein Zisterzienser zu sein. Es lohnt sich für den Katholiken, sich anzustrengen. Wer fast nur in der Welt des Irdischen lebt, ist in der Seinshierarchie des Heiligen tiefer angesiedelt. Er fährt halt nur einen Tretroller und keine Luxuskarosse, der arme Verwirrte.

Weil Gott die vollkommene Selbsthelle ohne dunkle Geheimnisse ist, verlangt Er das auch von Seinen Seelen. Alle Abgründe müssen durch Selbstreflexion im Geist der himmlischen Liebe aufgedeckt werden. Das ist das Prinzip der Heiligen Beichte. Niemals ist der Katholik ein Obskurant, der die Komplexität der heutigen Gesellschaft als Ausrede benutzt, um sich nicht mehr demütig kritisch hinterfragen zu müssen. Das ist genau das Problem des Modernismus und damit auch der modernistischen Konzilskirche. Demnächst mehr.

Es ist nicht leicht, ein Kind Gottes zu sein. Nicht nur selten fühlt man sich als ein Kanalarbeiter, der im Dunkel der Abwässer des Unbewussten den Scheinwerfer des Heiligen trägt, um die eigene Selbstsucht aufzudecken und sie ans Kreuz zu nageln. Dreckig wird man in jedem Fall. Aber es gibt immer die Beichte. Das Ziel ist das strahlende Licht Gottes. Nichts will man mehr, als von diesem Licht für immer entzündet zu werden. Heilig, Heilig, Heilig.

Wer die Muttergottes sieht, kann Ihre Herrlichkeit und Schönheit fast nicht ertragen. Das damit verbundene Glück ist unbeschreiblich. Auch deshalb führt die Campingspiritualität der Konzilskirche in die Irre. Man könnte meinen, der Mensch will sich durch diese selbst vergötzen.

Danke Christof Bernhart für ihren Mut, der Selbstvergötzung zu widersprechen.

Das ist katholisch und sonst gar nichts

Es ist natürlich unvorstellbar herrlicher im Himmel. Aber die hier dargestellte Zelebration hat den Mut, die Demut und die Liebe, das zu erahnen. Danke.

Der Mensch kommt nur zur sich, zur vollständigen Selbsthelle, wenn er sich in vollkommener Demut der Leitung des Heiligen Geistes ausliefert. Es ist ganz einfach. Deshalb gibt es keine Entschuldigung für die Verweigerung. Die Hölle ist empfangsbereit für Milliarden von Gutmenschen, die sich eben nie wirklich gegen ihren eigenen irdischen Vorteil hinterfragt haben. Wer will schon ans Kreuz?