Sonia Chrisye
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Tabu-Kultur oder Worüber wir nicht reden …

Inhalte dieses Artikels:
1.) Bassam Tibi: "Man muss über solche Fälle reden dürfen!"
2.) Enormer Anstieg von sexuellen Übergriffen in Freibädern

3.) Gravierende Veränderungen unsere Städte - Beispiel Göttingen
4.) Totschlagsatz: „Sie reden wie die AfD.“
5.) Wie tolerant dürfen wir angesichts der Intoleranz wirklich sein ?
6.) Tabu-Kultur bis zur Selbstverleugnung
7.) Ideologische Verbrämung durch die Nazi-Keule
8.) Das allgemeine, aber furchtbare Erwachen, das keine Grenzen mehr kennen wird.
Anabel Schunke - Di, 5. Juli 2016

Was bleibt, ist die Frage, was man nun tut, wenn die Folgen dieser falsch verstandenen Political Correctness sich bereits in all ihrer Verirrung offenbaren?
Und wenn man weiß, dass es noch viel schlimmer werden wird. Was tut man gegen das weit verbreitete Schweigen, das Nicht-Reden, das Nicht-Sagen-Dürfen, wenn selbst das Aussprechen, das Drüber-Hinwegsetzen über die Tabus nichts nützt? Ja, das Schlimme ist, zu realisieren, dass selbst das Durchbrechen des Schweigens nichts ändert.

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“Man muss über solche Fälle reden dürfen!“ liest man gestern: Bassam Tibi in einem Interview mit der WELT. Thema wie immer die Flüchtlingskrise und der Islam. Tibi ist emeritierter Professor und lehrt auch jetzt noch als Dozent an der Uni, an der auch ich studiere, in Göttingen. Was Tibi mit „solchen Fällen“ meint, sind jene, wie der einer somalischen Familie, der es in den USA nicht gefiel, weil man dort für sein Geld arbeiten musste und die gelogen hat, so tat, als sei man gerade erst aus Somalia geflüchtet, um nach Deutschland zu kommen, wo sie jetzt mit Hartz4 und vier Kindern so viel Geld monatlich einnimmt wie Tibi als pensionierter Professor. Drei Jahre sei die Familie inzwischen hier. Die Sprache spricht man dennoch nicht. Es ist das Problem, auf das ich auch in meinem Text über den Wohlfahrtstaat aufmerksam gemacht habe. Dass Problem, wie man Menschen integriert und für die Arbeit motiviert, denen von Beginn an der Sozialstaat offensteht und die durch Hartz4, sofern kinderreich, mehr einnehmen als jemals mit einem normalen Job.
Die zweite Meldung, die man heute überall liest, ist, dass es zu einem enormen Anstieg von sexuellen Übergriffen in Freibädern gekommen sein soll. Auffällig sei dabei vor allem, dass die Täter in Gruppen vorgehen. Als auffällig könnte man das nicht bezeichnen, eher als absehbar. Es ist die Fortsetzung dessen, was in Köln passiert ist und womit jeder für die Freibadsaison schon fest gerechnet hat. Auffällig ist – wenn überhaupt – also nur, dass man in einigen Medien schon wieder dazu übergangen ist, die Herkunft der Täter nicht zu nennen, auch, wenn man sich auf einen Bericht der BILD bezieht, aus dem eindeutig hervorgeht, dass es sich zu einem großen Teil um Zuwanderer handelt. Denn auch über solche Fälle will man eigentlich nicht reden. Tut man es nur dann, wie auch der Fall Köln gezeigt hat, wenn gar nichts anderes mehr übrig bleibt? Komisch ist dabei lediglich, dass man gerade bei Gruppenübergriffen im Freibad anscheinend davon ausgeht, dass noch Alternativen zur ganzen Wahrheit existieren.
Zurück zu Tibi. In dem Beitrag auf WELT erzählt er von Göttingen und wie stark die Stadt sich verändert hat. Studentisch sei es einmal gewesen und idyllisch. Heute sehe die Stadt wie ein einziges Flüchtlingslager aus, in dem die afghanischen und eritreischen Gangs ihr Unwesen treiben. Das Göttinger Gemeinwesen sei erschüttert, und ich weiß, was er meint. Von Kommilitonen hört man das bereits seit Monaten.
Totschlag-Satz: Sie reden wie die AfD
Aber auch bei der WELT will man nicht über solche Fälle reden, außer man heißt Henryk M. Broder. Wichtiger, als dass man über Dinge redet, erscheint in Deutschland, wie man über Dinge redet. „Sie reden wie die AfD.“ ist daher das Erste, was der Interviewerin der WELT, Andrea Seibel, folgerichtig in den Sinn kommt. Eine gewollte Diskreditierung des Gesagten. Als könne man mit dem AfD-Stempel den Wahrheitsgehalt zunichte machen, als wäre es nicht ohnehin vollkommen absurd selbst jemandem wie Bassam Tibi, der über einen Migrationshintergrund verfügt und anerkannter Professor ist, mit dem Rechtsaußen-Stempel zu versehen. Tibi beklagt daraufhin, dass es in Deutschland keine wirklich Debattenkultur gäbe. Kritische Äußerungen in Richtung Flüchtlinge und Islam würden sofort mit der AfD-Keule bedacht.
Die Reaktion von Andrea Seibel ist so satiretauglich wie offenbarend. „Was machen wir jetzt mit Ihrer Beschreibung von Göttingen?” Es ist dieser eine Satz, der eigentlich das ganze Problem, was Deutschland mit der Flüchtlingskrise und dem Islam hat, verdeutlicht. Er zeigt, wieso wir hier nicht über „solche Fälle“ reden.
Denn würden wir es einmal ernsthaft tun, so ganz ohne AfD- und Nazi- und Rassistenkeule, die über alles drüber walzt, dann müssten wir uns nämlich bei ganz vielen Geschehnissen, Beschreibungen, Tatsachen der letzten Monate fragen, „was wir jetzt damit machen“ oder anders gesagt: Wie wir damit umgehen. Ja, dann müssten wir uns fragen, wie wir mit den Problemen, die der Islam zu uns bringt, umgehen und wie viel Einwanderung aus patriarchalisch geprägten, islamischen Ländern wir überhaupt verkraften können. Wie tolerant wir angesichts der Intoleranz wirklich sein dürfen und wie wir mit Menschen auf den Straßen Deutschlands umgehen, die gegen Juden hetzen als sei es 1933 und die nicht dafür belangt werden, weil sie einen Migrationshintergrund haben. Wir müssten mit der Flut an Gutmenschen-Demos gegen Rechts aufhören; damit, Placebos für das gute Gefühl in uns reinzustopfen und anfangen, gegen jene Ideologie auf die Straße zu gehen, die den eigentlich präsenten Faschismus im 21. Jahrhundert repräsentiert. Wir müssten mutig sein. Uns ehrlich machen und uns bewusst darüber werden, dass die Bedrohung der Freiheit nicht von jenen ausgeht, die mich, sofern ich gegen ihre Weltanschauung bin, auf eine Diskussion einladen oder allenfalls ignorieren, sondern von jenen, die mich mit Gewalt zum Schweigen bringen wollen. Und so sollte sich vielleicht jeder Toleranzbesoffene einmal fragen, ob er mehr Angst davor hat, sich einem Nazi-Mob entgegenzustellen und schlimmste Beleidigungen zu rufen oder in ein Flüchtlingsheim zu gehen und einen Koran zu zerreißen.
All das sind unangenehme Fragen. Und um sie nicht stellen zu müssen, versuchen wir in unserer Gesellschaft mittels Diffamierung jene mundtot zu machen, deren Aussagen uns zu diesen Fragen leiten. Es ist der Überbringer der Nachricht, der problematisiert wird, nicht die Nachricht an sich.
Tabu-Kultur bis zur Selbstverleugnung
Was so über die Jahrzehnte hinweg entstanden ist, ist keine Debattenkultur, sondern eine Tabu-Kultur. Es gibt Themen über die sprechen wir nicht. Immer noch nicht. Egal wie ersichtlich es ist, dass deutsche Männer nicht plötzlich dazu übergegangen sind, sich in Gruppen zusammenzurotten, um Sexualstraftaten zu begehen. Es ist wie bei Andersens „Des Kaisers neue Kleider“. Jeder weiß, dass der Kaiser nackt ist, aber keiner spricht es aus. Zum einen, weil man dann über die Konsequenzen sprechen müsste und zum anderen, weil man nicht der böse Überbringer der Nachricht sein will, der in Deutschland stets als Erstes politisch gelyncht wird. Wie oft denken wir zunächst darüber nach, ob eine Aussage von uns als rechts angesehen werden könnte, selbst wenn es darum geht, dass Menschen andere Menschen sexuell belästigen, Diebstähle begehen oder schlicht hier auf Kosten anderer leben wollen. Es passiert so vieles, was zurecht wütend macht und angeprangert gehört und dennoch gilt die erste Sorge stets dem eigenen Ansehen und der Angst, ins gesellschaftliche Meinungsabseits gerückt zu werden oder gar doch noch irgendwem vielleicht Unrecht getan zu haben. Zur Aufrechterhaltung der Illusion ist vielen jedes Mittel recht.
Wie weit ideologische Verbrämung gepaart mit einer seit der Kindheit eingeredeten Nazi-Keule gehen kann, zeigt auch der Fall der 24-jährigen Sprecherin der Linksjugend, Selin Gören, die von männlichen Flüchtlingen vergewaltigt wurde und der Polizei zunächst nur zu Protokoll gab, dass sie bestohlen wurde und die Täter deutsch sprachen. Getoppt wurde die absichtliche Falschaussage nur noch davon, dass ihr größtes Problem bei all dem gewesen zu schein schien, dass dieser Übergriff dem Ansehen der Flüchtlinge, insbesondere nach den Geschehnissen von Köln, weiter schaden könne. Folgerichtig betont sie dann auch noch einmal im SPIEGEL-Interview, dass vor allem die Reaktionen von deutschen Männern auf den damals verfassten Post von ihr ziemlich sexistisch gewesen seien. Wie sexistisch es von den männlichen Einwanderern war, ihr einfach abwechselnd ihre Geschlechtssteile in den Mund zu drücken, darüber sagt Selin Gören nichts. Wie groß muss der Hass auf die eigene Herkunft und der Drang nach Widergutmachung gegenüber all den „von uns westlichen Menschen unterdrückten“ Völkern sein, dass es jemandem selbst dann noch wichtiger ist, „keine rechten Ressentiments“ zu schüren, wenn er selbst zum Opfer geworden ist? Der Fall Gören offenbart einen tiefen Einblick in das verdrehte Selbstverständnis, die Angst vor der eigenen Identität vieler Deutscher.
Was bleibt, ist die Frage, was man nun tut, wenn die Folgen dieser falsch verstandenen Political Correctness sich bereits in all ihrer Verirrung offenbaren? Und wenn man weiß, dass es noch viel schlimmer werden wird. Was tut man gegen das weit verbreitete Schweigen, das Nicht-Reden, das Nicht-Sagen-Dürfen, wenn selbst das Aussprechen, das Drüber-Hinwegsetzen über die Tabus nichts nützt? Ja, das Schlimme ist, zu realisieren, dass selbst das Durchbrechen des Schweigens nichts ändert. Dass keine Tat in Deutschland und noch so viele Wahrheiten schlimm genug scheinen, als dass man in Politik, etablierten Medien und einem Großteil der Gesellschaft beginnt, umzudenken. Nicht mehr zuerst im Gedanken gefangen zu sein, dass man irgendwie als rechts gelten könnte, dass irgendwas nicht politisch korrekt genug wäre, um es zu sagen.
Schlussendlich wird uns genau das alles kosten. Wohlstand und Kultur gleichermaßen. Tibi sagt: „Ich finde die Lage unerträglich. Da kommen Menschen mit keiner Ausbildung und wenig Geld. Und sie erleben eine prosperierende Gesellschaft. All das ist hart erarbeitet. Das kann man nicht einfach verschenken.”
Letztlich tun wir genau das. Hauptsache, wir spielen dabei nicht den Rechten in die Hände. Leute, das allgemeine Erwachen wird furchtbar. Denn das kennt dann auch keine Grenzen.