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Bibel und Moral. Von Magdalena Veletta

Mitte September 2023 übernimmt Víctor Manuel Fernández auch die Präsidentschaft der Päpstlichen Bibelkommission, da diese dem Dikasterium für die Glaubenslehre zugeordnet ist.

Ein Blick zurück

Im Jahr 2002 wurde der Päpstlichen Bibelkommission, von ihrem damaligen Präsidenten, Kardinal Joseph Ratzinger, das Thema "Bibel und Moral" anvertraut.

Sie stellt fest, dass an erster Stelle, neben den vielen Normen, Geboten und Gesetzessammlungen, immer das Handeln Gottes steht. Seine Gaben und seine Einladung zur Gemeinschaft gehen dem menschlichen Handeln immer voraus.

Der Mensch ist von Gott geschaffen, daher ist er nie ein isoliertes, autonomes Wesen, das von allem und allen losgelöst ist, sondern steht in einer radikalen und wesentlichen Beziehung zu Gott und zur Gemeinschaft seiner Brüder und Schwestern.

Kardinal Joseph Ratzinger ist Autor monumentaler theologischer Werke und zahlreicher Bücher über Spiritualität. Er verstand diese Tätigkeit als Notwendigkeit, um, sich verbreitende Ideen in der Kirche, im Lichte der Wahrheit, seit der Zeit der Apostel und der daran anschliessenden Tradition, prüfen und beurteilen zu können.

Er war sich immer bewusst, dass er der Forderung des Apostels Paulus verpflichtet war, der in 2 Tim 4,1-5 formulierte:

"Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten, bei seinem Erscheinen und bei seinem Reich: Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung. Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht, die den Ohren schmeicheln; und man wird der Wahrheit nicht mehr Gehör schenken, sondern sich Fabeleien zuwenden. Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst!"

Die Frage ist nun: Kann man in den Heiligen Schriften Lösungen für die Probleme der heutigen Zeit finden?

Die Bergpredigt

Sie ist ein wichtiger Wegweiser, denn in der Bergpredigt spricht Jesus als einer, der Macht besitzt. Er spricht als Gesetzgeber des "Neuen Bundes". Er verkündet eine Sittenlehre, die für alle Zeiten Gültigkeit hat.

Das Gesetz des "Alten Bundes" wurde auf dem "Berg Sinai" gegeben. Das Gesetz des "Neuen Bundes" auf dem "Berg der Seligpreisungen", auf dem "Kurun Hattin". Dieser ist der Sinai des Neuen Bundes. Da der "Neue Bund" der "Bund der Vollkommenheit" ist, muss auch die neue Sitten-Lehre, eine Lehre der Vollkommenheit sein. Die neue Sitten-Lehre interpretiert das Sitten-Gesetz des "Alten Bundes" in vollkommener Weise.

In der Predigt aller Predigten, der Bergpredigt, betont Jesus das Zentrum der neuen Sittlichkeit: Die Motivation, oder Intension unseres Handelns.

Das alte Gesetz wird dabei nicht aufgehoben, sondern mit neuem Geist erfüllt.

Es darf fortan keine Kluft geben zwischen dem äusseren Schein und dem inneren Sein. Das ist das Grosse und Neue:

Ihr habt gehört, dass (zu den Alten) gesagt worden ist ...

Ich aber sage euch ... (Mt 5,43-44)


Die Bergpredigt ist somit die Geburtsstunde einer neuen Morallehre, der Anfang einer neuen Epoche der Religionsgeschichte. Auf dem "Kurun Hattin" steht der Markstein einer neuen Zeit, der Grenzstein zwischen der alttestamentlichen und der neutestamentlichen Lebensgestaltung.

Beim "Opfer darbringen" genügt zum Beispiel nicht nur die korrekte Ausführung. Die innere Gesinnung ist ebenso massgebend: "Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe." (Mt 5,23-24)

Beim Ehebruch ist nicht nur die vollzogene Tat verwerflich sondern auch die Absicht:

"Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen." (Mt 5,28)

Fortan heisst es auch nicht mehr "Auge um Auge", "Zahn um Zahn". Der Jünger Christi muss das Böse durch das Gute überwinden: "Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln." (Lk 6,27-28)

Fortan soll die linke Hand nicht wissen was die rechte tut. Das "Almosen geben" und das "Fasten" und "Beten" soll in der Verborgenheit geschehen, denn Gott sieht das Verborgene und belohnt mit Vorliebe das, was keines Menschen Auge gesehen hat.

Die Bergpredigt stellt an uns einen hohen Anspruch: "Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist." (Mt 5,48)

Die Prioritäten der Gesetzgebung

Man muss sich zuerst einmal vorstellen, in welchem Umfeld Jesus spricht. Zu seiner Zeit gab es über 600 Gebote und Verbote. Deshalb richtete ein Gesetzeslehrer eine Fangfrage an Jesus: Welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?

Jesus erinnert an das Haupt-Gebot, das unter allen pharisäischen Gesetzesvorschriften fast in Vergessenheit geraten war und das auch heute wieder verdunkelt ist: "Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben ... Das ist das wichtigste und erste Gebot."

Im Gesetz Mose wird es ausführlicher beschrieben: "Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Strasse gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst." (Dtn 6,4-7)

Das Herz wird hier mit einer Schreibtafel verglichen, auf die geschrieben werden kann. Da das Herz auch als Sitz des Gedächtnisses galt, wird klar, dass man diese Worte auswendig lernen und ständig wiederholen soll.

Die hinterfragte Gottesliebe

Von Jesus Christus haben wir gelernt, was wirkliche Liebe ist. Deshalb wird immer wieder die Frage gestellt: "Wenn Gott die Liebe ist, weshalb verhindert Gott das Leid nicht?"

Der Heilige Chrysostomus würde darauf antworten: "Durch Gutes und Schlimmes will uns Gott vor dem Sturz in die Tiefe bewahren."

Eine weitere Frage ist die: "Wie kann ich Gott erkennen?"

Der Heilige Bonaventura sagte: "Wer durch solchen Glanz der Geschöpfe nicht erleuchtet wird, ist blind. Wer durch solch lautes Rufen nicht erweckt wird, ist taub. Wer ob solcher Werke Gott nicht preist, ist stumm. Wer aus solch klarer Bezeugung den Urgrund der Dinge nicht erkennt, ist ein Tor."

Die Menschenseele ist so geschaffen, dass sie das Schöne liebt. Aber alle geschaffene Schönheit ist nichts im Vergleich zu dem, der sie hervorgebracht hat. Sie ist nur Wegweiser zur ewigen Schönheit, zu Gott.

Diese Schönheit strebte auch Augustinus an und sagte: "Unruhig ist unser Herz bis es ruht in Dir."

Auf unseren unruhigen Wegen, zur Ruhe in Gottes Liebe, sind wir von unserem Herrn auf die Nächstenliebe verwiesen.

Denn nach den Worten Jesu, auf die Fangfrage des Gesetzeslehrers nach dem wichtigsten Gebot, folgt auf: "Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben ... und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."

Der "Zeitgeist"

Der heutige Mensch hat zunehmend die Tendenz, die moralischen Entscheidungen allein aus seinen subjektiven Empfindungen und Erfahrungen abzuleiten. Man bildet Gruppen, welche das gleiche Verständnis von Moral haben und grenzt sich ab von Menschen, welche anders denken. Trotzdem will man deren Anerkennung. Man schreibt den Begriff "Freiheit des Menschen" auf seine Fahne und zieht damit durch die Strassen. Allerdings ist das oft eine Freiheit, die gegen die Freiheit anderer durchgesetzt werden soll und die dann in Spaltung und Krieg enden könnte.

Deshalb müssen wir Christen, aus Solidarität, für unsere Nächsten einstehen. Aber es wird nur fruchtbar sein, wenn unsere Absichten gut sind, und wenn wir Gott in unsere Pläne mit einbeziehen. "Wir schaffen das", ist ein Slogan, der ohne Gottes Hilfe auszukommen scheint. Da sind wir wieder bei der Verdunkelung des ersten und wichtigsten Gebotes, im heutigen "Zeitgeist" angelangt.

Deshalb ist von uns Christen gefragt, im Aufbau von Familien, Gruppierungen und Interessengemeinschaften, wieder Christus in die Mitte stellen.

Ohne Erfüllung dieses Hauptgebotes bleibt auch die Gerechtigkeit auf der Strecke. Die menschengemachte Gerechtigkeit natürlich. Nicht die Gerechtigkeit Gottes.

Gott hat Geduld mit uns. Aber es kommt die Zeit, wo er die Schafe von den Böcken trennen muss. Wie, wann und wo es geschieht, liegt allein in seiner Hand. Auch das müssen wir anerkennen.
Novena - Oremus
Zwei wichtige Bibelstellen:
20. indem ihr dies vor allem erkennet, dass keine Weissagung der Schrift Sache eigener Auslegung ist. [2Tim 3,16].
21. Denn nie ist eine Weissagung durch den Willen eines Menschen ergangen, sondern vom Heiligen Geiste getrieben redeten heilige Gottesmänner.
und 2 Tim. 3,14-16
14. Du indes beharre in dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut worden ist; denn du …Mehr
Zwei wichtige Bibelstellen:

20. indem ihr dies vor allem erkennet, dass keine Weissagung der Schrift Sache eigener Auslegung ist. [2Tim 3,16].
21. Denn nie ist eine Weissagung durch den Willen eines Menschen ergangen, sondern vom Heiligen Geiste getrieben redeten heilige Gottesmänner.

und 2 Tim. 3,14-16
14. Du indes beharre in dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut worden ist; denn du weißt ja, von wem du es gelernt hast;
15. und wie du von Kindheit an die heiligen Schriften kennst, welche dich unterweisen können zum Heile durch den Glauben an Christus Jesus.
16. Alle von Gott eingegebene Schrift ist nützlich zur Belehrung, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit