Copertino
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Buenos Aires, wo alte Schönheit dem Zeitgeist weichen muss, und eine vatikanische Parallele

In Buenos Aires fallen täglich die schönsten und markantesten Gebäude der Kolonialzeit und des Jugendstils der Abrissbirne zum Opfer. Mitten in gewachsene Häuserzeilen klotzen Spekulanten Renditebauten, welche die organischen Proportionen sprengen und Identität unwiederbringlich zerstören.

Eine bemerkenswerte Parallele zu diesem massiven Kulturverlust zeigt sich aktuell im Blick auf das Handeln des wohl berühmtesten Sohnes der argentinischen Hauptstadt. Im fernen Rom hat er sich daran gemacht, ein immaterielles Kulturgut der Menschheit zu vernichten: Mit dem Dokument unter dem irreführenden Namen "Traditionis Custodes" hat der Argentinier Jorge Mario Bergoglio alias Papst Franziskus die Abrissbirne gegen den altehrwürdigen römischen Ritus, das Missale Romanum, in Bewegung gesetzt.

Das Ziel dieses Dokuments und seiner Ausführungsbestimmungen geht dahin, die liturgischen Feiern dieses über tausendfünfhundert Jahre gewachsenen Gesamtkunstwerks zurückzudrängen und innert fünf Jahren, wie sein Staatssekretär Parolin erklärt hat, zum Verschwinden zu bringen.

Erinnert sei dabei an das so genannte "Agatha-Christie-Indult" aus dem Jahre 1971. Als Papst Paul VI. seine neue Messordnung vorlegte, den in der Volkssprache gehaltene "Novus Ordo Missae", und diesen als verpflichtend für die lateinische Christenheit einführte, erhoben Persönlichkeiten des Kulturlebens aus aller Welt ihren Protest dagegen, darunter viele bekannte Nichtkatholiken.

Dem Indult ging ein Aufruf unter dem Titel "Appeal to preserve Mass sent to Vatican" zahlreiche Künstler und zweier anglikanischer Bischöfe in der Zeitung THE TIMES vom 6. Juli 1971 voraus. Unter ihnen war auch die anglikanische Schriftstellerin und Krimiautorin Agatha Christie, die dem Indult seinen populären Namen gab, und des jüdischen Stargeigers Yehudi Menuhin. Diese Persönlichkeiten riefen den Vatikan dazu auf, die traditionelle lateinische Messe weiterhin zur Feier zuzulassen. Sie verweisen darauf, dass diese nicht nur der Kirche, sondern der ganzen Welt als überragendes immaterielles Kulturerbe gehöre:

Agatha-Christie-Indult – Wikipedia

Die Gruppe der unterzeichneten Kulturschaffenden war bemerkenswert heterogen, unter ihnen fanden sich grosse Namen wie der russische Pianist Vladimir Askhenazy, der englische Dirigent Sir Colin Davis, der BBC-Radioleiter Sir William Glock, der Schriftsteller Graham Greene, der kommunistische Schriftsteller Philip Toynbee, die Bildhauerin Barbara Hepworth, der britische Kunsthistoriker und Museumsdirektor Kenneth Clark, die Literatin und Vordenkerin der Gender-Diskussion Iris Murdoch.

Mit ihnen betrachteten viele andere berühmte Kulturschaffende den lateinischen Messritus als gewachsenes einmaliges Kulturgut und als eine Quelle der Inspiration, welche unzählige Künstler, Architekten, Maler, Musiker und Designer veranlasst hatte, unvergleichliche Kunstwerke zu erschaffen.

Diese Persönlichkeiten erkannten, dass durch die Abschaffung des MISSALE ROMANUM, wie es die Christenheit seit Papst Gregor dem Grossen während anderthalb Jahrtausenden geprägt hatte, alle diese Kunstwerke ihren eigentlichen Bezugspunkt und damit ihre Funktion verloren. Die zweifelhaften Früchte dieses liturgischen Kulturabbruchs in der katholischen Kirche sind seither unübersehbar: Sacrilegious Buffoonery at Sacred Heart "Catholic" Church in Omaha, NE

Die rigorose Ächtung des traditionellen lateinischen Messritus unter Papst Franziskus wird selbst von Theologen stark kritisiert, auch von solchen, die den heute üblichen Messritus in der Volkssprache feiern: Kritik an "Traditionis Custodes": Helmut Hoping fordert Bischöfe auf, gute Wächter zu sein

Vielleicht ist es eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der Papst aus der argentinischen Metropole Buenos Aires, deren alte Schönheit durch die Anpassung an den vorherrschenden Zeitgeist und an eine falsch verstandene Modernität mehr und mehr ihr Gesicht verliert, in seiner Kirche eine ähnlich fatale Rolle zu spielen scheint und deren Antlitz, d.h. ihren kulturellen Schatz, durch einen falsch verstandenen "Pauperismus" und eine Angleichung an die profane Welt schändet.

10 vor 10 - Buenos Aires: Beton statt Charme - Play SRF