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Die Castro-Brüder treffen den Heiligen Vater

(gloria.tv/ KNA) Alte Männer mit turbulenter Geschichte. Von Ludwig Ring-Eifel (KNA).

«Auf der Asche des verschwundenen Regimes wird ein anderes sich erheben, aber es darf dem ersten nicht gleich sein, denn sonst hätte es ja keinen Grund gegeben, jenes zu zerstören. (...) Wir erwarten eine lupenreine Demokratie, in der alle Bürger die vollständigen Menschenrechte genießen, wir wünschen, dass keinem das tägliche Brot fehlen wird und niemandem die Arbeit.» Mit diesen feierlichen Worten kommentierte der Erzbischof von Santiago de Cuba am 3. Januar 1959 in einem Hirtenbrief die Machtergreifung Fidel Castros und seiner bärtigen Genossen in Kuba.

In die Wort des Erzbischofs mischte sich schon damals Skepsis. «Wenn Dr. Fidel Castro, Dr. Manuel Urrutia und ihre Mitstreiter sich an den bewährten sozialethischen Prinzipien orientieren, machen sie sich um Gott und Vaterland verdient. Wenn sie es aber nicht tun, dann würden sie wenig erreichen, diese neuen Männer, in die eine übergroße Mehrheit unseres Volkes jetzt ihr Vertrauen setzt.»

Schon bald darauf drängte Castro den neuen bürgerlichen Präsidenten Urrutia ins Exil. Dann begann er, jegliche Opposition und auch die katholische Kirche zu unterdrücken. Selbst Zögling eines Jesuiten-Kollegs, ließ er kirchliche Schulen schließen und ordnete die Verbannung von Nonnen und Priestern an. Höhepunkt war die Ausweisung des Weihbischofs Eduardo Roza Masvidal und 135 weiterer Priester. Die meisten von ihnen stammten, wie Castros unehelicher Vater, aus Spanien. Insgesamt mussten in den 1960er Jahren rund
2.500 Priester und Ordensleute die Karibikinsel verlassen.

Genau drei Jahre nach dem Hirtenbrief von 1959 schrieb die New York Times, der Revolutionsführer sei exkommuniziert worden. Quelle war ein Vatikanbeamter, der erklärt hatte, wer einem Bischof Gewalt antue oder dies unterstütze, sei automatisch von den Sakramenten ausgeschlossen. Ob sich Fidel Castro und sein ebenfalls katholisch getaufter Bruder Raul tatsächlich die höchste Kirchenstrafe zugezogen haben, blieb jedoch wie vieles an der kubanischen Revolution ein Mysterium. Als 1974 der Architekt der «vatikanischen Ostpolitik», Erzbischof Agostino Casaroli, auf Kuba freundlich empfangen wurde, zeigte sich, dass der Gesprächsfaden doch nicht ganz abgerissen war. Auch die diplomatischen Vertretungen in Rom und in Havanna blieben bestehen.

Auffallend ist, dass Fidel Castro seit dem Untergang des Ostblock-Sozialismus eine vorsichtige Annäherung an die katholische Kirche suchte. 1996 kam traf er in Rom Johannes Paul II. Zwei Jahre später besuchte der polnische Papst den marxistisch-leninistischen Diktator in Havanna. Statt in Kämpfer-Uniform begrüßte der «Maximo lider» den Pontifex Maximus damals im dunklen Zweireiher und ließ kaum eine Gelegenheit aus, sich bei Papstreden in der ersten Reihe zu zeigen. Zur Kommunion ging er freilich nie. Als Geschenk für den Gast aus Rom hatte er den von den Weihnachtsfeiertag auf Kuba wieder eingeführt und der Freilassung von politischen Gefangenen zugestimmt.

Seither ging die Annäherung in kleinen Schritten weiter. Eine Bistumszeitung wurde wieder zugelassen, Prozessionen wurden erlaubt, ein Kloster und ein Priesterseminar eröffnet. Der jüngere Bruder Raul Castro, der seit 2006 die Regierung übernommen hat, setzt diese Politik fort. Er akzeptiert auch die Rolle des Kardinals von Havanna, Jaime Ortega y Alamino, als Vermittler zu politischen Häftlingen, von denen einige aufgrund dieses Einsatzes in die Freiheit gelangten.

Bei seinem Kubabesuch hat Benedikt XVI. im persönlichen Gespräch mit Raul Castro mehr gesellschaftliche Mitwirkungsmöglichkeiten für die Kirche verlangt. Zuvor hatte er kirchliche Hilfe für die Entwicklung eines neuen Gesellschaftsmodells angeboten. Der klassische Marxismus liefere keine Antworten auf heutige Fragen, betonte der Papst, der als Theologe und als vatikanischer Glaubenshüter den Marxismus bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert immer wieder scharf kritisiert hat. Umso überraschender war es, dass Fidel Castro als einer der letzten Gralshüter des real existierenden Sozialismus nun ebenfalls bekundete, er wolle Benedikt XVI. persönlich treffen. Ob er bei der Begegnung der beiden Mitt-Achtziger auch ein so privates Thema wie die fragliche Exkommunikation von 1962 ansprechen wolle, ließ der ältere der Castro-Brüder allerdings offen.