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Katholische Erbfolge oder: Familie ist mehr als Mama, Papa und Kind

Die Frage nach der Erneuerung der katholischen Kirche wird immer wieder als eine Frage der Theologie und der Dogmen geführt. Amoris Laetitia ist einer der Streitpunkte. Über diese Diskussion wird die soziologische Wahrheit des katholischen Milieus vergessen.

Alexis de Toqueville hat am Beispiel der Französischen Revolution nachgewiesen, dass man den großen Theorien der Revolutionäre und Konter-Revoultionäre nicht folgen soll. Durch eine akribische Analyse der sozialgeschichtlichen Reformen in der Zeit der absolutistischen Könige und der Zeit der Revolutionäre kommt Toqueville zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass im Bereich der sozialgeschichtlichen Reformen die Revolutionäre das Werk der Könige nur mit Eifer fortsetzen. Ich versuche, diese Gedanken auf das katholische Milieu zu übertragen.

Ein eigenartiges Phänomen der Sozialgeschichte besteht in der eher niedrigen Zahl der Kinder auf den (katholischen) Bauernhöfen. Ich spreche vom katholischen Milieu und der gelebten katholischen Wirklichkeit, die wir anhand der alten Kirchenbücher sehr genau beschreiben können. Bei einem genaueren Blick auf die sozialen Muster des ländlichen katholischen Lebens werden wir (vielleicht nach Regionen unterschiedlich gewichtet) im Grunde zwei Beobachtungen machen. Das erste Kind wird ein oder zwei Monate zu früh geboren. Und auf den Bauerhöfen haben wir eher zwei, drei oder vier Kinder, beim Heuermann, dem Einlieger ohne weiteres Eigentum, können es auch acht bis zwölf Kinder werden. Die soziologische Wahrheit des katholischen Milieus ist also anders gelagert, als es die Theorie will. Und die Schwiegermutterfrage kann ein weiteres Moment der (sozialen oder psychologischen) Kontrolle und Beschränkung dieser sozialen Wirklichkeit sein.

Das Grundverhalten im katholischen Milieu ist durch und durch pragmatisch. Die Bauersleute warten bis zum Schwangerschaftsbeginn mit der Heirat, weil ab dann die grundsätzliche Unfruchtbarkeit ausgeschlossen ist und damit die Frage der Erbfolge und der Übergabe des Hofes als lösbar erscheint. Zugleich ist da, wo ein Erbe weiterzugeben ist, die Zahl der Kinder niedriger, denn je mehr geteilt werden muss, um so schlechter für das Erbe. Wo Erbe vorhanden ist und erhalten werden soll, müssen die nicht erbenden Kinder auf anderen Bauernhöfen unterkommen oder als Knechte und Mägde auf dem eigenen Hof bleiben. Die alte Familie des katholischen Milieus hat viele Onkel und Tanten auf dem Hof und das wiederum können auch „soziale“ Tanten und Onkel sein. Aber diese katholischen Bauernhöfe sind oft der Anfang für einen weiteren, nicht erbenden Ausweg, und das ist nicht die Auswanderung und Amerika, sondern die Kirche. Die abziehenden Kinder werden Mönche, Nonne, Priester, Missionare und ziehen in die weite Welt. Nur als Beispiel: die kleine Bauernschaft Lette in Westfalen (Kreis Coesfeld) hat bis zur Mitte der 1960er Jahre in einem Zeitraum von 100 Jahren ungefähr 110 Missionare in die ganze Welt geschickt (Stuffert, Werner: 1000 Jahre Christen in Lette, 1994). Im Grunde stehen dahinter vielleicht zwanzig Bauernhöfe.

Die Frage nach der Zukunft der katholischen Kirche besteht im soziologischen Sinne darin, wo in unserer modernen Gesellschaft Wirtschafts- und Sozialstrukturen entstehen, die wie der alte Bauernhof über mehrere Generationen hindurch bestimmte Lebensmuster und Glaubenswahrheiten transportieren können. Friedrich Engels sagt an einer Stelle, dass die Befreiung der modernen bürgerlichen Gesellschaft uns alle von den Freiheiten befreit, um die verheißene Gleichheit zu erreichen, der Gleichheit der Enteigneten. Die neue Freiheit fraß die Freiheiten und das neue Recht die Rechte. Die alte Welt kannte Rechte und Freiheiten, und sie kannte Bauernhöfe, die über Generationen hinweg die ganze Welt veränderten. Die neue Welt kennt das emanzipierte und befreite Individuum, voller Hoffnungen, voller Möglichkeiten, aber in Wirklichkeit allein und ohnmächtig.

Kuckucksrufe und Eselsklagen" (www.eissings.de) oder in Zeiten reaktiver republikanischer Tugenden ist nichts, wie es scheint.
Eremitin
Ja , stimmt, ich beziehe Omas und Opas auch noch mit ein
elisabethvonthüringen
Vielfach war es so, dass der Erstgeborene GOTT überlassen wurde...(jüdische Wurzel)...Bauersfamilien waren es auch, die für den "Erhalt" des Priesters Sorge zu tragen hatten...auch das ist biblisch begründet...(Entlohnung der Priester) Man soll dem Priester den Bug, die Kinnbacken und den Labmagen geben (Deuteronomium 18)
Wenn sie' nur derpacken... 😀 🤗