Die neuen Freiheiten durch die Pandemie. Von Hw. Herbert Stichaller
![](https://seedus4268.gloriatv.net/storage1/zx0yinc81cly6r091n40czk6ztz5jrk3d5bikne.webp?scale=on&secure=tC4WOkdnirTTrN_0pP1U-g&expires=1721932444)
Verwandtenbesuche zu den Feiertagen waren bisher Pflicht. Jetzt müssen wir nicht mehr nach Ausreden suchen, wenn wir die Einladung ablehnen.
Wer sich scheute, zum Arzt zu gehen, kann aufatmen. Es reicht eine telefonische Auskunft. Medikamente, die zum Abholen vor die Tür gestellt werden, bleiben länger frisch.
Das Reisen ist menschlicher geworden. Kontrollen sind ein Zeichen der Aufmerksamkeit. Der junge Soldat an der Grenze will mit uns ins Gespräch kommen: „Darf ich fragen, woher Sie kommen?“ Diese Höflichkeit würde sich so mancher Mann wünschen, wenn er nachts vom Wirtshaus heimkehrt.
Mit dem Reise- und dem Gesundheitspass kommen wir überall hin. Bisher durften nur Diplomaten mit zwei Pässen reisen.
Busfahren wird wieder zum Erlebnis. Die Reduzierung der Fahrgäste auf die Hälfte garantiert jedem einen Fensterplatz.
Abstandhalten ist nun eine Kardinaltugend. Desinfektionsspender sind Orte der Nächstenliebe. Ohne Pandemie wären auch in der Kirche Veränderungen nicht möglich gewesen.
Die Sonntage sind CO2-frei. Keine unnötigen Fahrten mehr zur Kirche. Die Livestream-Gottesdienste sind nur ein Beispiel für das Neue, das entsteht, wenn wir bereit sind, Altes aufzugeben. Wir versammeln uns wieder am Herdfeuer der Liebe.
Trotz aller Vorteile, die uns die Pandemie gebracht hat, dürfen wir die Opfer nicht vergessen. Ärzte auf Intensivstationen berichten von heftigen Gewissenskonflikten. Noch nie war Lügen so schwer.
Politiker, die ihren Verstand verloren haben, wenden sich vergebens an den Heiligen Antonius. Musste auch er in Quarantäne?
„O felix culpa“ (o glückliche Schuld) ertönt es im Lobgesang der Osternacht. Niemand hat sich die Pandemie gewünscht, doch sind wir froh, dass sie gekommen ist. Wie hätte es der sündige Mensch sonst geschafft, sich von seiner Schuld zu befreien und die Welt zu erlösen.
Der Text ist dem "Päpstlichen Ehrenkaplan", Ausgabe Dezember entnommen.
BIld: Mochamad Arief, CC-BY-NC-ND