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Seit Rousseau geistert die Sehnsucht nach einem von der abendländischen Kultur und der christlichen Sexualmoral befreiten „Naturmenschen“ durch die europäische Geschichte, der von allen Zwängen befreit, endlich wieder zu sich selbst findet, sich selbst verwirklicht und eine bessere und freiere Gesellschaft im „Naturzustand“ errichten wird.

Ein entschiedener Gegner der Rousseauschen Forderung nach einem „Zurück zur Natur“ (auch wenn Rousseau das nie so formuliert hat) war Friedrich Schiller, dem lange vor Sigmund Freud klar war, dass eine Weiterentwicklung des Menschen niemals in einem „Zurück“ bestehen kann, sondern in der Akzeptanz der kulturellen Formung und Sublimierung besteht, die erst die schöpferische Tätigkeit ermöglicht. Alles andere bedeutet Chaos und Untergang:

„Jene Natur, die du dem Vernunftlosen beneidest, ist keine Achtung, keiner Sehnsucht werth. Sie liegt hinter dir, sie muß ewig hinter dir liegen. Verlassen von der Leiter die dich trug, bleibt dir jetzt keine andere Wahl mehr, als mit freyen Bewußtseyn und Willen das Gesetz zu ergreifen, oder rettungslos in eine bodenlose Tiefe zu fallen.“

Gleichzeitig zeigt uns Schiller einen Weg, wie wir die Natur auf einer höheren Stufe wiederfinden werden:

„So wie nach und nach die Natur anfing, aus dem menschlichen Leben als Erfahrung ... zu verschwinden, so sehen wir sie in der Dichterwelt als Idee und als Gegenstand aufgehen.“

Literatur:
Friedrich Schiller: „Über naive und sentimentalische Dichtung“
Bezüglich Rousseaus „Naturmenschen“ und die Folgen für unsere Zeit mein Buch Benjamin Kaiser: Kulturmarxismus | Seuse Verlag

Bild: Friedrich Schiller