Don Reto Nay
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Ein Gatte verabschiedet sich von seiner Gattin

Nekrolog für Donna Silvia Giuseppina Secchi-Piazza vorgetragen während des Requiems von ihrem Ehegatten Aldo-Giovanni Secchi-Piazza in der Luzerner Sentikirche, 12. November 2013.

(Foto: Silvia Secchi-Piazza, rechts im Bild, vor ihrem Aufbruch zu einer Wallfahrt nach Lourdes im August 2013)

Wir alle kennen den Psalm 22/23: "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser."

Seit Beginn der Christenheit ist dieser Vers häufig bei Beerdigungen gelesen worden. Heute tun wir uns schwer damit. Bedenkt man, wie sehr Silvia leiden musste, so fällt es schwer, Gott dankbar als den guten Hirten zu sehen, der an nichts mangeln lässt.

Stattdessen waren da Krankheit, Leid, Schmerzen, Verzweiflung, durchwachte Nächte. Wer vermag da zu beten: "Gott, du bist mein guter Hirte!"

Da möchte man lieber schreien: "Gott, was hast du ihr zugemutet! Warum so viel Leid und Schmerz und Verlust?" Doch Gottes Gedanken und Wege sind nicht die unsrigen.

Das Samenkorn muss im dunklen Boden sterben

Er hat ihr und uns viel zugemutet. Schier unsagbar hat sie ein Jahr lang gelitten, kaum zurückgekehrt von einer Reise nach Venedig mit ihren Liebsten: Sohn Taio, Schwiegertochter Nadja und die Enkel Livio und Flurina. Dank einer Gelbsucht wurde die Krankheitsursache entdeckt. Am 6. November 2012 wurde der schlimmste aller Krebstumore an der Bauchspeicheldrüse operiert.

Wir haben ebenso mitgelitten und leiden einerseits darunter, dass sie nun gehen musste, andererseits sind wir dankbar, dass sie uns noch ein ganzes Jahr geschenkt blieb, denn normalerweise ist bei Krebs an der Bauchspeicheldrüse schon ein halbes Jahr eine Seltenheit.

Das Leid der letzten Tage, Wochen und Monate bedrückt uns noch. Silvia kannte das biblische Gleichnis gut, dass die Seele - das Samenkorn Gottes - in den Boden getreten werden muss, damit es Frucht bringe.

Dort kann es dabei sehr dunkel werden. Denn dunkel ist die Einsamkeit, das Wissen um ein baldiges Sterben, weggeholt werden aus der Familie in die Hilflosigkeit einer Krankheit. In ihren Gebeten wurde ihr noch bewusster, dass das Samenkorn im Boden sterben muss, um Frucht zu bringen.

Früchte werden wir künftig sehen dürfen, so Gott will. Bitten wir auch unsern Engel, dass er uns führe und zeige, wie wir durch ein bedingungsloses Ja gottgefällig leben können und auch zu einer Ähre auf Gottes Weizenfeld werden und Frucht bringen dürfen.

„Weint nicht!“

Jetzt, wo wir von Silvia Abschied nehmen, wollen wir sie nicht nur als leidende Frau sehen, die sie in ihrer Krankheit war.

So behalten wir sie nicht in Erinnerung, denn Silvia sähe das anders und würde sagen (nachdem sie vorher einige Sätze aus meinem Nekrolog gestrichen hätte): „Weint nicht, im Himmel ist es ja so schön, und bald werden wir uns wiedersehen.“

Wer so im Glauben hinübergeht, für den ist es kein Sterben, sondern nur ein Umsteigen von der vergänglichen in die unvergängliche Welt. Niemandem bleibt dieser Weg erspart, für jeden kommt der Abschied. Traurig muss es für jene sein, die nicht an Gott und eine Auferstehung zum ewigen Leben glauben.

Alle hier Versammelten haben ihre eigenen Bilder von Silvia. Öffnen wir unseren Blick um sie so zu sehen, wie sie die meiste Zeit ihres Lebens war.

Der Herr formte sie zu Gold

Diese Art von Frau ist nämlich selten geworden in einer Zeit, wo Emanzipation mehr gilt als Bescheidenheit, Demut, Hilfsbereitschaft im Verborgenen, wo Dienen schon fast ein Schimpfwort ist. Dabei hatte Silvia so viele Talente für Karrieren aller Art.

Doch sie stellte als Frau voller Liebe und Engagement alles in den Dienst ihrer Familie und ihres Herrn, eines Königs: Cristo Rei, dem Sohn Gottes, der die katholische Kirche gegründet hat. Und der Herr formte sie zu Gold.

Auf diesem Fundament wuchs Silvias liebenswürdiger Charme, daraus schöpfte die zierliche Frau ihre Kraft und ihre Hoffnung. Wie viele Menschen sie tröstete, wie vielen sie die Gottesmutter Maria näherbrachte, damit diese sie zu ihrem Sohn Jesus führen konnte, weiss niemand. Das steht alles im Buche Gottes.

Keine Zufälle

Ihr Lebenslauf sei mit einigen Mosaiksteinen skizziert - den Mosaiksteinen Uhrwerk und Zufall. Haben Sie schon einem Uhrmacher bei seiner Arbeit zugeschaut? Dem Laien bleibt nur das Staunen. Wie sollten wir erst staunen, wenn wir die kosmische Weltenuhr unseres Schöpfergottes betrachten?

Leider benebeln uns die heutigen Götter der Wissenschaften mit Unmengen von Theorien, in denen der Zufall eine zentrale Rolle spielen muss, um ihre Beweislücken zu schliessen.

Gibt es überhaupt Zufälle? Darüber lohnt sich nachzudenken.

Die Wahrscheinlichkeitsrechnung beweist jedenfalls für viele Mosaiksteine in Silvias (und in meinem) Leben, dass nur die himmlische Regie so viele gefügte Begegnungen und Weichenstellungen bewirken kann. Beispiele?

Die kecke Silvia bewarf ihn mit einem Schneeball

Silvia kam am 30. Dezember 1943 als erste Tochter von Lino und Olga Piazza-Wili im Haus der legendären Luzernerbeiz [Restaurant] Reussfähre zur Welt, Luftlinie 500 Meter von der Sentikirche hier. Drei Jahre später erhielt sie Olga als Schwester. Damals wohnte ein gewisser vierjähriger Aldo Secchi 50 Luftlinienmeter von der Reussfähre in der Dammstrasse. Es war Krieg.

15 Jahre ging später ging Silvia im Winter 1958 im Museggschulhaus in die Sekundarschule. Diese teilte den Pausenplatz bis zum Schirmerturm der mittelalterlichen Museggmauer Luzerns mit dem Lehrerseminar. Dort stolzierten die künftigen Lehrer und auch ein gewisser Aldo Secchi.

Die kecke Silvia bewarf ihn mit einem Schneeball. Liebe auf den ersten Blick. Und aus dem Schneeball wurde bis heute eine Lawine, allerdings auf vielen Umwegen.

Sie stöberten ohne Kaufabsicht

Silvia machte ein Handelsschuldiplom. Es folgten Fremdsprachenaufenthalte in Florenz und für den Kunstkreis ein Einsatz in Paris.

Durch „zufällige“ Fügung wurde sie als Verkäuferin von Büchern und Musik in der Ex Libris auf ihren künftigen Luzerner Buchladen Maria Aktuell nahe dem Bundesplatz vorbereitet.

Dorthin pilgerten von 1990 bis 2000 Suchende aus der ganzen Schweiz, weil es fast nirgends mehr gesunde katholische Literatur zu finden gab - und weil dort eine sympathische Frau Jung und Alt beriet, und immer das passende Geschenk fand.

Es sollen dort auch Männer stundenlang in Büchern ohne Kaufabsicht gestöbert haben. Stopp. Es fehlen doch 40 Jahre!

Die ökumenische Trauung

Richtig: 1963 hatte der reformierte Aldo Secchi nach altem Brauch bei Vater Lino Piazza um die Hand seiner Tochter Silvia angehalten und versprochen bei Pater Ezechiel Britschgi OFMcap. Konvertitenunterricht zu nehmen um katholisch zu werden. Das Glück der beiden war bei der Verlobung in Walchwil perfekt.

Doch nicht lange. Denn dieser Aldo Secchi, protestantisch getauft und erzogen, mit 20 aus der „protestierenden Kirche“ ausgetreten, schaffte nur sechs Lektionen bei Pater Ezechiel. Die nach einem Jahr übliche Heirat wurde hinausgezögert. Ende 1966 baten Silvias Eltern den Ungläubigen, die Verlobung aufzulösen. Silvia litt und weinte sehr.

Doch die himmlische Regie rückte die Mosaiksteine wieder zurecht. Das Schneeballopfer fasste sich ein Herz und überrumpelte Silvia mit dem Hochzeitsdatum 15. Juli 1967: JA oder NEIN?

In der Schlosskapelle Heidegg fand die ökumenische Trauung durch Pater Otto Brun statt.

„Arbeit eint“

Nach vier Jahren in Altwohnungen in der Stadt Luzern wünschte das Paar ein paar Kinder. Aber diese sollten in einer ländlichen Umwelt aufwachsen, denn Silvias Kinderzeit wurde im ländlichen Brusimpiano (Provinz Varese) ihrer Tante Lina geprägt, während Aldo ähnliches mit Ziegenhüten in Brienz (Bern) und Davos-Laret (Graubünden) erlebte.

So kauften Secchis 1971 das 2 ½ Hektaren Heimet Fürten. Sohn Taio atmete seit seiner Geburt 1972 Landluft. Wer würde dem zierlichen Stadtmeitschi zutrauen, dass es 20 Jahre lang Ziegen und Kühe gemolken, Geisskäse produziert, Hühner gefüttert, Schafwolle von A bis Z verarbeitet, gewoben, gemostet, geheuet und geemdet im Handbetrieb hat, und nebenbei als Hilfsorganistin in der Sentikirche und in Udligenswil sowie im Kirchenchor wirkte?

Ein Dutzend Kirschbäume, zwei Gemüsegärten. Nichts von Sommerferien, als Trost das Motto „Arbeit eint“.

Silvia betet für eine Bekehrung ihres reformierten Mannes

Ab 1985 gab es mit Sohn Taio doch noch Sommerferien. Mit unserem legendären Pilgerbus wurden viele Wallfahrtsorte Europas besucht: La Salette, Fatima, Lourdes, Assisi, Altötting und viele andere.

1987 schlug der Zufall - wir sagen die göttliche Fügung - wieder zu. Silvia gewann ihren Aldo als Chauffeur nach Medjugorje, der aber vorher noch zwei Pflichtlektüren verordnet bekam: Valtorta Band 1 und eine Medjugorje-Broschüre.

Die beiden kehrten glücklich zurück, der Chauffeur als glücklicher Jungkatholik. Silvia war glücklich, weil ihre jahrelangen Gebete erhört worden waren. Mit ihrem Frauenpower hatte sie heimlich die Wunderbare Medaille der Muttergottes in die Jacken Aldos eingenäht.

Erneut bewahrheitete sich ein Erfolgsschlüssel: Durch Maria zu Jesus! Silvia hat mir später ihre tägliche Gebetsbitte verraten: „Schenkt meinem Mann die Gnade, dass er katholisch wird, dann habt ihr einen guten Kämpfer!“

Gott allein weiss, wie oft sie dies vielleicht bereut hat. Denn ihr Aldo überbordete manchmal mit seinen Ideen. Doch Pater Rupcic selig gab ihr den Rat, nur bergab zu bremsen.

Projekte, Projekte, Projekte

Zehn Jahre später, 1997, gründete Silvia mit ihrem Mann den Verein SSJ (Societas Sancti Joseph).

Nach vielen Schriften im Eigenverlag Assisi begann ab 2000 das Hilfsprojekt in São Paulo für Waisenkinder und Familien im Elend. Das verlangte nicht nur von Silvia viele Entbehrungen, sondern auch von der Familie von Sohn Taio mit den bezaubernden Grosskindern Livio und Flurina.

Denn alle drei Monate musste der Sprecher nach Brasilien reisen, um nicht eingeplante Gefechte mit den Behörden zu führen.

Nun Silvia kann den für Weihnachten versprochenen Sieg – die Aufhebung eines neunjährigen Baustops - vom Himmel aus erleben. Und ihre Fürbitten mögen den Abschluss des Brasilienprojektes beschleunigen: Die Krönung soll nämlich der Bau einer Kirche sein, der heiligen Familie geweiht.

Wie ein Hirte seine Schafe

Wenn wir auf ihr Leben blicken, war sie nur für kurze Zeit eine kranke leidende Frau. Wer sie kannte, wird sie als einmalige Persönlichkeit in Erinnerung behalten, als eine Gerechte würde man sie im Alten Testament bezeichnen.

Darum rufen wir mitten in die Trauer hinein: Danke. Danke Gott, der Dir Silvia das Leben schenkte und Dich begleitete wie ein Hirte seine Schafe.

Danke an die Muttergottes, Königin aller Engel, die Dich beschützten. Danke, dass wir Dich bei uns haben durften. Danke, für Deine echte Liebe, eine Agape/Liebe, die nicht fragt, was bekomme ich zurück. Wir hätten gern mehr Zeit gehabt, Dir einiges davon zurück zu geben.

Wir geben Dir nun unsere Liebe ein Leben lang und sagen: „Auf Wiedersehen Ifula – Arrivederci Donna Silvia."

Für die zwei grössten Geschenke danke ich Dir hier nochmals: Danke, dass Du mir den wunderbaren Sohn Taio geschenkt und danke, dass Du mich zum wahren katholischen Glauben geführt hast.

Und danke, dass Du mich 49 Jahre ausgehalten hast. Trotz extremer Gegensätzlichkeit haben wir uns dennoch wunderbar ergänzt.

Deine letzte Bitte werde ich gern erfüllen: Ein Mosaik der heiligen Familie – Jesus – Maria -Joseph - wird Dein Grabmal zieren.

Der gemalte Engel auf Deinem Sarg ist eine Hommage an Deine Werke als Ikonenmalerin.

In der Abdankungshalle wird der Sarg abgedeckt, und wir werden einen irdischen Engel in Luzerner Sonntagstracht sehen, dessen Antlitz noch immer klar und hell die Liebe Gottes ausstrahlt.

Deo Gratias!
Tina 13
Vergelts Gott.
Latina
ein wunderschöner Nachruf 👏 👍
Galahad
🙏 🙏 🙏