Papstrede im Bundestag: Weniger Boykotteure als angemommen
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Dessen ungeachtet hielt die Debatte um die Rede weiterhin an. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles übten deutliche Kritik an den Boykotteuren. Dagegen verteidigten die Linken-Chefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst sowie der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, die Papstkritiker. Die FDP signalisierte Zustimmung zu dem Auftritt des Papstes.
Friedrich sagte dem Berliner «Tagesspiegel», dass einzelne Parlamentarier der Rede fernbleiben wollen zeige «eine Mischung aus Hochmut und Kleingeist, aus Provinzialität und Überheblichkeit».
Schavan sagte den Zeitungen der Essener WAZ-Gruppe, sie habe «kein Verständnis» für den Boykott. Nahles bezeichnete es als «unhöflich», der Rede im Bundestag fernzubleiben. «Wir haben auch George W. Bush und Wladimir Putin im Bundestag angehört.» Gröhe krisierte in der «Saarbrücker Zeitung» (Donnerstag) insbesondere die Links-Fraktion.
Er nannte es «skandalös, wenn diejenigen, die den Menschenfreund Papst Benedikt boykottieren, gleichzeitig den Menschenschinder Castro hofieren».
Lötzsch verteidigte die Fernbleibenden. «Ich habe Verständnis für diejenigen, die sich die Rede nicht anhören wollen, weil sie zum Beispiel die Sexualmoral, das Frauenbild oder das Kondomverbot des Papstes ablehnen», sagte sie. Auch ihr Kollege Klaus Ernst, der die Ansprache des Papstes im Bundestag verfolgen will, verlangte in einem Gespräch mit n-tv Respekt für die Entscheidung der Abgeordneten. Es gebe genauso viele Gründe, dem Papst zuzuhören wie gegen ihn zu demonstrieren. Er selber sei gespannt, ob der Papst sich kritisch etwa zu den Auswüchsen auf den weltweiten Finanzmärkten äußern werde.
Beck sagte dem Sender N24, selbstverständlich dürfe der Papst reden.
Es stelle sich aber die Frage, ob der Bundestag der geeignete Ort für diese Rede sei. «Wir haben in der Vergangenheit auch ähnliche Begehren, zum Beispiel des Dalai Lama, abgewehrt mit der Begründung, dass wir keine Religionsführer vor dem Deutschen Bundestag reden lassen wollen. Diese Regel durchbrechen wir jetzt; und wir haben eigentlich keinen rechten Grund, dass nächste Mal nicht zu sagen, wir laden auch den Dalai Lama ein.»
Die FDP äußerte sich unterdessen positiv zur Rede von Benedikt XVI.
Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler sagte, der Papst sei für die Liberalen «als Oberhaupt des Vatikanstaates, als der hoch geachtete Heilige Vater, das geistliche Oberhaupt der katholischen Kirche, in seiner Heimat ein hoch willkommener Gast». Auch wer dem Papst nicht folgen könne oder wolle, «sollte die innere Offenheit aufbringen, sich mit seinen Worten unvoreingenommen auseinanderzusetzen».
Ähnlich äußerte sich der FDP-Abgeordnete Patrick Meinhardt. «Mir fallen genügend familien- und gesellschaftspolitische Themen ein, bei denen sich meine Haltung zu 100 Prozent von der des Papstes unterscheidet. Das ändert dennoch nichts daran, dass Papst Benedikt XVI. die Gelegenheit erhalten soll, in seinem Heimatland im Deutschen Bundestag zu sprechen», sagte der Sprecher der «Christen in der FDP-Bundestagsfaktion».