Kleine Analyse der Situation der Priester und Gläubigen von 1952 und 1992.
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Dass der Dienst des Priesters erheblich schwieriger geworden ist, bedarf keiner Erklärung.
Im Jahre 1952 war die Kirche im Glauben einig. Ueberall wurde ein und derselbe Glaube verkündigt. Im Jahre 1992 ist unsere Kirche keine Einheit mehr im Glauben. Ueber wesentliche Gegenstände der verbindlichen Lehre bestehen sich ausschliessende gegensätzliche Auffassungen. Beispielsweise über die Offenbarung und Erlösung, Gottessohnschaft Jesu und die Stellung seiner heiligsten Mutter, die Kirche und Kirchengliedschaft, Eucharistie und Busssakrament.
Es war 1952 das Glück und der Trost der Priester, dass es überall eine relativ grosse Anzahl treuer Katholiken gab, die sich durch nichts und niemanden abhalten liess, jeden Sonntag am heiligen Messopfer teilzunehmen. Auch der Besuch der Werktagsgottesdienste war regelmässig stark. An manchen Tagen wie Herz-Jesu-Freitag war die Kirche an vielen Orten gefüllt.
Im Jahre 1992 hat sich die Lage erschreckend verändert. Die Zahl der Messbesucher hat überall enorm abgenommen. Es ist heute fast überall so, dass nur noch eine kleine Minderheit der Gemeinde zur sonntäglichen Eucharistiefeier versammelt, dass diese Minderheit stark überaltert ist und dass die Kinder ganz überwiegend fehlen.
Im Jahre 1952 wussten die Gläubigen, dass sie Sünder sind. Im Jahre 1992 meinen fast alle zu wissen, dass sie keine Todsünde begehen.
Im Jahre 1952 waren die Gläubigen bereit, dem Lehr- und Hirtenamt der Kirche zu folgen. Im Jahre 1992 gehen der Masse der Katholiken die Verirrungen von Theologen mehr ein als die Verlautbarungen der kirchlichen Autoritäten.
Im Jahre 1952 wussten die Neupriester, dass sie gebraucht wurden. Das Arbeitsfeld war riesig gross. Predigt und Unterricht, Jugendstunden und Krankenbetreuung, Gottesdienst und Sakramentenspendung erüllten das Leben eines jeden Priesters, ja beanspruchten ihn nicht selten über seine Kräfte.
Im Jahre 1992 sehen die Neupriester den unheimlichen Rückgang von Christlichkeit und Kirchlichkeit. Sie fragen sich, ob sie bei der rasanten Erosion von christlichem Glauben und kirchlicher Gesinnung überhaupt vonnöten und erwünscht sind, ob sie eine Zukunft haben.
Die Autorität der Kirche , ihrer Hirten und ihres Lehramtes spielt bei den meisten Katholiken keine Rolle mehr. Sie lassen sich im Ernst nichts mehr sagen und schon gar nicht im Genuss des Lebens stören.
Quelle. entnommen aus: Georg May, Das Priestertum in der nachkonziliaren Kirche.