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Leo XIII: Die Unvereinbarkeit der [Schrift-] Inspiration mit dem Irrtum

Auszug aus der Enzyklika "Providentissimus Deus" -

Über das Studium der Heiligen Schrift (18. November 1893)

Leo XIII.

VIII. Die Unvereinbarkeit der Inspiration mit dem Irrtum

20 Diese Prinzipien können nach Belieben auf verwandte Wissenszweige, besonders auf die Geschichte Anwendung finden. Denn es ist beklagenswert, dass viele von den Männern, welche die Denkmäler des Altertums, die Sitten und Einrichtungen der Völker und die Zeugnisse ähnlicher Art um den Preis großer Anstrengungen durchforschen und zu Tage fördern, dies öfter in der Absicht tun, um einen Makel des Irrtums in den heiligen Büchern zu entdecken und dadurch ihr Ansehen in jeder Richtung zu schwächen und zu erschüttern. Manche verfahren hierbei in allzu feindseliger Gesinnung und ohne die nötige Unparteilichkeit. Sie setzen auf weltliche Schriften und geschichtliche Denkmäler der alten Zeit ein solches Vertrauen, als ob bei ihnen nicht einmal der Verdacht eines Irrtums vorhanden sein könne; bei den Büchern der Heiligen Schrift aber genügt ihnen ein bloß vermeintlicher und scheinbarer Irrtum, um ihnen ohne gehörige Prüfung allen Glauben zu versagen. Allerdings ist es möglich, dass die Kopisten beim Abschreiben der Handschriften manchen Verstoß begingen; aber diese Schlussfolgerung ist nur nach reiflicher Prüfung und nur über solche Stellen statthaft, für welche der Fehler gehörig nachgewiesen ist. Auch kann es vorkommen, dass der echte Sinn einer Stelle zweifelhaft bleibt; aber dann werden für dessen Enträtselung die besten Regeln der Auslegung beste Dienste leisten. Doch bei alldem wäre es durchaus frevelhaft, die Inspiration nur auf einige Teile der Heiligen Schrift zu beschränken, oder zuzugeben, dass der heilige Verfasser selbst geirrt habe. Denn auch das Verfahren jener Männer ist nicht zulässig, welche diese Schwierigkeiten dadurch überwinden, indem sie ohne Anstand zugeben, dass die göttliche Inspiration sich auf weiter nichts als auf Gegenstände des Glaubens und der Sitten beschränke, weil sie von der falschen Ansicht befangen sind, wenn es sich um die Wahrheit der Lehren handelt, sei nicht so sehr zu erforschen, was Gott gesagt habe, als vielmehr zu erwägen, warum er es gesagt habe. Denn die Bücher allesamt und vollständig, welche die Kirche als heilige und kanonische anerkennt, mit all ihren Teilen sind unter Eingebung des Heiligen Geistes verfasst. Aber weit entfernt, dass bei der göttlichen Inspiration ein Irrtum unterlaufen könne, schließt sie schon an und für sich nicht bloß jeden Irrtum aus, sondern schließt ihn als verwerflich ebenso notwendig aus, als es notwendig ist, dass Gott, die höchste Wahrheit, überhaupt nicht Urheber eines Irrtums ist. – Das ist der alte und beständige Glaube der Kirche, wie er auch durch feierliche Erklärung der Konzilien zu Florenz und Trient ausgesprochen, zuletzt bekräftigt und noch deutlicher erklärt worden ist auf dem Vatikanischen Konzil, welches geradezu gesagt hat: „Die Bücher des Alten und Neuen Testaments müssen vollständig, mit all ihren Teilen, wie sie im Dekret desselben Konzils (von Trient) aufgezählt und in der alten lateinischen Vulgata-Ausgabe enthalten sind als heilige und kanonische anerkannt werden. Die Kirche aber hält sie für heilige und kanonische Bücher nicht deshalb, weil sie durch bloß menschliche Tätigkeit zustande gekommen, durch ihr Ansehen gutgeheißen worden wären, noch auch bloß deshalb, weil sie die Offenbarung ohne Irrtum enthalten, sondern aus dem Grund, weil sie unter Eingebung des Heiligen Geistes verfasst, Gott zum Urheber haben.“[56] Daher nützt es durchaus nichts zu sagen, dass der Heilige Geist Menschen als Werkzeuge zum Schreiben verwendet habe, und dass zwar nicht dem Haupturheber, wohl aber den inspirierten Verfassern etwas falsches habe entschlüpfen können. Denn er selbst hat sie durch eine übernatürliche Kraft so zum Schreiben angeregt und bestimmt, und den Verfassern also Beistand geleistet, dass sie all das und nur das, was er sie hieß, richtig im Geiste erfassten, getreulich niederschreiben wollten und passend mit unfehlbarer Wahrheit ausdrückten; sonst wäre der Heilige Geist nicht selbst Urheber der gesamten Heiligen Schrift. Diese Lehre haben die heiligen Väter immer als richtig angesehen. „Aus dem Grund“, sagt Augustinus, „weil die Verfasser niederschrieben, was der Heilige Geist ihnen zeigte und eingab, kann man durchaus nicht sagen, dass er selbst es nicht geschrieben hat, denn seine Glieder haben das ausgeführt, was sie unter Eingebung des Hauptes erkannt haben.“[57] Der heilige Gregor der Große äußert sich ähnlich: „Es ist eine sehr überflüssige Frage, wer dieses Buch geschrieben hat, da nach treuem Glauben der Heilige Geist der Verfasser ist. Er also hat dies geschrieben, der es zu schreiben angab; er hat es geschrieben, der das Werk mit seinem Hauche beseelt hat.“[58]

21 Daraus folgt, dass jene, welche meinen, in den echten Stellen der heiligen Bücher könne etwas Falsches enthalten sein, in der Tat entweder den katholischen Inspirationsbegriff verdrehen oder Gott selbst zum Urheber des Irrtums machen. Ja, alle Väter und Lehrer teilten die volle Überzeugung, dass die göttlichen Schriften, wie sie von den heiligen Schriftstellern ausgingen, von jedem Irrtum gänzlich frei seien. Deshalb haben sie sich bemüht, nicht wenige von den Stellen, welche etwas Widersprechendes oder Abweichendes zu enthalten schienen (und das sind ungefähr dieselben, welche man jetzt im Namen der modernen Wissenschaft einwendet), ebenso scharfsinnig als verehrungsvoll unter sich zu versöhnen und in Einklang zu bringen. Hierbei bekannten sie einstimmig, dass diese Bücher im Ganzen und nach ihren Teilen gleichmäßig von dem göttlichen Hauche beseelt seien, und dass Gott selbst, der durch die heiligen Verfasser gesprochen, gar nichts von der Wahrheit Abweichendes habe aufstellen können. Die Worte, welche ebenfalls Augustinus an Hieronymus schrieb, sollen im allgemeinen maßgebend sein: „Ich gestehe deiner Liebe, unter allen Büchern sind es einzig die Schriften, welche bereits kanonische heißen, denen ich eine solche Hochachtung und Verehrung darbringe, dass ich fest glaube, keiner ihrer Verfasser habe beim Schreiben in einem Punkte geirrt. Und wenn ich diesen Schriften auf etwas stoße, was mit der Wahrheit in Widerspruch zu sein scheint, so schließe ich daraus ohne Bedenken nur so viel, dass entweder die Handschrift fehlerhaft ist, oder dass der Übersetzer den Sinn der Worte nicht getroffen, oder dass ich sie gar nicht verstanden habe.“[59]

22 Doch freilich mit dem ganzen Rüstzeug der wichtigeren Wissenszweige für die Heiligkeit der biblischen Bücher die erschöpfende und vollkommene Verteidigung zu führen, ist eine viel zu große Aufgabe, als dass sie sich einzig und allein von der Geschicklichkeit der Ausleger mit Recht erwarten ließe. Darum ist es wünschenswert, dass das gleiche Ziel auch jene katholischen Männer einmütigen Sinnes anstreben, deren Namen in den Profanwissenschaften guten Klang und Ansehen besitzt. An solch glänzenden Talenten fehlt es mit Gottes Gnade wahrlich der Kirche ebenso wenig wie jemals in der Vergangenheit. Ja, möchte ihre Zahl zum Schutze des Glaubens sich in Zukunft noch mehren! Denn nichts ist nach Unserer Meinung nötiger, als dass die Wahrheit Verteidiger gewinne, die an Zahl und Kraft ihre Widersacher übertreffen. Auch ist nichts mehr im Stande, dem Volk Hochachtung vor der Wahrheit einzuflößen, als wenn sich mit aller Offenheit Männer zu ihr bekennen, die sich in einem berühmten Fache glänzend hervortun. Ja noch mehr! Leicht wird auch der Hass unserer Verleumder verstummen oder sie werden wenigstens nicht wagen, den Glauben ohne Hemmung als einen Feind der Wissenschaft künftig zu brandmarken, wenn sie sehen, dass durch wissenschaftlichen Ruhm ausgezeichneten Männer dem Glauben die höchste Anerkennung und Hochachtung zollen. – Weil also jene Männer für die Religion so großen Nutzen stiften können, welchen Gott in seiner Güte zugleich mit der Gnade des katholischen Bekenntnisses glückliche Geistesanlagen verliehen hat, so mögen sie ohne Ausnahme bei dem jetzigen lebhaften Betrieb der wissenschaftlichen Studien, welche wie immer auch die Schrift berühren, ein ihnen zusagendes Studienfach auswählen, in welchem sie künftig hervorragend die gegen jene geschleuderten Pfeile gottloser Wissenschaft nicht ohne Ehre zurückweisen. – An dieser Stelle erweisen wir mit Wohlgefallen nach Verdienst jenem Plan mancher Katholiken vollen Beifall, welche, um gelehrten Männern die Möglichkeit zu bieten, solche Studien mit der ganzen Fülle von Hilfsmitteln zu betreiben und zu fördern, Gesellschaften gebildet haben und zu diesem Zwecke reichliche Geldspenden aufbringen. Das ist führwahr die Beste und ganz zeitgemäße Verwendungsart des Geldes. Denn je weniger die Katholiken auf Unterstützung für ihre Studien von Seiten des Staates hoffen, desto bereitwilliger und reichlicher soll sich die Privatwohltätigkeit entfalten, so dass diejenigen, welche Gott mit Reichtum gesegnet hat, diesen zur Sicherstellung des Schatzes der göttlichen Offenbarung verwenden wollen.

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Quelle und Text der ganzen Enzyklika:
stjosef.at/dokumente/providentissimu…
Eugenia-Sarto
" alle Väter und Lehrer teilten die volle Überzeugung, dass die göttlichen Schriften, wie sie von den heiligen Schriftstellern ausgingen, von jedem Irrtum gänzlich frei seien.
Eugenia-Sarto
Das ist die Lehre. Die Heilige Schrift ist irrtumsfrei.
augustinus 4
Daher nützt es durchaus nichts zu sagen, dass der Heilige Geist Menschen als Werkzeuge zum Schreiben verwendet habe, und dass zwar nicht dem Haupturheber, wohl aber den inspirierten Verfassern etwas falsches habe entschlüpfen können. Denn er selbst hat sie durch eine übernatürliche Kraft so zum Schreiben angeregt und bestimmt, und den Verfassern also Beistand geleistet, dass sie all das und nur …Mehr
Daher nützt es durchaus nichts zu sagen, dass der Heilige Geist Menschen als Werkzeuge zum Schreiben verwendet habe, und dass zwar nicht dem Haupturheber, wohl aber den inspirierten Verfassern etwas falsches habe entschlüpfen können. Denn er selbst hat sie durch eine übernatürliche Kraft so zum Schreiben angeregt und bestimmt, und den Verfassern also Beistand geleistet, dass sie all das und nur das, was er sie hieß, richtig im Geiste erfassten, getreulich niederschreiben wollten und passend mit unfehlbarer Wahrheit ausdrückten; 😇