50 Jahre Niedergang in Liturgie und Kirche (www.summorum-pontificum.de)

50 Jahre Niedergang in Liturgie und Kirche

18. November 2019

Vor 50 Jahren, am ersten Adventssonntag 1969, ist auf Anordnung Papst Pauls VI. die Liturgiereform des „Novus Ordo“ in Kraft getreten. Das war auf dem Höhepunkt der maoistischen Kulturrevolution in China und der Studentenrevolte an den westlichen Universitäten – ein Zusammenhang, der immer deutlicher als nicht nur zeitlich und zufällig in den Blick rückt. Der Papst hatte sich zu diesem Schritt entschlossen, obwohl die Voraussetzungen dafür denkbar ungünstig waren: Es gab noch in keiner Sprache ein gedrucktes Missale – aber Paul VI. hatte es eilig. Er glaubte, die seit über einem Jahrzehnt andauernde Epidemie von liturgischen Experimenten auf allen Ebenen nur noch dadurch eindämmen und wieder unter Kontrolle bringen zu können, daß er unter Berufung auf seine höchste Autorität eine neue Norm und damit das Ende der Debatte befahl.

Wie wir in der Rückschau feststellen müssen, ist er damit in jeder Hinsicht gescheitert. Der Novus Ordo hat die Reformdiskussionen nur oberflächlich und für kurze Zeit beendet und danach zahlreiche Felder neu eröffnet. Sein Ziel, der Zeit einen ihr gemäßen liturgischen Ausdruck zu erschließen und der sich bereits abzeichnende Entfremdung der Gläubigen von der Teilnahme am Gottesdienst entgegen zu wirken, hat er nirgendwo erreicht. Stattdessen ist weltweit ein dramatischer Rückgang der Gottesdienstbesuche und des Sakramentenempfangs zu konstatieren. Hunderttausende von Priestern und Ordensangehörigen haben, von den „Reformen“ verwirrt, von ihrer geistlosen Brutalität überfordert oder von als mangelhaft empfundener Radikalität enttäuscht, ihr Amt aufgegeben oder ihr Kloster verlassen. Vielfach wächst nichts mehr nach, zahlreiche Gemeinschaften sind bereits ausgestorben, andere stehen mit einem Durchschnittsalter von weit über 70 kurz davor. Kein Wunder, daß offizielle Stellen in dem nun zu Ende gehenden 50. Jahr nirgendwo Grund für Jubiläumsfeiern erkennen konnten sondern dem Gedenken mit betretenem Schweigen auswichen – Kein Gedenkjahr für die Liturgiedeform.

Für die Katholiken, die an der überlieferten Lehre und Liturgie festhalten wollen, ist diese Entwicklung kein Grund zu Triumphgefühlen im Sinne eines „Wir haben es ja immer schon gesagt“. Und das nicht nur, weil alles noch schlimmer gekommen ist, als vorauszusehen war. Während in den säkularisierungsbereiten kirchlichen Apparaten unverdrossen an „Strukturreformen“ gearbeitet wird, die zumindest das Überleben dieser Apparate gewährleisten sollen, schauen viele Gläubige entsetzt auf die Verheerungen im Weinberg des Herrn, den alle, die des Weges kommen, hemmungslos ausplündern und verwüsten (Ps. 80). Wie soll der Glaube weitergegeben werden? Nicht nur alle gesellschaftlichen Strukturen brechen weg, die der Glaube der Kirche über ein Jahrtausend lang geformt und die ihn wiederum gestützt haben. Auch in der Kirche scheint alles zur Disposition zu stehen: Die Lehre der Gebote ist verstummt, die theologische Wissenschaft ergibt sich der Mode, der Katechismus wird zur Bühne für die Proklamation politischer Ansichten des regierenden Papstes, und Bischöfe tragen heidnische Götzenbilder im Triumphzug auf ihren Schultern über den Petersplatz.

Wir werden in den kommenden Tagen einige grundlegende Dokumente zur Inkraftsetzung der Liturgiereform (noch einmal) ausführlicher daraufhin anschauen, inwieweit sie bereits Elemente enthalten, in denen sich diese seitdem eingetretenen Entwicklungen ankündigen. Im Zentrum stehen dabei die bereits im April 1969 veröffentlichte „Apostolische Konstitution Missale Romanum“ von Papst Paul VI. sowie die beiden Ansprachen des Papstes vom 19. und 26. November dieses Jahres, in denen er den Versuch unternahm, die Gläubigen über die Motive der Reform zu unterrichten und sie zu ihrer Umsetzung aufzufordern. Und mit einiger Spannung warten wir darauf, ob es von offizieller Seite, sei es aus Rom, sei es von Seiten nationaler Bischofskonferenzen, doch noch offizielle oder offiziöse Stellungnahmen gibt, die sich um eine Kommentierung und Einordnung dieser so folgenreichen Ereignisse von vor 50 Jahren bemühen.

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Ja nu, was gäbe es auch zu feiern, nicht wahr?

Man wäre ja selten dämlich, den Blick auf das Jubiläum zu lenken und damit am Ende noch zum Nachdenken anregen, was denn nun aus all dem überschäumenden Heilsoptimismus geworden ist? Was eigentlich bei den Endlos-Dialogen herauskam? Nicht umsonst flüchtete Papst Franziskus in einem Gespräch mit dem brasilianischen TV-Sender Globo in die Überlegung, „die Umsetzung eines Konzils benötige für gewöhnlich 100 Jahre. Wir haben gerade einmal die Hälfte dieser Zeitspanne hinsichtlich Vaticanum II herumgebracht“. Durch das Verschweigen der Deform verschweigt man auch, dass es vor ihr anders war...

Was verschwiegen werden soll: Die „Generation Konzil“ hat keine Nachfolger, die Verwässerung des Glaubens und der Verehrungsformen, die Lockerung der Disziplin hat ihre Kinder und Enkel direkt in die Apostasie geführt, sofern sie nicht liturgische Formate als Bühnenauftritte zur Selbstinszenierung mißbrauchen. Diözesane Gottesdienste werden immer banaler, streng konform zur Tagespolitik - sie sind liturgisch steril, es ist keine organische Entwicklung zu beobachten, vielmehr müssen Laienengagement, Flüchtlinge, sozialpolitische Umverteilung und Klimawandel die Lücken füllen. Die Liturgiedeform war eben eine zeitbedingte Marotte von heilsoptimistischen und kampfesmüden Defätisten aus den 60ern, nur für die langsam abtretende Generation der Kirchenhierarchen war sie schlichtweg das Ereignis ihres Lebens und Grundlage ihres Handelns und Wollens.