Card. Scheffczyk - Könnte es einen "papa haereticus" geben?
![](https://seedus6826.gloriatv.net/storage1/sse4lhvnatygz9o5ct0ayqm1rjhtf2qznr2kff4.webp?scale=on&secure=V2mAQZMeqVphnqQeuSBIEA&expires=1719805802)
Sollte ein Papst einer persönlichen Häresie verfallen und diese öffentlich vertreten, so verliert er sein Amt. Er kann daraufhin von der Kirche gerichtet werden. Aber ein eigentliches Notstandsrecht für diesen Fall kennt die Kirche nicht.
Anm. * Eine ganze Reihe hervorragender Theologen wie Bellarmin, Suarez und Garrigou-Lagrange hielt es nämlich für möglich oder wenigstens für nicht ausgeschlossen, dass der Inhaber der höchsten Lehramts, nämlich der Papst, Häretiker werden könne. Die Theologen diskutierten die Frage, ob ein solcher Papst noch Papst bleibe oder automatisch abgesetzt sei, ob ihn ein Konzil absetzen könne oder wenigstens seine schon durch Christus erfolgte Absetzung erklären könne, ohne dieses Problem allerdings befriedigend lösen zu können.
Papst Paul IV. lebte bekanntlich sogar in der beständigen Angst, es könne einmal ein Mann mit zweifelhaftem Glauben auf den päpstlichen Stuhl gewählt werden, und erließ daher die Bulle Cum ex apostolatus officio, nach der eine solche Wahl von vorneherein ungültig sein sollte.
Große Theologen vertraten auch die Ansicht, dass der Papst der Kirche durch seine Regierung schweren Schaden zufügen könne und es in diesem Fall ein Recht auf Widerstand gebe. So schreibt Suarez: „Wenn nämlich (der Papst) etwas gegen die guten Sitten anordnet, soll man ihm nicht gehorchen. Wenn er irgendetwas gegen die offensichtliche Gerechtigkeit und das Allgemeinwohl unternimmt, so ist es erlaubt, ihm zu widerstehen.“ (Opera omnia X, Paris 1856 ff, S. 321, Tractatus de fide dogmatica, disp 10, sect. 6, nr. 16) Und der heilige Robert Bellarmin meint: „So wie es demnach erlaubt ist, einem Papste zu widerstehen, welcher den Körper anfällt, so ist es auch erlaubt, dem zu widerstehen, welcher die Seelen beängstigt oder den Staat verwirrt, und um so mehr, falls er die Kirche zu zerstören trachtete. Es ist erlaubt, sage ich, ihm Widerstand zu leisten, indem man seine Befehle nicht erfüllt und verhindert, dass sein Wille realisiert werde.“ (Über den Papst, Augsburg 1843. S. 403, 2. Buch, Abschn. 29)
** Papst Liberius (352-366) stimmte in der Qual der Verbannung dem Ausschluss des rechtgläubigen Athanasius zu, sowie der 1. und 3. Formel von Sirmium (351/351), wonach der Sohn dem Vater dem Wesen nach und in allem "ähnlich" sei; die bereits vom Konzil von Nizää (325) gelehrte "Wesensgleichheit" (homo-ousios) vom Vater und Sohn wird als unbiblisch abgelehnt. - Papst Honorius I. vertrat die irrige Auffassung, Christus habe nur einen Willen gehabt, nicht aber einen göttlichen und einen menschlichen Willen. Honorius wurde daher von mehreren Konzilien verurteilt. Die Briefe des Papstes können aber nicht als unfehlbare Ex- cathedra Entscheidungen angesehen werden.
Quelle: Leo Cardinal Scheffczyk, Entschiedener Glaube- befreiende Wahrheit, S. 192f.