Labre
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ICH GLAUBE Predigtreihe über den Glauben DER EINE GOTT Teil II 10. Predigt von Kaplan A. Betschart

"Unser Glube gleicht einer Blume, die wir Gott schenken."

In der Predigtreihe über den Glauben sprachen wir letztes Mal über das Thema “Ich glaube an den Einen Gott” und Seine Liebe zu uns, indem wir eines der schönsten Worte des Alten Testamentes hörten, das Gott zu uns spricht. Es lautet:

“Vergisst wohl eine Mutter ihres Kindes, erbarmt sie sich nicht ihres eigenen Sohnes? Und wenn sie es vergässe, ICH vergesse dich nicht! Siehe, ICH habe dich in Meine Hand geschrieben” (Is 49,15 f.).

Die Liebe zu Gott

Und wie steht es bei uns mit der Liebe zu IHM? Über uns Christen wurde gesagt, dass wir den Glauben an Gott “als selbstverständliche Pflicht, die Liebe (zu Ihm) als erstaunliche Ausnahme” praktizieren würden. “Den Glauben als Hintergrund und Alltag, die Liebe für festliche Anlässe” (I. F. Görres). Wenn dies wahr ist, müsste es uns zu denken geben. Denn ein solches Verhalten kann sich auf die Dauer nicht bewähren. Es gehen beide - der Glaube und die Liebe - daran zugrunde. Ein Glaube ohne die Liebe erblindet und besitzt nicht mehr die Kraft, Gottes Gegenwart wahrzunehmen. Und eine Liebe ohne Glaube ist ein Unding. Was als Liebe ausgegeben wird, ist nicht viel mehr als ein Gefühl, das keine Beständigkeit und keine Treue kennt. Der hl. Augustinus sagt:

“Wer die Liebe nicht hat, der glaubt vergeblich, der hofft vergeblich ..., wenn er nicht den Glauben und das Hoffen darauf richtet, dass ihm die Liebe gegeben werde.”

Dass uns die Gottesliebe geschenkt werde, ist das Bedeutsamste unseres gesamten Lebens. Ja, wir müssen uns leidenschaftlich um sie bemühen! Vielleicht ist die letzte und tiefste Ursache der erschreckenden Krise der Kirche und des religiösen Lebens diese, dass uns jene Menschen fehlen, die glühen aus Liebe zu Gott. Es fehlen uns von “Gottleidenschaft” erfüllte Menschen, wie z. B. eine hl. Theresia vom Kinde Jesu. Sie sprach von Gott als ihrem

“Freund, Den ich einzig und allein liebe”.

Und vor allem: sie lebte danach. Es fehlen uns Menschen von der Glut eines hl. Johannes vom Kreuz, der nach dem Grundsatz lebte:

“Die geringste Regung reiner Liebe nützt der Kirche mehr als alle anderen Werke zusammengenommen.”

Oder wie der heilige Thomas Morus zu sagen pflegte:

"Immer zuerst auf Gott achten!"

Die Worte dieser Heiligen dürfen wir verstehen als die Kurzformel des Grundgesetzes jeglicher Heiligkeit und auch des wahren Apostolates. Vor allem, auch vor jedem Werk, hat die Liebe zu Gott den Vorrang; Liebe verstanden als vollkommene Hingabe seiner selbst an Gott.

Humanismus und Liebe zu Gott

Dies scheint in der Kirche, bei den Gläubigen, in Vergessenheit geraten zu sein. Darum leiden wir unter einer schrecklichen Dunkelheit. Es grassiert in kirchliche Kreisen ein unchristlicher Humanismus oder auch Anthropozentrismus, was soviel bedeutet, dass der Mensch und seine Bedürfnisse das Mass und die Mitte aller Dinge geworden sind. Dies ist heute auch das Fundament einer neuen Seelsorge, besser gesagt Menschensorge. Sicher ist der Dienst am Menschen richtig. Er wird aber dann falsch, wenn Gott, der Herr, ausgeklammert oder auf das Mass des Menschen reduziert wird. Solange das erstrebenswerte Ziel der Kirche darin besteht, sich dem modernen Menschen anzupassen, so lange wird die Kirche ihre Krise nicht überwinden können. Durch diese Anpassungsbemühungen wird das Christentum zu einer “Religion des Menschen” und, obwohl der Name Gottes noch genannt wird, zu einer atheistischen, das heisst gott-losen Religion. Das Christentum sinkt damit herab zu einer Religion des sogenannten “zweiten Gebotes”. Eine solche Verkürzung steht im klaren Gegensatz zum Evangelium und zur Lehre der Kirche. Denn das erste und wichtigste Gebot lautet:

“Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken!” (Mt 22,37).

Gott ist denn auch die Ursache und der tiefste Grund jeglicher liebenden Hinwendung zum Mitmenschen. Der Mitmensch ist deshalb liebenswert, weil Gott ihn liebt, weil Gott sein Vater ist, und weil der erlöste Mensch Kind Gottes ist. Das ist der erste Grund zur Nächstenliebe. Und von daher kommt auch die Grösse ihrer Verpflichtung. Ohne die Liebe zu Gott jedoch verliert eine sogenannte christliche Liebe zum Mitmenschen ihren tiefsten Sinn. Wird der Primat Gottes vergessen, das erste Gebot, dann wird das sich heute so human und mitmenschlich gebärdende Christentum sehr inhuman und sehr unmenschlich. Denn es verweigert damit dem Menschen seiner Sorge die schönste und tiefste Wahrheit über ihn selbst.

Die Liebe zu Gott leben

Das erste Gebot, die Gottesliebe, leben, muss das Lebensprogramm eines jeden von uns sein. Es muss unsere grösste Sorge und unsere einzige Unruhe sein, dass in unserem Leben Gott, der Herr, den Platz einnehmen kann, der Ihm allein gebührt. Wir können Gott dieses Recht auch verweigern mit jener Freiheit, die Er uns Selber gab. Dann aber würden wir in der schweren Sünde leben, in der äussersten Finsternis, was letztlich der Selbstzerstörung gleichkäme.
Was für den einzelnen gilt, gilt auch für ein ganzes Volk. Wo aber Gott herrscht im persönlichen Leben und im Leben eines Volkes, wo also Gottes Ehre, Gottes Willen und Gottes Gebote respektiert werden, da ist alles im rechten Lot, da herrschen Ruhe, Ordnung und Friede, gespeist aus Quellen, die nicht versiegen werden.
“Glückselig das Volk, dessen Gott der Herr ist” (Ps 143,19).

Beenden wir diese Gedanken mit einem der schönsten Gebete zu Gott, das uns ein wahrhaft Glühender geschenkt hat, der hl. Bruder Klaus:

MEIN HERR UND MEIN GOTT,
NIMM ALLES VON MIR,
WAS MICH HINDERT ZU DIR!

MEIN HERR UND MEIN GOTT,
GIB ALLES MIR,
WAS MICH FÖRDERT ZU DIR!

MEIN HERR UND MEIN GOTT,
NIMM MICH MIR UND GIB
MICH GANZ ZU EIGEN DIR!

Quellenhinweis:

▸ Bengsch A., Zehn Gebote - Anstoß zur Erneuerung, Berlin 1975.

▸ Görres I. Fr., Im Winter wächst das Brot, Kriterien Band 19, Einsiedeln 1970 3. Aufl.

▸ Meer, F. van der, Das Glaubensbekenntnis der Kirche; Herder-Bücherei Bd. 145/146, Freiburg i. Br. 1963.