Old-Johann
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Das zerstörte Geheimnis - August 1997

Eine tödliche Krankheit hat uns erfaßt. Der Leib der Menschheit wird vom Fieber geschüttelt. Viele der Kranken haben schon das Bewußtsein verloren. Das Bewußtsein von der Existenz des heiligen Gottes. Wie eine gewaltige geistige Revolution hat sich das Virus ausgebreitet. Noch nie in der Geschichte der Menschheit hat die Abkehr von Gott solche Ausmaße angenommen wie heute.
Wenn man allein die weltbeherrschenden, kirchenfeindlichen Gruppierungen - Marxismus, Materialismus, Liberalismus, Freimaurerei, New Age, Satanismus - betrachtet, erkennt man, daß im Vergleich zu ihrem Einflußbereich die Christenverfolgungen des Römischen Reiches nur ein Kinderspiel waren. Sehen Sie sich einmal an, wie weit sich die gottfeindlichen Mächte die Welt unter sich bereits aufgeteilt haben.

Der Aufstand gegen Gott ist deshalb so schlimm, weil er auch innerhalb der katholischen Kirche entfesselt wurde. Im Lager der Guten ist eine Seuche entstanden, welche den gesamten Glauben zu vernichten droht. Der Aufstand gegen Gott hat alle Stände der kath. Kirche erfaßt: Kardinäle und Bischöfe, Priester und Ordensleute, und natürlich auch die breite Masse der Gläubigen, die unter der Führung der Priester wie auch der Manipulation der Presse steht. Ich spreche nicht von der „Gott-ist-tot“-Theologie, auch nicht von den vielen Irrlehren, die überall herum geistern. Ich meine auch nicht die vielen Wohlstandsgnostiker, die alles haben und glauben, auf Gott verzichten zu können. Ich meine auch nicht die Stolzen, die einen Gott über sich nicht ertragen können. Vielmehr sind jene gemeint, die sich einen Gott machen, der den Menschen dient.

Sichtbare Zeichen der unsichtbaren Katastrophe sind die vielen Kriege und Revolutionen auf der ganzen Welt. Seit 1945 gab es mehr als 200 bewaffnete Auseinandersetzungen mit 40 Millionen Toten und etwa 100 Millionen Verwundeten. Viele Menschen sehen darin die Vorboten einer Weltkatastrophe. Schlimmer noch ist die unsichtbare Katastrophe, die über den religiösen Raum hereingebrochen ist. Es wird Krieg geführt gegen treue Bischöfe und sog. „fundamentalistische“ Gruppen. Kaum jemand ahnt die Dimension des Geisterkampfes. Man kann wohl sagen, daß dieser Kampf eine deutliche endzeitliche Note trägt.

Niemand kann mehr neutral bleiben. Wer seinen Glauben und seine Freiheit bewahren will, muß kämpfen. Wer nicht kämpfen will, wird von der Strömung mitgerissen und geht unter. Es genügt dabei nicht, sich bloß zur Wehr zu setzen, denn der Feind ist übermächtig. Wir müssen eine starke Einheit aufbauen und eine echte Strategie entwickeln. Am Anfang der Strategie steht die Diagnose und die Entlarvung der Gegner. Da es ein geistiger Kampf ist, muß man die Gegner genau beobachten, aber auch seine eigenen Fehler und Schwächen schonungslos aufdecken. Stolz und mangelnde Gottesfurcht machen uns blind und liefern uns dem Feind aus.

Symptome der Krankheit waren die 500-Jahr-Feiern zu Ehren Luthers und die 200-Jahr-Feiern zu Ehren der französischen Revolution. Die Revolution der Freimaurer vor 200 Jahren richtete sich direkt gegen die Kirche. Eine grausame Christenverfolgung begann. Die Klöster wurden aufgehoben, die Kirchen geschlossen, das kirchliche Vermögen eingezogen, die Verbindung mit Rom gebrochen. Wer nicht den Eid auf die Revolution leistete, landete auf der Guillotine. Schon zwölf Jahre später setzte die Gegenbewegung ein, 1880 wurde ein Konkordat geschlossen, und es begann ein Aufbruch des Glaubens.

Ganz anders hatte sich der Aufstand gegen Gott in der Reformation vor 500 Jahren entwickelt. Der Aufruhr Luthers war in seiner Zielsetzung viel besser getarnt. Darum gelang es ihm, viele Millionen Christen zu täuschen. Diesmal dauerte es 200 Jahre, bis die Gegenreformation in Schwung kam. Bis dahin breitete sich die Irrlehre aus und festigte sich. Und dann hat der Teufel wiederum gelernt. Der heutige Aufstand gegen Gott ist verborgen und perfekt getarnt.

Rom strich den Namen der Freimaurer aus dem Kirchenrecht. Die Prälaten feierten zusammen mit den Freimaurern Verbrüderung. Kardinäle und Bischöfe setzten sich mit ihrer Autorität für die Freimaurer ein und in einigen Diözesen wurde die teuflische Tirade „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ zum Jahresthema erhoben. Man bedenke: Der Schlachtruf der franz. Revolution wird von der Kirche als geistige Zielsetzung aufgenommen. Die Christenheit jubelt einer vermeintlichen Erneuerung zu. Reißt man ihr aber die Schleier der Schlagworte herunter, erscheint dahinter die Fratze des Gottesfeindes von Anfang an.

Viele glauben heute noch, daß es sich nur um die Erscheinungen des Umbruchs handelt und sagen, daß für eine Erneuerung auch Opfer gebracht werden müssen. Das Alte müsse eben absterben, damit das Neue wachsen könne. „Die Kirche muß sich gesundschrumpfen“, sagen manche Theologen. Sieht die Kirchenführung die schrecklichen Folgen nicht: Kirchenaustritte, Abfall vom Glauben, Niedergang der Sakramenten-Disziplin, Zerstörung der Bußpraxis, sakrilegischer Empfang der hl. Kommunion, zahllose Austritte von Priestern und Ordensleuten, verheerender Rückgang der Moral, auch unter Geistlichen. Dazu kommen der Vormarsch des Satanismus, der moralische Bankrott der Gesellschaft, Pornographie, Unzucht, Abtreibung, Rauschgift, Mord, Terror und Verbrechen aller Art.
Die Wurzeln unserer Krankheit reichen weit zurück bis zum Versprechen des Teufels: „Ihr werdet sein wie Gott!“ Das war der Anfang der Aufklärung. Schon im Namen liegt ein tödlicher Keim. Jesus hat seine Jünger nicht aufgeklärt, sondern sie in die Geheimnisse des Gottesreiches eingeweiht. Der Teufel hat die ersten Menschen im Paradies „aufgeklärt“. Hinter der Aufklärung steht die Ursünde des Stolzes. Vom Stolz erfaßt, ist der geschöpfliche Geist nicht mehr bereit, sich dem Geheimnis zu unterwerfen. „Ihr werdet sein wie Gott!“ Von den Gedanken dieser Urversuchung sind große Teile der Menschheit vergiftet. Die Menschen glauben, was der Widersacher verkündet, nämlich daß sie Teil des Göttlichen sind, daß sie selbst Gott sind.

Gott selbst ist das große Geheimnis, und wo Gott ist, da ist auch das Geheimnis. Alles Wirken Gottes ist Geheimnis, und Er ist Mensch geworden, um uns die Geheimnisse des Himmelreiches zu verkünden. Die Heilsmittel, die er uns schenkt, sind Geheimnisse. Als Antwort auf Seine Frohbotschaft verlangt Gott die demütige Unterwerfung und Annahme im Glauben. Seine Jünger nennt er „Verwalter der Geheimnisse“. Da Satan diese Geheimnisse haßt, hat er die Bewegung der Entmythologisierung erfunden. Alles wird hinterfragt, zersetzt und im Dialog zerrieben.

Da das Geheimnis Gottes im Wort besteht, das vom Himmel herabgestiegen ist, gilt der Kampf in erster Linie dem Wort Gottes. Der Kampf gegen das Engelwerk begann mit einer Flutwelle von unwahren, verdrehten Worten. Die Kampagne richtete sich zuerst gegen das Geheimnis, das Schweigen und die Arkandisziplin. Das Engelwerk wurde als Geheimbund verleumdet, das Schrifttum als „Geheimschriften“ angeprangert, den Mitgliedern Geheimnistuerei nachgesagt und die Arkandisziplin als verwerflich hingestellt. Im ersten römischen Dekret wurde das Schweigeversprechen des Engelwerkes verboten. Klar erkennbar wurde in der ersten Phase des Kampfes das Geheimnis angegriffen.
Um das eigentliche Kampfziel zu verschleiern und zu tarnen, um die Menschen besser täuschen zu können, wurde statt Geheimnis ein neues Schlagwort eingeführt: Das Tabu. Die Presse wählte dieses Schlagwort wegen seines fremdartigen Klanges, man holte den religiösen Nymbus aus der heidnischen Welt. Tabu löste die früher gebräuchlichen Begriffe Säkularisierung bzw. Entsakralisierung ab. Dafür hieß es nun „Enttabuisierung“. Wie nicht anders zu erwarten, konzentrierte sich der Angriff auf den Glauben. Alles Dunkle soll dem Licht weichen, alle Tabus müssen verschwinden.

Das Geheimnisvolle wurde als böse verdächtigt, und nur das Böse müsse sich verbergen. Allem Geheimnisvollen wurde der Makel angehängt, böse zu sein. Der Teufel weiß um die Macht und die Hintergründe des Geheimnisses. Der dunkle Kirchenraum muß den hellen Hallen weichen. Der sakrale Raum wird von allem Zierrat gereinigt. Das Volk soll alles sehen und hören können. Darum wurde der Luthertisch eingeführt und nahe zum Volk geschoben. Die stille Messe gilt als rückständig. Latein als Sakralsprache wird abgeschafft, die Messe zur Schau degradiert. Mit dieser Taktik wurden alle Geheimnisse unseres Glaubens als Magie und Tabu verteufelt.
Sogar den großen Geheimnissen unseres Glaubens wurde der Spottmantel des Tabu umgehängt und an den Pranger gestellt, damit der Pöbel darüber diskutieren kann. Es gibt heute kein religiöses Geheimnis mehr, das nicht Gegenstand erniedrigender Debatten ist. Besonders grimmig werden jene Wahrheiten und Wunder bekämpft, die aus der Offenbarung stammen. Beliebte Objekte der Enttabuisierung sind der Stellvertreter Christi, Bischöfe und Priester. Da nützt es wenig, wenn die geistlichen Herren den Massen schmeicheln und sich demütig zu ihren Füßen setzen. Das Geheimnis hat den Pöbel gereizt. Aber nicht einmal durch den Abfall vom Glauben kann er sich dem Würgegriff des Teufels entziehen.

Durch den Raub der Geheimnisse blieb vom heiligen Meßopfer nur mehr ein Essen übrig, ein Mahl, das man sehen und essen kann. Friedrich Heer (ein linker Journalist) schrieb in einem Artikel über die Tabus: „Wir sind Gefangene vieler Tabus. Die große und gefährliche Wirkung der Tabus ist dort am stärksten, wo individuelle, gesellschaftliche und zeitpolitische Tabus sich in mächtigen Angstkomplexen vereinigen (wo die Vereinigung sexueller, religiöser, gesellschaftlicher und politischer Tabus erfolgt). Die religiösen Tabus versperren fast alle Versuche, innerlich frei, fromm, zukunftsoffen und liebesstark zu werden."

Vor diesem Hintergrund ist nicht erstaunlich, daß um die Liturgie der Kampf gegen das Geheimnis besonders grimmig entbrannte. Man gewinnt den Eindruck, als sei die Enttabuisierung das wichtigste Anliegen der Liturgiereform gewesen. Nichts darf verborgen sein, zum besseren Verständnis und zur „lebendigen Mitarbeit“ muß man alles genau sehen und hören können. Man jubelte über einen Johannes XXIII., der die Fenster der Kirche aufgerissen hat. Man hat den Gläubigen eingeredet, sie hätten ein Recht darauf, alles zu hören und alles zu wissen. Von denen sagte Christus: „Sie hören und sie hören doch nicht.“ (Mt 13,13)
- Pater Hansjörg Bitterlich - SB11/2007 -
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