Heilwasser
4122

Die unmittelbare, intuitive Erkenntnis des göttlichen Wesens

Quelle: Ludwig Ott, Grundriß der Katholischen Dogmatik

Die Dogmen der Katholischen Kirche
Die Lehre von Gott dem Einen der Wesenheit nach

3.
Gottes Wesen ist für den Menschen unbegreiflich.
4. Die Seligen des Himmels besitzen eine unmittelbare, intuitive Erkenntnis des
göttlichen Wesens.
5. Die unmittelbare Gottanschauung übersteigt das natürliche Erkenntnisvermögen der menschlichen Seele, ist also übernatürlich.
6. Um Gott wirklich unmittelbar zu schauen, bedarf die Seele des Glorienlichtes.
7. Gottes Wesen ist auch für die Seligen des Himmels unbegreiflich.

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Betrachtung:

Über Dogma 3 wurde schon vieles geschrieben. Vielleicht ist es das am
meisten missbrauchte Dogma, das gerade von jenen schnell im Munde
geführt wird, die suggerieren wollen, wir könnten über Gott überhaupt gar
nichts Konkretes sagen, aber so ist das Dogma nicht gemeint, was leicht
ersichtlich ist, wenn man gleich die nächsten Dogmen 4 bis 7 dazubetrachtet.
Sie besagen, dass im Himmel den Seligen im Glorienlicht die unmittelbare
Gottesschau gegeben ist, was den Aussagen der Kirchenväter entspricht,
die von Schau Gottes, Besitz Gottes und Genuss Gottes schreiben. Glaube,
Hoffnung und Liebe auf Erden führen zu Schau, Besitz und Genuss Gottes
im Himmel. In dieser unmittelbaren Gottesschau besitzen die Seligen eine
intuitive Erkenntnis des göttlichen Wesens (4). Und doch kann das göttliche
Wesen nie begriffen werden. Das Geschöpf wird immer staunen über
die unendlichen Herrlichkeiten Gottes, die alle begrenzte Vorstellung
unendlich weit übersteigen. Wem der Herr Geheimnisse offenbaren will,
dem kommt Er mit Seiner übernatürlichen Gnade zuvor. Aber selbst die
unmittelbare Gottesschau erkennt Gott nur in dem für ein Geschöpf trag-
baren Maße. Die Allmacht, Liebesglut und Heiligkeit Gottes in Fülle würde
das Geschöpf sofort vernichten.

😇
Heilwasser
@Massoulié
Sie haben das theol. "Problem" erkannt. Danke für die Infos, werde sie
später durchlesen. Im Grunde geht Dogma 3 und Dogma 7 davon aus,
dass das Wesen Gottes als Ganzes begriffen werden müsste,
um es begreifen zu können, denn wenn man nur Aspekte des Wesens
erkennt, begreift man nicht das ganze Wesen. Somit bleibt das Wesen
Gottes unbegreiflich.
Massoulié
Bedeutet "Gott schauen" Ihn ganz begreifen?
(Das Schauen der Seligen ist kein erschöpfendes Begreifen des göttlichen Wesens.)
Thomas von Aquin - Summe der Theologie, Prima Pars, quaestio 12, articulus 7
Ich antworte, daß „Gott zu begreifen eine Unmöglichkeit ist für jede geschaffene Vernunft; jedoch Gott mit dem Geiste wie auch immer erfassen , ist eine hohe Seligkeit"; wie Augustin (sermo 38. de …Mehr
Bedeutet "Gott schauen" Ihn ganz begreifen?
(Das Schauen der Seligen ist kein erschöpfendes Begreifen des göttlichen Wesens.)

Thomas von Aquin - Summe der Theologie, Prima Pars, quaestio 12, articulus 7

Ich antworte, daß „Gott zu begreifen eine Unmöglichkeit ist für jede geschaffene Vernunft; jedoch Gott mit dem Geiste wie auch immer erfassen , ist eine hohe Seligkeit"; wie Augustin (sermo 38. de verb. dom. cap. 3.) sagt.
Zur Erläuterung dessen ist zu erwägen, daß Alles, was begriffen wird, in ganz vollendeter Weise erkannt ist. In ganz vollendeter Weise aber erkennen, das besagt ebensoviel, wie einen Gegenstand soweit erkennen als selbiger erkennbar ist. Wenn somit etwas kraft eines zuverlässigen wissenschaftlichen Beweisgrundes erkennbar ist und ich kenne es nur kraft einer etwelchen Wahrscheinlichkeit, so begreife ich es nicht. Weiß z. B. jemand diesen Satz, das Dreieck hat drei Winkel, deren Summe zwei rechten Winkeln gleich ist, vermittelst eines festen Beweises, so begreift er denselben; kennt er jedoch nur Wahrscheinlichkeitsgründe dafür, oder nimmt er den Satz etwa nur an, weil weise Männer ihn festhalten, so begreift er denselben nicht; denn er erkennt ihn nicht mit der Vollkommenheit, wie er erkannt werden kann. Keine geschöpfliche Vernunft aber kann Gottes Wesen in jener Vollendung erkennen, wie dasselbe erkannt werden kann. Und das ist klar. Denn jegliches Sein wird insoweit erkannt als es thatsächlich Sein hat. Gott aber ist unbegrenztes, unendliches Sein. (Er ist die reinste Thatsächlichkeit selber ohne die geringste Beimischung eines Vermögens, um noch etwas weiteres zu werden.) Also ist er auch (reine) unendliche Erkennbarkeit. Kein geschaffener Verstand aber kann Gott mit unendlicher Vollendung erkennen. Denn nur soweit schaut die geschöpfiiche Erkenntniskraft (der Seligen im Himmel) das Wesen Gottes, als sie das Glorienicht in höherem oder niedrigerem Grade trägt. Da also das geschaffene Glorienlicht, welche Vernunft auch immer es in sich empfange; nicht unendlich sein kann, so vermag auch keine geschaffene Vernunft Gott mit unendlicher Vollendung, nämlich soweit Gott erkannt werden kann, zu erfassen; und somit ist ein Begreifen der göttlichen Natur von seiten der geschöpflichen Vernunft unmöglich.

Einwand: Es scheint nach dem Apostel, daß die Seligen wirklich Gottes Wesen durchaus begreifen. Denn: Phil. 3, 12. wird gesagt: „Ich folge aber nach; ob ich nicht irgendwie begreife;" und daß er nicht vergebens nachfolgte, sagt er gleichfalls (1. Kor. 9.): „So laufe ich in der Rennbahn, nicht ins Ungewisse hinein." Der Apostel also begriff und in derselben Weise „begriffen" andere, die er dazu ermahnt: „Laufet, daß ihr es begreift."

Lösung
: „Begreifen" oder, „Ergreifen" kann in zweifacher Weise verstanden werden: einmal im eigentlichen Sinne, soweit das „Begriffene" vom Begreifenden wahrhaft umgriffen und umschlossen ist; und so wird Gott nie begriffen, weder von einer Vernunft außer der seinigen, noch von etwas Anderem. Denn da Er unendlich ist, kann Er von nichts Geschaffenem und deshalb Endlichem eingeschlossen werden, so daß etwas Endliches Ihn in unendlicher Weise begriffe. Und darum handelt es sich hier. Sodann wird von etwas ausgesagt, es werde begriffen, in uneigentlicher ausgedehnterer Weise, soweit nämlich das Begreifen dem Streben und Verfolgen gegenübersteht, im Sinne von „ergreifen"; wie ich jemanden „ergreife", wenn ich ihn festhalte. So wird Gott von den Seligen „begriffen", wie es (Cant. 3. heißt: „Ich habe Ihn festgehalten und werde Ihn nicht mehr von mir lassen." Und in diesem Sinne spricht der Apostel. Dieses „Ergreifen" ist einer der drei Vorzüge der verherrlichten Seele und entspricht dem Streben der Hoffnung, wie das Schauen dem Glauben und das Genießen der Liebe. Denn bei uns wird nicht alles dies besessen und festgehalten, was gesehen wird; weil bisweilen weit Entferntes oder unserer Gewalt Entzogenes gesehen wird. Und ebenso haben wir nicht immer Genuß an dem, was wir besitzen; weil manches nur Mittel zum Zweck ist und somit kein Ergötzen mit sich bringt. Diese drei Vorzüge aber haben die Seligen in Gott. Denn sie schauen Ihn; Ihn schauend halten sie Ihn sich gegenwärtig; und in ihrer Gewalt ist es, Ihn immer zu schauen und in der Fülle seiner Vollendung im Festhalten an Ihn Seiner zu genießen wie des letzten Endzieles, welches alle Sehnsucht anfüllt.

Ad septimum sic proceditur. Videtur quod videntes Deum per essentiam ipsum comprehendant. Dicit enim apostolus, Philipp. III, sequor autem si quo modo comprehendam. Non autem frustra sequebatur, dicit enim ipse, I Cor. IX, sic curro, non quasi in incertum. Ergo ipse comprehendit, et eadem ratione alii, quos ad hoc invitat, dicens, sic currite, ut comprehendatis. [...]

Respondeo dicendum quod comprehendere Deum impossibile est cuicumque intellectui creato, attingere vero mente Deum qualitercumque, magna est beatitudo, ut dicit Augustinus. Ad cuius evidentiam, sciendum est quod illud comprehenditur, quod perfecte cognoscitur. Perfecte autem cognoscitur, quod tantum cognoscitur, quantum est cognoscibile. Unde si id quod est cognoscibile per scientiam demonstrativam, opinione teneatur ex aliqua ratione probabili concepta, non comprehenditur. Puta, si hoc quod est triangulum habere tres angulos aequales duobus rectis, aliquis sciat per demonstrationem, comprehendit illud, si vero aliquis eius opinionem accipiat probabiliter, per hoc quod a sapientibus vel pluribus ita dicitur, non comprehendet ipsum, quia non pertingit ad illum perfectum modum cognitionis, quo cognoscibilis est. Nullus autem intellectus creatus pertingere potest ad illum perfectum modum cognitionis divinae essentiae, quo cognoscibilis est. Quod sic patet. Unumquodque enim sic cognoscibile est, secundum quod est ens actu. Deus igitur, cuius esse est infinitum, ut supra ostensum est, infinite cognoscibilis est. Nullus autem intellectus creatus potest Deum infinite cognoscere. Intantum enim intellectus creatus divinam essentiam perfectius vel minus perfecte cognoscit, inquantum maiori vel minori lumine gloriae perfunditur. Cum igitur lumen gloriae creatum, in quocumque intellectu creato receptum, non possit esse infinitum, impossibile est quod aliquis intellectus creatus Deum infinite cognoscat. Unde impossibile est quod Deum comprehendat.

Ad primum ergo dicendum quod comprehensio dicitur dupliciter. Uno modo, stricte et proprie, secundum quod aliquid includitur in comprehendente. Et sic nullo modo Deus comprehenditur, nec intellectu nec aliquo alio, quia, cum sit infinitus, nullo finito includi potest, ut aliquid finitum eum infinite capiat, sicut ipse infinite est. Et sic de comprehensione nunc quaeritur. Alio modo comprehensio largius sumitur, secundum quod comprehensio insecutioni opponitur. Qui enim attingit aliquem, quando iam tenet ipsum, comprehendere eum dicitur. Et sic Deus comprehenditur a beatis, secundum illud Cant. III, tenui eum, nec dimittam. Et sic intelliguntur auctoritates apostoli de comprehensione. Et hoc modo comprehensio est una de tribus dotibus animae, quae respondet spei; sicut visio fidei, et fruitio caritati. Non enim, apud nos, omne quod videtur, iam tenetur vel habetur, quia videntur interdum distantia, vel quae non sunt in potestate nostra. Neque iterum omnibus quae habemus, fruimur, vel quia non delectamur in eis; vel quia non sunt ultimus finis desiderii nostri, ut desiderium nostrum impleant et quietent. Sed haec tria habent beati in Deo, quia et vident ipsum; et videndo, tenent sibi praesentem, in potestate habentes semper eum videre; et tenentes, fruuntur sicut ultimo fine desiderium implente.


www.unifr.ch/bkv/summa/kapitel13-7.htm

www.corpusthomisticum.org/sth1003.html
Heilwasser