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Irgendwann frühmorgens schellte das Telefon. Ein Schweigeanruf

Bild: Leupolt/Bistum Fulda

(gloria.tv/ Bistum Fulda) Der folgende Text erschien als „Wort des Bischofs“ in der Kirchenzeitung „Bonifatiusbote“ vom 25. März 2012. Von Bischof Heinz Josef Algermissen.

Irgendwann ganz frühmorgens, noch in der Nacht, schellte das Telefon. Ein wenig verstört, weil aus dem Schlaf gerissen, habe ich mich gemeldet – und bekam keine Antwort.

Es war nicht das erste Mal, dass ein Anrufer stumm blieb. Immer häufiger erlebe ich diese so genannten Schweigeanrufe, deren rapider Anstieg auch von der Telefonseelsorge berichtet wird. Anfangs nahm ich bei solchen Anrufen an, irgendwer wolle mich ärgern. Später dämmerte mir, dass da vielleicht jemand am anderen Ende sein könnte, der es einfach nicht fertig brachte etwas zu sagen. Da habe ich dann gewartet und vorsichtig ins Dunkel gesprochen. Aber nie war es mir gelungen, den stummen Anrufer zum Reden zu bringen.

Doch diesmal, nach langen Minuten der Stille, plötzlich eine Stimme: „Ich habe Angst.“ Was dann folgte, war allenfalls der Ansatz eines Gesprächs. Es ging um eine schwere Drogenabhängigkeit. Mit dem Mut der Verzweiflung hatte die junge Frau meine Nummer gewählt, mit einem Rest an Mut das Schweigen durchbrochen und sich schließlich das Elend ihrer Situation stoßweise von der Seele geredet. Dann legte sie plötzlich wieder auf. Mir blieb die bittere Erkenntnis meiner Ohnmacht, dass ich ihr offenbar nicht hatte helfen können. Oder allenfalls ein wenig durch das Zuhören.

Die ganze Not ihrer Verstrickung, die lähmende Einsicht, nicht von der Droge loskommen zu können, die vielen Probleme, die sich in der Folge aufgetürmt hatten: all das hat sich in meiner Erinnerung verdichtet in ihren ersten Worten „Ich habe Angst“.

Von Angst sind wir alle betroffen, sie gehört zu unserem Leben. Ihren tiefsten Grund hat sie wohl in dem Wissen, dass wir irgendwann sterben werden. Dieses Wissen, oft genug verdrängt oder übertüncht, ist doch in der Seele gespeichert. Und es erhält ständig neue Nahrung durch Enttäuschungen, Bedrohungen oder Erfahrungen der Einsamkeit und Verzweiflung.

Mit dem Kreuz dieser Angst müssen wir alle leben. Wir müssen es aushalten. Das geht leichter, wenn wir das Grundvertrauen gelernt und eingeübt haben, wenn wir uns gehalten wissen. Es ist sehr aufschlussreich, dass die Begriffe „Vertrauen“, auch „Sich-trauen“ und „Treue“ allesamt sprachgeschichtlich vom Urwort „deru“ herkommen, was so viel heißt wie Eiche, starker Baum und dann auch sicherer Halt. Wer von uns kann schon leben ohne Halt?

Wenn wir Christen den Glauben an Gott bekennen, meinen wir vornehmlich „auf Gott vertrauen“. Es geht zunächst nicht um Sätze, die ich für wahr halten muss. Vielmehr geht es um die Grundhaltung des Vertrauens. Und perfekt muss dieses Vertrauen auch nicht sein. Immer aber ist es ein Geschenk, kostbar und zerbrechlich. Erzwingen können wir es nicht. Ich bin schon dankbar, wenn ich Spuren davon finde, bei mir selbst und bei anderen.

„Dein Glaube hat dir geholfen“, das sagt Jesus so manches Mal zu den Menschen, die Vertrauen auf ihn setzen, ihm zutrauen, dass er sie heilen kann. „Mein Glaube hat mir geholfen“, das höre ich, Gott sei Dank, auch heute noch. Die es sagen können, sind dankbar und froh.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen solchen Glauben, der darauf vertraut, dass all unsere Angst und Not letzten Endes im Kreuz Jesu Christi aufgehoben sind.