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Die "Unfehlbarkeit des Papstes": Gegen den "Freigeist" und seine Früchte. Von Magdalena Veletta

Franziskus äußerte sich gegenüber Georg Bätzing und den angeblichen «Reformen» in der deutschen Kirche wie folgt: "In Deutschland gibt es eine sehr gute evangelische Kirche. Wir brauchen nicht zwei davon".

Vor 150 Jahren - ein Stimmungsbild aus Deutschland
Seit dem Konzil von Trient, welches auf die Herausforderungen und Lehren der Reformation reagieren musste, stauten sich im 19. Jahrhundert die Probleme in der katholischen Kirche.

Der "protestantische Freigeist" und die "Französische Revolution" offenbarten ihr Früchte.

Die kirchliche Lehre wurde durch
- Liberalismus (Aufklärung und Humanismus)
- Naturalismus (Natur als Norm)
- Gallikanismus (Sonderrechte in Frankreich gegenüber dem Papst) und dem
- Staatskirchentum
immer mehr in Frage gestellt.

Wie reagierte man in Deutschland auf diese Situation?
Um 1860 vermehrten sich Stimmen, welche die Einberufung eines ökumenischen Konzils forderten. Die Kirche sollte sich mit den nach-revolutionären Entwicklungen befassen und ihren Standpunkt definieren.

In Bezug auf sein Alter war Papst Pius IX. eher skeptisch dazu eingestellt.

Auch die Kardinäle in Rom hatten Angst, dass die französischen und deutschen Theologen den römischen Kongregationen Schwierigkeiten bereiten könnten.

Wie es zum 1. Vatikanischen Konzil kam
Es bestanden verschiedene Interessen für ein Konzil. Die liberale Minorität wünschte sich eine offene Diskussion über alle anstehenden Fragen.

Der konservativen Majorität ging es um die Darstellung einer konfliktlosen Einheit mit und unter dem Stellvertreter Christi.

Bischof Ketteler von Mainz, ein Wortführer der katholischen Kirche in Deutschland, liess sich weder von der einen, noch von der anderen Seite vereinnahmen.

Am 6. Dezember 1864 eröffnete Papst Pius IX. der Ritenkongregation, dass er ein ökumenisches Konzil einberufen möchte.

Wichtig zu sagen ist, dass es dem Papst damals nicht um die Definition der Unfehlbarkeit ging. Sein Motiv war vor allem die Verurteilung von "Liberalismus" und "Naturalismus". Ebenso sollte dem Bekenntnis zur übernatürlichen Ordnung (göttliches Recht) ein stärkeres Gewicht verliehen werden.
Das heißt, dass das Konzil nicht nur innerkirchlichen Charakter haben, sondern auch die "Societas christiana" restaurieren sollte.

Die Frage der Unfehlbarkeit des Papstes
Der Anstoß dazu kam vom freien katholischen Belgien. Sein Episkopat, unter der Führung von Erzbischof Viktor Dechamps von Mecheln, gab am Weihnachtstag 1869 den ersten Anstoß, dass auf dem Konzil auch die Frage der Infallibilität (Unfehlbarkeit) des Papstes behandelt werden sollte.

Römischen Jesuiten griffen diese Anregung in einer Initiative auf und verstanden es, die Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit als Hauptaufgabe der bevorstehenden Kirchenversammlung herauszustellen.

Vor allem in Deutschland protestierte man dagegen
Bemerkenswert ist, dass an der Spitze dieser Gegenbewegung der ehemalige Lehrer von Bischof Ketteler, der Münchner Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger stand.

Er trat wortgewaltig gegen das "von Kurie und Jesuiten gemeinsam geschmiedete Komplott" auf.

Anfangs 1869 veröffentlichte Ketteler das Buch: "Das Allgemeine Konzil und seine Bedeutung für unsere Zeit". Ketteler betont darin vor allem die Heiligkeit der Kirche und ihr Reformbedarf an Haupt und Gliedern.

Er behandelte, in Anlehnung an Möhlers "Symbolik", auch die dogmatischen Gegensätze von Katholiken und Protestanten.

Die Ökumene
Ketteler betont, dass beide, Protestanten und Katholiken, die heilige Schrift als göttliche Quelle betrachten. Um aber den Auftrag Jesu Christi zu erfüllen, die Lehre Christi allen Völkern und Nationen zu verkünden, habe der Herr das von ihm eingesetzte Lehramt als Mittel gewählt.

Die erste Aufgabe dieses Lehramtes sei es zu predigen. Denn, so stellt Kettler fest: Jesus Christus habe selbst nurgepredigt und nie geschrieben. Er habe auch den Aposteln explizit nur den Auftrag erteilt zu predigen und nicht, seine Lehre niederzuschreiben.

Ketteler zitiert dazu die Worte von Paulus: "Wie werden sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Oder wie werden sie an den glauben, von welchem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne Prediger? Und wie können sie predigen, wenn sie nicht gesandt werden?" Daraus zieht Paulus den Schluss: "So kommt also der Glaube vom Hören, das Hören aber von der Predigt des Wortes Christi". (Röm 10,13ff.)

Wenn der Heiland gewollt hätte, so Ketteler weiter, dass sich seine Lehre nur durch Bibellesen verbreite und erhalte, warum, so müsste man sich fragen, schrieb Jesus Christus dann nicht selbst?

Deshalb müssten wir auch die "katholische Erblehre" (Tradition) annehmen. Denn in der Bibel stünde zum Beispiel nicht, welches die echten Bücher der heiligen Schrift und welches die rechte Auslegung derselben sei. Auch nicht alle Glaubensartikel und Gebote seien darin vollständig enthalten.
Als Beispiele nennt er die gültige Taufe der Kinder und die Feier des Sonntags, anstelle des Sabbats.

Wir könnten also nur durch "die Schrift und die Tradition" der katholischen Kirche unfehlbar wissen, was Gott geoffenbart hat.

Dass ein "allgemeines Konzil" das Recht der Entscheidung in Glaubensstreitigkeiten besitze, sei ein Lehrsatz, der die Kirche des Orients und des Okzidents miteinander verbinde. Auch die anglikanische Kirche und viele Protestanten würden diesen Gedanken nicht einfach grundsätzlich verwerfen, da sich ja auch die ersten Reformatoren darauf beriefen.

Um so bemerkenswerter sei es, dass keine christliche Gemeinschaft, außer der katholischen Kirche, diese Einrichtung aus der ersten apostolischen Zeit noch besitze, um vor dieser apostolischen Versammlung die Streitigkeiten in der Christenheit in derselben Weise zur Entscheidung zu bringen, wie es die ersten Christen im Konzil zu Jerusalem getan hätten.

Welchen Wert die hinterlassenen Schriften der Apostel und ihrer Schüler hatten, das hätten die Christen nur durch die lebendige Tradition gewusst, welche durch das lebendige Lehramt der Kirche bewacht worden sei.

Alle Irrtümer der Geschichte hätten sich aus der Auslegung der "Heilige Schrift" ergeben, so wie es später auch die Reformatoren getan hätten.

Die Verteidiger des katholischen Glaubens und der Kirche hätten sich aber immer auf das "Lehramt und die Tradition" der Kirche berufen.

Die großen Apologeten der ersten christlichen Zeit, welche auch die gläubigen Protestanten als die Verteidiger der wahren Lehre Jesu anerkennen würden, hätten genauso argumentiert.

"Menschengeist" und "Privatgeist"
Die Quelle aller Irrtümer im Laufe aller christlichen Jahrhunderte sei die vom "Menschengeist", vom "Privatgeist" interpretierte heilige Schrift, so Ketteler.

Im Streit mit Häretikern, welche zwischen Schrift und Tradition unterscheiden würden, müsse man betonen, dass gerade "die Schrift die Tradition" sei. Das Evangelium sei nicht toter Buchstabe, sondern es bedürfe der Auslegung und Deutung durch die Kirche. Es sei etwas Lebendiges, denn bevor es geschrieben worden sei, hätte es schon die "mündliche Tradition" gegeben.

Um zur Einheit in Christus zu gelangen, bedürfe der Mensch einer reinen, lebendigen und ungetrübten Erkenntnis der Person Jesu Christi, wie sie die Apostel hatten. Das Erkennen sei die Grundlage der Liebe. Jede Ungewissheit, jede Unklarheit, jeder Zweifel über die Person Jesu zerstöre in ihrer Grundlage die Einheit der Christenheit, weil diese einzig und allein auf der Person Christi und in der Verbindung mit ihr beruhe.

Wo der Einfluss der Kirche schwinde, so Ketteler weiter, und die Lehrautorität der Kirche verworfen werde, gehe die Einheit des Glaubens mehr und mehr verloren, bis man endlich selbst an ihrer Möglichkeit verzweifle.

Wenn kein Lehramt mehr da wäre, so Ketteler, gäbe es auch keine Vollmacht für die Gnadenspendungen, weder für die Sündenvergebung noch für die wahre Gegenwart Jesu Christi im allerheiligsten Altarssakrament.

Der Indifferentismus
Dann zieht Ketteler eine Parallele zum Freimaurertum.

Er sagt: "So wie der Protestanten-Verein ein Verein angeblich für Christen ist, ohne nur eine einzige christliche Wahrheit zur Bedingung der Mitgliedschaft zu machen", genauso wolle der Freimaurerbund ein Verein für alle Menschen sein "zur Pflege des Humanismus, alles Guten und Schönen in der Menschheit, ohne nur eine einzige höhere Vernunftwahrheit über den wahren Grund des Guten und Schönen festzuhalten."

Nach Ketteler sind beide Vereine verwandt. Der Protestanten-Verein sei der "organisierte christliche Skeptizismus", das Freimaurertum sei der "organisierte Vernunftskeptizismus".

Aus diesen und anderen Äußerungen Kettelers zur Stimmung seiner Zeit, kurz vor dem Beginn des 1. Vatikanischen Konzils, wird klar, dass Ketteler für die Einheit der Christen kämpfte.

Ketteler sah aber nur eine Chance für diese Einheit: Die Rückkehr der getrennten Christen in die katholische Kirche.

Die katholische Position heute

Franziskus spricht sich gegen einen "jammernden Skeptizismus" in der Kirche aus. Er betont die Zuwendung zu den Armen dieser Welt, ohne dass ihnen die Wahrheit aufgezwungen werde. Er plädiert für die Verkündigung des Evangeliums durch "Neue Formen". Diese Formen sind: Zuhören, Wahrnehmen und Begegnung.

Ob sich daraus eine "Stärkung der Wahrheit" und eine "Einheit in Jesus Christus" erreichen lässt?

Das Zuhören, Wahrnehmen und die Begegnung mit Jesus Christus waren und sind für die Menschen immer folgenschwer. Denn Jesus Christus heilt und fordert zugleich: "Jetzt bist du gesund; sündige nicht mehr, damit dir nicht noch Schlimmeres zustößt." (Joh 5,14)
vir probatus
Bringt doch mal was aktuelles.
Oenipontanus
Jo mei, die Tradis schlagen halt gerne längst vergangene Schlachten (ohne diese theologisch zu begreifen). Lassen wir ihnen ihre Spielwiese!